Festivalbericht: Brutal Assault Open Air 2013 (Tag 1 & 2)

07.08.2013 - 10.08.2013 Josefov

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Ein Festival wird erwachsen: Zum mittlerweile 18. Mal fand in diesem Jahr das BRUTAL ASSAULT im Tschechischen Josefóv statt. Und wie schon in den Jahren zuvor, waren wir auch 2013 für euch im Hinterland der Tschechischen Republik, um für euch von dem sympathischen Festival mit dem Jahr für Jahr großartigen Lineup zu berichten.

Mittwoch, 07.08.13

Bereits bei der Ankunft zeigt sich, dass die Veranstalter ihre Versprechen wahr gemacht haben und deutliche Verbesserungen vorgenommen haben. Der wohl zentralste Punkt dabei ist die Umstrukturierung des Check-In-Systems bei der Bändchenvergabe. Bildete sich dort im letzten Jahr monströse Schlangen mit Wartezeiten bis zu sieben Stunden (!), da es an Einlesegeräten für die Codes der Print-At-Home-Tickets mangelte, gibt es in diesem Jahr ganze 12 Check-In-Schalter, so dass die Besucher zu jeder Zeit unkompliziert an ihr Bändchen kommen.

Auch das Anmelden am zusätzlich zum Festival-Ticket buchbaren, bewachten VIP-Camp funktioniert in diesem Jahr schnell und unkompliziert – vorbildlich!

Testament

Nachdem zu den Klängen einiger lokaler und kleinerer überregional bekannter Bands Bühnentechnik wie Fans auf die bevorstehenden Konzerttage eingestimmt sind, kann bereits der Eröffnungsabend mit einem ersten Highlight aufwarten: Niemand geringeres als die feste Bay-Area-Größe TESTAMENT gibt sich bereits an diesem Mittwoch die Ehre. Die Erwartung an diesen Auftritt ist umso größer, als die Thrasher seit einiger Zeit mit Gene „The Atomic Clock“ Hoglan als Session-Schlagzeuger kooperieren, dessen Spiel freilich in der Szene als Spektakel für sich gerühmt wird. Weiter angeheizt wird die Stimmung, als die berühmt-berüchtigte Jimi-Hendrix-Version von „The Star Spangled Banner“ als Intro vom Band ertönt; und die Herren lassen sich, kaum ist diese verklungen, nicht zweimal bitten. Jedoch steht man zunächst vor einigen technischen Problemen (während der ersten Sekunden werden gar alle Kanäle im Soundmix – versehentlich? – komplett stummgeschaltet, sodass momentelang nur unverstärktes Schlagzeug zu hören ist), worunter der Opener „Rise Up“ zu leiden hat. Bald jedoch sind diese beseitigt und es kann sich ganz auf die Show der Kalifornier konzentriert werden. Hier stehen klar die Charakterköpfe Chuck Billy (voc) – mit einem grün leuchtenden (Laserschwert?) Mikrohalter bewaffnet, auf dem er gelegentlich „mitklampft“ – und Alex Skolnick (git) – zwischenzeitlich auch mal mit Publikumsansprachen – im Vordergrund, der Rest der Saitenfraktion bleibt vergleichsweise unauffällig, und Hoglan – ein Wermutstropfen – für seine Verhältnisse unüblich unscheinbar. Das Set – eine ausgewogene Mischung aus alt und neu, in der die aktuelle Langrille „Dark Roots Of Earth“ mit vier Titeln ausreichend repräsentiert ist, während Klassiker aus den 80ern (etwa von „The New Order“) nicht zu kurz kommen – wird routiniert dargeboten; nicht mehr und nicht weniger. Die helle Begeisterung rufen TESTAMENT an diesem Abend bei einem Nicht-Die-Hard-Fan vielleicht nicht hervor, doch gefallen kann die solide Thrash-Show allemal. So kann man sich auch getrost drei Zugaben gönnen, bis mit „The Formation of Damnation“ die Zeremonie geschlossen ist.
(FI)

Setlist TESTAMENT:
01. Rise Up
02. More Than Meets The Eye
03. Burnt Offerings
04. Native Bloodr
05. True American Hate
06. Dark Roots Of Earth
07. Into The Pit
08. The New Order
09. The Preacher

10. D.N.R.
11. 3 Days Of Darkness
12. The Formation Of Damnation

So weit, so gut – der Festival-Auftakt ist gelungen, so kann es weitergehen!

