Interview mit Mikael Mihailo Popovic von Year Of The Goat

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Trivia Goddess“, das neue Album von YEAR OF THE GOAT, hat uns schwer beeindruckt. Da war es so klar, wie die Hexe zum Besen gehört, dass wir uns mit Sänger und Gitarrist Mikael Mihailo Popovic zu einem Gespräch verabreden. Warum es manchmal sinnvoll ist, eingeschlagene Pfade zu verlassen, welches eines der verhängnisvollsten Bücher der Welt ist und worin sich deutsche und schwedische Fans ähneln, lest ihr hier.

Hallo Mikael, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast. Lass uns zum Einstieg einen historischen Abstecher machen. Du und dein Sänger und Gitarrist Thomas „Sabbathi“ Eriksson habt vor YEAR OF THE GOAT bei HOUSE OF AQUARIUS gespielt. Gab es Dinge aus dieser Zeit – ob persönlich oder kreativ –, die sich später für YEAR OF THE GOAT als nützlich erwiesen haben? Vielleicht sogar jetzt für „Trivia Goddess“?
Oh, absolut, danke, dass du dich an diese Tage erinnerst. Wir waren auch zusammen in einer Band namens DEAR MUTANT. Ich würde sagen, es war nützlich, dass wir uns in kreativen Situationen recht gut kannten – wir wissen, wie wir die Knöpfe des anderen drücken können und welche man vielleicht besser nicht drückt. Mit HOUSE OF AQUARIUS waren wir sehr offen und experimentierfreudig und ich denke, das ist auch in diese Band und diese Aufnahmen eingeflossen. Man könnte sagen, YEAR OF THE GOAT ist die neueste Manifestation unserer gemeinsamen Kreativität, aber ohne die anderen Beteiligten würde es anders klingen – wir alle sind in gewisser Weise Teil des Sounds und der Songs.

YEAR OF THE GOAT 2025; © Kim Vestbrandt

Euer Debütalbum „Angels’ Necropolis“ markierte den Beginn einer Trilogie. 2019 erschien mit „Novis Orbis Terrarum Ordinis“ der zweite Teil. Mit „Trivia Goddess“ unterbrecht ihr dieses Konzept nun schon zum zweiten Mal. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich glaube, wir waren ein wenig übersättigt davon, unter einer strikten Idee zu arbeiten. Wir hatten gerade den Soundtrack zum finnischen Film „Heavier Trip“ fertiggestellt und mussten einfach Musik machen, ohne einschränkende Faktoren. Für „Trivia Goddess“ hatten wir überhaupt keine Ahnung, was wir tun sollten – wir haben den Großteil der Musik geschrieben, bevor auch nur ein Gedanke zu den lyrischen Themen entstand. Ein paar Songs später tauchte Alucarda auf und führte uns zu einem eher femininen Albumthema.

„Trivia Goddess“ stellt das Weiblich-Magische in den Mittelpunkt eurer Arbeit – neben dem Teufel und Wassergeistern. Neben Hekate, der Mutter aller Hexen, gedenkt ihr auf dem Album auch der 280 Menschen, meist Frauen, die während der Hexenprozesse in Schweden ermordet wurden. Habt ihr zu diesem Thema recherchiert? Wie tief seid ihr in diese dunklen Zeiten eingetaucht?
Auch wenn es im Vergleich zu anderen Orten der Welt nicht so viele waren, war es doch eine große Zahl für einen kleinen Teil eines damals dünn besiedelten Landes wie Schweden. Dieses Thema ist in unserem Leben immer wieder aufgetaucht – vom Geschichtsunterricht in der Schule bis hin zu späteren Interessen. Mein Vater war Autor und forschte an der Geschichte einer Frau, die nur zwanzig Minuten von meinem heutigen Wohnort entfernt der Hexerei beschuldigt und hingerichtet wurde … zwanzig Minuten Reise durch den Raum und vierhundert Jahre durch die Zeit. Er teilte seine Forschungen oft mit mir, begeistert von seinen Funden in Kirchenbüchern und Archiven. Doch er konnte das Buch nie schreiben – Leben und Tod kamen dazwischen.

Das Thema Hexenverfolgung ist ebenso faszinierend wie drastisch. Diese Ereignisse verankerten klar die institutionellen – und damit patriarchalen – Machtmissbräuche der Kirche in der Geschichte. Kann „Trivia Goddess“ daher auch als Statement für Frauenrechte und Selbstbestimmung verstanden werden?
Absolut, ich denke, das wurde in gewisser Weise der Kernpunkt des ganzen Albums für uns. Aber damit ist nicht gesagt, dass man es nicht auch anders sehen darf. Was das Publikum empfindet, wenn es die Musik hört, ist die eigene Erfahrung der Leute, die ihnen gehört. Unsere Macht endet dort …wir verbinden unsere Liebe zum Horror und Makabren mit unseren Gedanken zu gleichen Rechten für alle. Dieses Mal als Hommage an unsere Schwestern, Mütter, Freundinnen und Geliebten.

