Konzertbericht: Behemoth w/ At The Gates, Wolves In The Throne Room

11.01.2019 München, Tonhalle

Wer sich fragt, ob es 2018 noch Bands im Extreme Metal gibt, die einer großen Zukunft entgegensehen, braucht dieser Tage bloß auf BEHEMOTH schauen: Mit geschicktem Social-Media-Management, viel Marketing und natürlich einer makellosen Diskographie gelingt den Polen derzeit der Durchmarsch nach oben. Da ist es sicher auch kein Zufall, dass Nergal und Konsorten auf ihre bislang größte Hallentour mit den trendigen WOLVES IN THE THRONE ROOM etwas für die hippen Fans und mit den traditionellen AT THE GATES etwas für die Fans der alten Schule ins Vorprogramm gepackt wurde.

So wundert es wenig, dass der Manbun-Vollbart-Knöchelfrei-Faktor im Publikum beachtlich hoch ist, als um Schlag halb acht WOLVES IN THE THRONE ROOM den Abend eröffnen: Nebelschwaden, düsteres Licht und Räucherstäbchenduft bestimmen die Szenerie, in der die Amerikaner ihren Black Metal zum Besten geben. Warum sie das mit drei Gitarren (und Keyboard), aber ohne Bass-Gitarre machen, bleibt ihr Geheimnis. Zumal der gesampelte Bass nicht gleich „anspringt“, bleibt das Ganze jedenfalls ein recht nasales Vergnügen. All zu viel Raum, sich zu präsentieren, bekommt die Band aus Olympia, Washington, aber sowieso weder zeitlich noch räumlich: Während die Bühne durch das Behemoth-Equipment reichtlich vollgestellt ist, müssen sich WOLVES IN THE THRONE ROOM mit 30 Minuten gleichbedeutend mit drei Songs – allesamt vom aktuellen AlbumThrice Woven“ zufriedengeben. Im heutigen Setting ist das auch genug: Den Erwartungen ihrer Fans können WOLVES IN THE THRONE ROOM in diesem Setting sowieso nicht gerecht werden.

  1. Angrboda
  2. The Old Ones Are With Us
  3. Born From The Serpent’s Eye

Ganz anders AT THE GATES: Ihrem Legenden-Status entsprechend haben die Göteborger heute fast schon Co-Headliner-Status. 50 Minuten lang können die Mannen um Tomas Tompa Lindberg dem teils begeisterten, teils ratlos dreinblickenden Publikum vorexerzieren, wie schwedischer Death Metal zu klingen hat: Von messerscharfem, kraftvollem Sound getragen und, wie man es von der Band kaum anders kennt, top motiviert, gönnen AT THE GATES sich und den Fans kaum eine Pause: Bei drei Nummern vom aktuellen Werk „To Drink From The Night Itself“, fünf Stücken vom Vorgänger „At War With Reality“ und vier Songs vom Genre-prägenden Album „Slaughter Of The Soul“ bleibt kein Haupthaar ungeschüttelt – sollte man meinen. Das Münchner Publikum jedoch bleibt bei der Machtdemonstration der Schweden erschreckend emotionslos: Zwar bekommen Tompa und Konsorten ordentlich Applaus. Von Jubelstürmen kann aber ebenso wenig die Rede sein wie von einem Moshpit: Lediglich einige eingefleischte Fans lassen ihrer Begeisterung vor der Bühne freien Lauf. Böse Zungen würden behaupten, der „moderne“ Behemoth-Fan könne nichts mehr mit Melo-Death der alten Schule anfangen.