Donnerstag, 08.08.13

Erster anvisierter Programmpunkt an diesem ersten Konzerttag sind PHILM. Mit dem Hard-/Progrock-Trio aus Kalifornien steht ein weiteres Projekt des vielseitigen Ex-Slayer-Drummers Dave Lombardo auf der Bühne. Und der Schlagzeuger als Aushängeschild wird auch – im Wortssinne – ganz in den Mittelpunkt gerückt: Selten hat wohl je ein Drumraiser auf einer Festivalbühne derart in „Frontman“-Position gestanden. Die Songs, die die um ihn gruppierte Band in der brütenden Nachmittagshitze abliefert, wirken jedoch wenig griffig. Zwar sind sie recht groovig angelegt und öfters inhaltlich gute Ideen auszumachen, allerdings wirken Gesang wie auch Instrumentalparts der beiden Begleiter zu blass, und Lombardo als einziger Bezugspunkt bietet trotz redlicher Bemühungen zu wenig Bühnenpräsenz. Musikalisch durchaus interessant, schweift die Konzentration so trotz allem leider zu schnell ab. Es mag sich lohnen, der Band in Form eines letztjährig erschienenen Debütalbums ein Ohr zu leihen, die Liveperformance bleibt zumindest hier und heute leider zu dürftig.
(FI)

Im Anschluss an DOWNSET geht es mit BELPHEGOR weiter. Mit nicht eben glasklarem, aber doch annehmbaren Sound bestreiten die österreichischen Extreme-Metaller ihre frühabendliche Show. Positiv überrascht dabei Fronter Hellmuth, welcher nach langer Krankheit nicht nur wieder selbst am Mikrophon steht, sondern sich auch an tschechischen Ansagen versucht. Wie gut er sich dabei schlägt, können nur die Einheimischen beurteilen – Fakt ist, dass die Band trotz des frühen Slots gebührend abgefeiert wird, als mit „Bondage Goat Zombie“ nach vierzig Minuten Schluss ist.
(MG)

Setlist BELPHEGOR:
01. Feast Upon The Dead
02. Belphegor – Hell’s Ambassador
03. Angeli Mortis De Profundis
04. In Blood – Devour This Sanctity
05. Diaboli Virtus In Lumbar Est
06. Impaled Upon the Tongue of Sathan
07. Lucifer Incestus
08. Bondage Goat Zombie

Belphegor

Als nächstes sind die Amerikaner von DEVILDRIVER an der Reihe, welche für ihre mitreißenden Shows bekannt sind. Zumindest von etwas weiter weg, nämlich von der Naturtribüne aus betrachtet, kann die Band diese Erwartungen heute nicht ganz erfüllen – der Funke springt hier einfach nicht richtig über. Die folgenden Auftritte der Tech-Grinder DYING FETUS sowie von ENSIFERUM fallen dem Abendessen auf der ausgedehnten Fressmeile und einem Besuch des Metal-Marktes zum Opfer, bevor es konzerttechnisch mit GOJIRA weitergeht.
(MG)