Kommen wir zur Musik: Ich persönlich finde, „Trivia Goddess“ strahlt etwas fast Majestätisches, aber auch Anklagendes und Düsteres aus. YEAR OF THE GOAT klingen epischer. Würdest du zustimmen und wenn ja, wie kam es dazu?
Nein, dem stimmen wir nicht zu … nur ein Scherz (lacht). Ich denke, du hast da einen Punkt. Wir sind ohne wirklichen Plan gestartet, also war es vielleicht ein glücklicher Zufall. Oft folgen wir einfach der Muse im Schaffensprozess – erst mit etwas Abstand merken wir, was mit den Klängen eigentlich passiert. Ich denke, wir haben einfach mehr hinzugefügt, mehr Details in Instrumenten und Backing-Vocals – es ist vielleicht eine musikalische Pizza mit allem drauf. Es ist kurz vor dem Mittagessen hier, entschuldige die Analogie.
Ein großer Teil des klanglichen Ergebnisses ist das Mixing von Tom Dalgety. Wir hatten mit einem Mix angefangen, der uns nicht so richtig zugesagt hat. Dann sprachen wir darüber, wie es klingen sollte. Jonas erwähnte, dass das neue Album von THE CULT großartig klingt. Wir fragten Tom, ob er es machen könne und wolle – glücklicherweise sagte er ja, und wir finden, dass es perfekt zum Album passt.

YEAR OF THE GOAT 2025; © Kim Vestbrandt

Wie entsteht eigentlich ein Album von YEAR OF THE GOAT? Am Beispiel von „Trivia Goddess“ – wo fängt alles an und wie läuft der Prozess von den Texten über die Musik bis hin zur fertigen Platte ab?
Normalerweise haben wir eine Art Storyboard. Für die Alben der Trilogie hatten wir ein Storyboard und eine klare Idee, von der aus wir sie musikalisch und textlich weiterentwickelt haben. Für das zweite Album haben wir einfach gesagt: „H. P. Lovecraft … los“ – und dann haben wir allein und zusammen an verschiedenen Themen gearbeitet, quasi Fan-Fiction zu Lovecrafts Werken. Bei „Trivia Goddess“ hatten wir, wie gesagt, die Zwänge satt und sind einfach mit dem Strom geschwommen, der Muse gefolgt, wohin sie uns führte. Wir haben fast die gesamte Musik aufgenommen, bevor wir die Instrumente eingespielt haben. Diesmal ließen wir die Musik das Thema erschaffen – sie sprach zu uns.

Cover-Artwork des Albums Novis Orbis Terrarum Ordinis der Band Year Of The Goat

Wie fügt sich das Albumcover in die Musik von „Trivia Goddess“ ein? Wer war dafür verantwortlich?
Wir wandten uns an den Künstler und Sänger von VANHELGD, Mattias Frisk, den wir schon für das Cover des vorherigen Albums („Novis Orbis Terrarum Ordinis“ – Anm. d. Red.) engagiert hatten. Wir sprachen über die Songs, über das, was wir in der Figur der Trivia Goddess, Hekate, sahen – ihre grünen Augen, die Tiere, entnommen aus der Symbolik von Hekates’ Eigenschaften. Er las sich ein, präsentierte seine Idee und wir liebten sie. Er macht alles von Grund auf, zeichnet und malt, bevor er es digitalisiert.

Gibt es einen Song auf „Trivia Goddess“, der dir besonders am Herzen liegt? Wenn ja, warum?
„The Witch Of The Woods“ für mich. Ich habe die Hauptteile geschrieben, als ich meinen Sohn aus der Kita abholte – er war damals vier Jahre alt. Dort hing eine Gitarre an der Wand, wo ich wartete, bis er mit dem Essen fertig war. Viel Zeit hatte ich nicht, ein paar Minuten hier und da, aber über ein paar Monate hinweg entstand daraus eine vollständige Idee. Der Song wurde fürs letzte Album aufgenommen, wurde aber auf Eis gelegt, weil wir nicht das richtige Gefühl dafür hatten und das Thema des Albums nur neun Songs zuließ. Dieser Song erinnert mich an meinen Sohn als den süßesten kleinen Jungen – auch wenn er von einem Traum der Rache für Frauen handelt, die von Männern der Kirche unterdrückt wurden.