  1. To Drink From The Night Itself
  2. Slaughter Of The Soul
  3. At War With Reality
  4. A Stare Bound In Stone
  5. Cold
    — El Altar Del Dios Desconocido (Interlude)
  6. Death And The Labyrinth
  7. Heroes And Tombs
  8. Suicide Nation
  9. Daggers Of Black Haze
  10. The Book Of Sand (The Abomination)
  11. Blinded By Fear
  12. The Night Eternal

Tatsächlich könnte der Kontrast zwischen der eben erlebten und der nun beginnenden Show kaum größer sein, als um 21:40 Uhr der Bühnenvorhang zum Intro „Solve“ fällt und BEHEMOTH mit dem „I Loved You At Your Darkest“-Opener „Wolves Of Siberia“ in ihr Set starten: Während At The Gates ausschließlich auf Riffs, Fleiß und Schweiß setzen, überlassen BEHEMOTH im Jahr 2019 nichts mehr dem Zufall. Von Minute Eins an, als Nergal, Orion, Seth und Inferno mit silbernen Schädelmasken – ein Schelm, wer Sido dabei denkt – die Bühne betreten, folgt wahrscheinlich jeder einzelne Schritt, jede Geste einer festen Choreografie.

Für die niedrige Halle beachtliche Feuersäulen, deren Hitzewellen einem Saunaaufguss gleich kommen, wechseln sich mit gewitterwolkengleichem Nebel ab, der ein Frösteln durch die ersten Reihen gehen lässt und – etwa an einem Songende – jede Sicht raubt, um sie wenig später auf die dann leere Bühne wieder freizugeben, als wäre nichts gewesen, hier nie etwas Spektakuläres geschehen.

Doch spektakulär ist bei BEHEMOTH alles: Die Effekte und die Kostüme, aber auch die fast beängstigende Präzision, mit der Inferno die Fill nur so aus dem Ärmel schüttelt, mit der Seth seiner Gitarre die Soli entlockt, Nergal seine Vocals wie von Platte reproduziert.

An all dem können sich die Geister scheiden. Ohne Frage kann man sich an der augenscheinlich starren, von vorne bis hinten durchkonzipierten Inszenierung ebenso nachvollziehbar stören, wie man sich dem Schauspiel – von dem gebotenen Spektakel angetan – hingeben kann. Nur eines kann man spätestens dann nicht mehr, wenn Orion am Ende von „Lucifer“ mit Federmaske einem Sturm aus schwarzen Konfetti trotzt oder BEHEMOTH zum fulminanten Konzertabschluss nach rund 80 Minuten im Kollektiv „Coagvla“ trommeln: den Polen absprechen, dass sie das, was sie da tun, in absoluter Perfektion tun.

  1. Wolves Ov Siberia
  2. Daimonos
  3. Ora Pro Nobis Lucifer
  4. Bartzabel
  5. Ov Fire And The Void
  6. God = Dog
  7. Conquer All
  8. Ecclesia Diabolica Catholica
  9. Decade Of Therion
  10. Blow Your Trumpets Gabriel
  11. Slaves Shall Serve
  12. Chant For Eschaton 2000
  13. Lucifer
  14. We Are the Next 1000 Years
  15. Coagvla / Outro

Sieht man von der Musik ab, unterscheidet BEHEMOTH nicht mehr viel von Helene Fischer: Beide haben begriffen, dass „die große Show“ und „absolute Perfektion“ schon immer die Schlüssel zum Erfolg waren. Was der einen ein märchenhaftes Wasserkleid und Sex-Appeal, ist den anderen morbides Makeup und die Aura des Bösen – in Punkto Kitsch gibt sich beides nicht viel. Dass BEHEMOTH davon abgesehen großartige Musiker sind, geht in der allgemeinen Wahrnehmung der Band bisweilen fast unter – nicht zuletzt, weil bei ihren Livedarbietungen nicht immer klar ist, ob die Show die Musik untermauert oder ob die Musik nurmehr ein Baustein in der Show ist. Fakt ist: Für 45 € bekommt der Fan hier die audiovisuelle Vollbedienung – zumal mit WITTR und AT THE GATES im Vorprogramm.

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Ein Kommentar zu “Behemoth w/ At The Gates, Wolves In The Throne Room

  1. Konzert war super, allerdings war der Merchstand von Behemoth überfüllt bzw der einzelne Mitarbeiter kam mit dem Verkauf nicht hinterher und so verbrachte ich den kompletten Auftritt von At The Gates am Merchstand (ca 45 min.) :X

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