Mit den Franzosen GOJIRA steht nun, um 20:25 und somit auf Fast-Headliner-Position, ein echtes Schwergewicht modernen Death/Groove Metals auf den Brettern. Das Quartett um die Gebrüder Duplantier, 2010 zuletzt auf dem BA zu bestaunen, hat vergangenes Jahr mit „L’Enfant Sauvage“ Album Nr. 5 vorgelegt; im Rahmen der dazugehörigen Tour ist man diesmal auf dem Festival zu Gast. Und die Band macht sogleich ihrem Ruf alle Ehre: Anhand von Unterrichtsmaterial aus diesem und den vorangegangenen drei Alben wird eine konzentrierte, fächerübergreifende Lehrstunde sowohl in Musik, Spezialgebiet Groove als auch – textinhaltsbedingt und für GOJIRA typisch – Ethik sowie Ökologie abgehalten. Die Souveränität, mit der dabei zu Werke gegangen wird, sucht weit und breit ihresgleichen: Präzise wie eine Maschine und gleichzeitig mit erstaunlich viel Gefühl geht Drummer Mario Duplantier beim Legen des rhythmischen Fundaments vor, entsprechend felsenfest stehen die darauf errichteten Klanggebilde. Störend könnte lediglich auffallen, dass die gelegentlich herangezogenen Bassdrop-Samples sich zunächst wegen unverhältnismäßig hoher Lautstärke nicht ganz ins Soundbild einpassen wollen, jedoch bessert sich dies im Verlauf des Gigs und auch ansonsten bleiben kaum Fragen unbeantwortet. Nach gut 50 großartigen Minuten ist dem Anspruch der Franzosen schließlich genüge getan: selten hat man derart überwältigende Festivalkonzerte erlebt. Einzig, dass mit „The Art of Dying“ der vielleicht raffinierteste Nackenbrecher der Band gefehlt hat, könnte jetzt noch stören, doch wäre dies Jammern auf all zu hohem Niveau.
(FI)

Festival

Nach diesem kraftvollen, an Perfektion kaum zu überbietenden Auftritt erscheint es nur schwer möglich, dass der nachfolgende Act mitzuhalten im Stande ist – würde es sich dabei nicht um die legendären ANTHRAX handeln. Wer die Band bereits auf der letzten Motörhead-Tour erleben durfte, weiß, wie viel Power Sänger Joey Belladonna und Konsorten auf die Bühne bringen – und in der Tat: Auch heute weiß die Band aus Yonkers, New York, vollends zu überzeugen. Trotz des einsetzenden Hitzegewitters verharrt die Menge wie gebannt vor der Bühne, auf der die Band tut und lässt, was ihr gefällt: Zwischen eigenen Hits werden munter Cover-Versionen von Joe Jackson, AC/DC und Trust gemischt – statt einer Promotour für das eigene Schaffen hat der Auftritt so den Charakter einer Show von Fans für Fans, bei der nie ganz klar ist, ob die Leute auf oder vor der Bühne mehr Spaß haben. Etwas verwunderlich ist lediglich, dass der unlängst verstorbene Jeff Hanneman mit keinem Wort Erwähnung findet, während mit „In The End“ auch heute Dio und Dimebag Tribut gezollt wird. Alles in allem ein mitreißender Auftritt, der vor allem eines bestätigt: Die vieldiskutierte Entscheidung, Belladonna zurück ins Boot zu holen, war genau die richtige.
(MG)

Setlist ANTHRAX:
— Worship (Intro)
01. Caught In A Mosh
02. Efilnikufesin (N.F.L.)
03. Got The Time (Joe-Jackson-Cover)
— Hymn 1 (Interlude)
04. In The End
05. Deathrider
06. T.N.T. (AC/DC-Cover)
07. Indians
08. Fight ‚Em ‚Til You Can’t
09. I Am The Law
10. Antisocial (Trust-Cover)
— Long Live Rock ‚N‘ Roll (Rainbow-Song, Outro)

Dem Regen, sowie einer über die Videoleinwand bekanntgegebenen Unwetterwarnung geschuldet, ist ein Gang zum Zelt, um sich mit trockenen Kleidern auszustatten, im Anschluss unausweichlich. So kommt es, dass wir nach FEAR FACTORY und VOIVOD erst zu ENTOMBED wieder vor der Bühne stehen.
Die Schweden, die mich bereits letztes Jahr auf dem Eisenwahn-Festival zu begeistern wussten, liefern auch heute eine starke Show ab, die nicht zuletzt vom hohen Sympathiewert von Sänger L-G Petrow lebt. In Kombination mit dem wieder aufgeklarten Himmel sorgt dieser mit seinen Ansagen für hohen Unterhaltungswert zwischen Oldschool-Death-Metal-Hits wie „Left Hand Path“, „Eyemaster“, „Chief Rebel Angel“ oder „Revel In Flesh“. Dass der Stagemanager den Skandinaviern am Ende untersagt, mit „Wolverine Blues“ noch einen drauf zu legen, ist schade, im Kontext eines straffen Festival-Zeitplans allerdings verständlich. Nichts desto weniger: Genau so muss eine Death-Metal-Show aussehen!
(MG)