Rock- und Metal-Musik hat sich im Klang stark verändert. Der „Sound von heute“ wirkt oft künstlich und überproduziert. Was ist dir beim Klang eurer Platten wichtig? Ich stelle mir vor, ein Mellotron – das du ja auch spielst, wenn ich richtig informiert bin – braucht eine gewisse „Klangumgebung“, um sich wirklich zu entfalten …
Vielleicht ist das so – für mich passt es sehr gut zu den Gitarren. Irgendetwas an den Klängen des Mellotrons fügt sich einfach gut zu den rauen Gitarren und den geräumigen Drums. Wenn das Klangbild insgesamt zu sauber ist, klingt das Mellotron nicht so gut. Die, die ich benutze, stammen von Marcus Resch – neue digitale Maschinen, bei denen die Originalsounds in hoher Auflösung gesampelt wurden. Keine Software und keine andere Hardware kommt da ran. Die digitalen sind handlicher, auch wenn sie mit Case immer noch rund 26 Kilo wiegen. Insgesamt wollen wir, dass die Instrumente so klingen wie sie selbst. Seltsame Synth-Sounds entstehen bei uns meist durch einfache Quellen wie Klavier und Streicher, die wir dann mit Effektpedalen verfremden – so, wie man es früher mit einer Gitarre gemacht hätte.

Apropos „Sound“: Bald bringt ihr ihn auch wieder auf die Bühne, im Rahmen einer kleinen Tour. Ab dem 24. Oktober 2025 seid ihr mit THE NIGHT ETERNAL unterwegs. Was schätzt du an euren Tourkollegen?
Ich bin ganz ehrlich: Ich habe bisher nur ein wenig in ihre Sachen reingehört, aber ich mag es. Wie ich gehört habe, gehören sie zu den interessantesten Newcomer-Bands in Deutschland – und das habe ich schon aus mehreren Quellen gehört. Auf sozialer Ebene habe ich auch nur Gutes gehört. Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen – hoffentlich wird es eine großartige gemeinsame Tour.

YEAR OF THE GOAT 2025; © Kim Vestbrandt

Die Tour führt euch durch Deutschland, Wien und Krakau. Wenn du an das deutsche und das schwedische Publikum denkst – was unterscheidet die beiden voneinander?
Gute Frage! Als ich in den Neunzigern eine Zeit lang in den USA lebte, hörte ich einmal einen Typen, der die Schweden beschrieb: „Sie sind wie die Deutschen, aber sie können Englisch.“ Vielleicht stimmte das damals eher. Heute sprechen so gut wie alle in Deutschland sehr gutes Englisch – vielleicht nicht unbedingt ältere Generationen, aber die jüngeren sind stark anglisiert. Für mich ist das schade, weil ich gern meine Deutschkenntnisse üben würde. Kurze Antwort: Heute sind wir gleich (lacht).

Jemand, der beide Szenen verbindet und wie kaum ein anderer musikalisch relevant war, ist Ozzy Osbourne. Traurigerweise ist er vor kurzem verstorben. Wenn er noch leben würde – was würdest du ihm sagen wollen?
Danke für einen bedeutenden Teil des Soundtracks meines Lebens.

YEAR OF THE GOAT gibt es nun seit fast 20 Jahren. Rückblickend – worauf bist du heute besonders stolz?
Im Moment sind wir alle stolz auf das neue Album. Gestern hatten wir die Release-Show in Norrköping – es war ein großartiges Gefühl, das live zu spielen. Ich habe Fotos gesehen, es sah fantastisch aus und klang majestätisch. Auch der Gewinn des Preises „Best Debut“ für „Angels’ Necropolis“ im deutschen Metal Hammer war ein stolzer Moment. Am meisten stolz bin ich aber nicht auf einen bestimmten Moment, sondern auf die Ausdauer: dass wir es geschafft haben, durchzuhalten, auch wenn es manchmal schwierig aussah. Wir sind keine große Band mit viel Geld. Jeder Fan, der ein Album kauft oder streamt, bedeutet uns viel. Touren ist für uns immer noch ein persönliches finanzielles Opfer – daher sind wir unglaublich dankbar für alle, die zu unseren Shows kommen.

Was sind eure Pläne für 2026/2027? Können wir bald mit dem dritten Teil eurer Trilogie rechnen?
Wir haben das Storyboard und das Thema für das dritte Album der Trilogie fertig. Wir würden das nächste Album am liebsten sofort machen. 2027 ist das Jahr der Ziege, das Element ist „Feuer“ – es würde sich perfekt für den Abschluss der Trilogie eignen.

Mikael, vielen Dank für deine Zeit. Zum Abschluss – wie immer am Ende eines Metal1-Interviews – machen wir noch unser Metal1-Brainstorming.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast.

Analogsynthesizer: Liebe ich – eingesetzt nur für „Non-Euclidean Calculus“ auf der „Key And The Gate“-EP von 2014, wenn ich mich recht erinnere.
„The VVitch“ von Robert Eggers: Wouldst I like to live deliciously? Yes!
„Der Hexenhammer“ („Malleus Maleficarum“): Hat fast ebenso viel Leid und Elend über die Welt gebracht wie die Bibel.
Anton Szandor LaVey: Mein toter Bruder in Glatzköpfigkeit.
YEAR OF THE GOAT in zehn Jahren: Hoffentlich unter den Lebenden.

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