Nach dem launigen Auftritt der Schweden wird es Zeit, in ein anderes populäres Subgenre der extremen Gitarrenmusik einzutauchen: WHITECHAPEL aus Tennessee, eine der Spitzenbands der Deathcore-Szene, machen sich ans Werk. Mit der typischen technischen Versiertheit werden Freunde der brachialen Hochgeschwindigkeits-Shreddings und extremen Breakdowns vor der Jägermeister-Stage eingedeckt. Einem nicht in der Szene heimischen Hörer mögen einige etwaige Feinheiten entgehen und kann daher sauer aufstoßen, dass der Stil der Band all zu stark den bekannten Klischees des Genres entspricht: So sind die Songs massiv auf sich untereinander nur geringfügig unterscheidende Breakdowns ausgerichtet; Gesang und Drumming – obgleich letzteres auf beeindruckendem technischen Niveau – klingen stilistisch wie soundtechnisch gar zu sattsam bekannt. Es fällt daher schwer, am Auftritt der Amerikaner etwas individuelles, geschweige denn originelles auszumachen, sodass er einigermaßen ratlos zurücklässt. Dass die durchaus begabte Truppe aber auf der Bühne hochprofessionell agiert und sich bestens darauf versteht, die Fanschar mitzunehmen, lässt sich letzten Endes nichtsdestotrotz festhalten.
(FI)

Festival

Die Ehre, den ersten vollen Festival-Tag zu beschließen, gehört in diesem Jahr den Schweden von MARDUK. Neben Carpathian Forest ist die Band dabei der einzige Vertreter der truen Schwarzmetall-Fraktion – den hohen Erwartungen, die mit dem traditionsreichen Namen verknüpft sind, wird die Truppe heute allerdings nicht ganz gerecht.
Statt mit routinierter Souveränität, die man von MARDUK sonst kennt, geht es heute recht chaotisch zu und auch sonst passt bei weitem nicht alles: Während der Sound beim ersten Song noch so breiig ist, dass der Titeltrack und Hit des aktuellen Albums, „Serpent Sermon“, wirkungslos verpufft, reißt Gitarrist Morgan in weiteren Verlauf des Sets gleich mehrfach sein Gitarrenkabel aus dem Verstärker, während Lars Broddesson kontinuierlich mit seiner Fußmaschine kämpft und an deren Justierung mehre Minuten kostbarer Spielzeit verschwendet werden müssen.
Zwar wird der Sound mit der Zeit zumindest insofern besser, als er dann wenigstens nach truem Black-Metal-Gerumpel klingt, dafür jedoch enttäuscht die Setlist etwas: Über den bereits erwähnten Track hinaus findet an aktuellem Material lediglich „Temple Of Decay“ seinen Weg ins Set, dessen Fokus ansonsten auf altem sowie ganz altem Material wie „The Black …“ von der ersten Demo aus dem Jahre 1990 liegt. Dass am Ende auch noch die geplante Zugabe (wohl „Baptism By Fire“) ausgelassen wird und die Band nach ihrem Abgang trotz laufenden Intros nicht mehr zurückkommt, komplettiert das chaotische Bild, das diesen Auftritt geprägt hat. So endet ein durchwachsener Auftritt nach knapp 40 Minuten mit gellenden Pfiffen. Für MARDUK wohl ein Tag zum vergessen – für die Fans eine herbe Enttäuschung am Ende dieses ansonsten großartigen Festival-Tages.
(MG)

Setlist MARDUK:
01. Serpent Sermon
02. Nowhere, No-One, Nothing
03. The Black…
04. Imago Mortis
05. Slay The Nazarene
06. Temple Of Decay
07. Christraping Black Metal
08. Wolves

Weiter zu Tag 3 …

Fotos mit freundlicher Genehmigung von: Jull Lucas und Andreas Papelitzky

Publiziert am von und Felix Indra (Gastredakteur)

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