Festivalbericht: Brutal Assault Open Air 2018 – Teil 1

07.08.2018 - 09.08.2018 Festung Josefov, Jaroměř (CZ)

Zwar ist das BRUTAL ASSAULT OPEN AIR im tschechischen Jaroměř für die meisten Metalfans aus Deutschland nicht ganz so schnell zu erreichen wie etwa das Summer Breeze oder das Party.San Open Air – dennoch erfreut sich das Event auch unter deutschen Metalheads immer größerer Beliebtheit. Warum, wird auch bei der 23. Ausgabe schnell ersichtlich: Ein spannendes Billing und familiäre Atmosphäre locken Black- und Death-Metal-Fans auch 2018 wieder aus allen Himmelsrichtungen in die malerische Kulisse der Festung Josefov, wo in diesem Jahr an satten fünf Tagen rund 130 Bands auf vier Bühnen aufspielen: Den beiden Mainstages („Jägermeister-Stage“ und der „Metalshop-Stage„), der Zeltbühne („Metalgate-Stage„) sowie der atmosphärischen „Oriental-Stage„.

Im Folgenden nun unser Bericht zu den Mainstage-Shows sowie ausgewählten Auftritten der ersten zweieinhalb Konzerttage.

Dienstag, 07.08.2018

War der Dienstag in den letzten Jahren noch vornehmlich Anreisetag (zuletzt mit einer kleinen Warm-Up-Show) gewesen, mausert er sich 2018 fast schon zum ersten Konzerttag: Ab 16:30 Uhr spielen auf der Metalshop Stage fünf Bands.

Den Startschuss gibt stimmigerweise eine einheimische Band: BEAST WITHIN THE SOUND aus Prag weihen mit Metalcore der härteren Gangart die rechte Hauptbühne samt zugehöriger Hälfte des Infields ein. Der Rest des Geländes bleibt für heute abgezäunt, doch auch als der Ton bei MONUMENT OF MISANTHROPY in fiesen Tech-Death umschlägt, reicht der Platz noch locker, sich die Beine zu vertreten – so manche Festivalbesucher trudeln wohl erst ein, schlagen ihre Camps auf oder lassen es bei hochsommerlichen Nachmittagstemperaturen noch ruhig angehen. Mit ROOT übernimmt eine feste Größe der tschechischen Black-/Death-Szene das Zepter und kann sich auch gleich über etwas gesteigerten Zulauf für ihre routinierte Okkult-Show freuen. Der gehstockbewehrte Big Boss und seine Mitmusiker in den schwarzen Umhängen finden auch in auf tschechisch gehaltenen Ansagen einen guten Draht zum Publikum, während sich die Sonne langsam hinter die Festungsmauer senkt. Als nächstes liefert mit GRIDE eine wohl ähnlich etablierte Formation rotzigen Grindcore. Während sich Fronter Iny durch seine markanten Schreie hervorhebt, hätte ein Staubsauger der Saitenfraktion die Arbeit abnehmen können; doch immerhin mit einigem groovigen Schub brettert man durch ein schnörkelloses Set.

Unterdessen ist im Publikum beständig die Anzahl der Flip-Up- und Bandanaträger gestiegen, deren Präsenz bereits den Höhepunkt der heutigen Warmup-Party ankündigt: Die Hardcore-Veteranen SUICIDAL TENDENCIES können den Raum zwischen Bühne und Mischturm erstmals durchgängig mit überaus moshfreudigen Fans füllen. Passend dazu zeigen sich die Kalifornier bestens aufgelegt – Neben Mike Muirs bekannten Monologen über Lebensphilosophie und Skating entsteht spontan die ein- oder andere angefunkte Instrumentaleinlage zwischen Songs, werden kleinere Equipmentpannen gekonnt überspielt und Bandmitglieder abwechselnd durch Mini-Soli vorgestellt, wobei Ex-Slayer– und Dead-Cross-Drummer Dave Lombardo gesonderte Aufmerksamkeit zukommt. Für einen denkwürdigen Ausklang dieses Auftaktabends sorgt schließlich ein weiteres Markenzeichen der Band: Zum finalen „Pledge Your Allegiance“ werden so viele Fans auf die Bühne geholt, wie es Tragfähigkeit und Securities erlauben, um Muirs Truppe gebührend zu verabschieden. [FI]

  1. You Can’t Bring Me Down
  2. I Shot the Devil
  3. Lost Again
  4. Clap Like Ozzy
  5. Freedumb
  6. Trip at the Brain
  7. War Inside My Head
  8. Subliminal
  9. Send Me Your Money
  10. Possessed to Skate
  11. I Saw Your Mommy
  12. Cyco Vision
  13. How Will I Laugh Tomorrow
  14. Pledge Your Allegiance

Mittwoch, 08.08.2018

Der erste reguläre Konzerttag hat bereits in der glühenden Hitze einige echte Highlights zu bieten: Auf die indonesischen Brutal Deather JASAD, die die Metalshop-Stage entjungfern und sich trotz der frühen Uhrzeit und glühenden Hitze über eine erkleckliche Zahl an Zuhörern freuen dürfen, folgen OBSCURE SPHINX aus Polen, denen es mit ihrem druckvollen, vor allem aber musikalisch extrem feinsinnig komponierten Doom-Sludge gelingt, der Nachmittagssonne absolute Düsternis entgegenzusetzen. Wie vielseitig das BRUTAL ASSAULT stilistisch aufgestellt ist, zeigt sich im Folgenden: BLEED FROM WITHIN präsentieren sich vor allem bei ihren von stark schottischem Dialekt geprägten Ansagen sehr sympathisch. Doch auch ihre energiegeladene Mischung aus Metalcore und Melodic-Death-Metal bringt die gut gelaunte Menge vom ersten Lied an zum Moshen. Darauf folgt mit ARMORED SAINT um Ex-Anthrax-Sänger John Bush eine Show für alle Fans von klassischem Heavy Metal, ehe SHELTER die Festivalgänger mit ihrem „KrishnaCore“ überraschen: Positive Hindu-Vibes finden in der Musik der Amerikaner zu klassischem New York Hardcore. Zwar kann der Gesang dabei nicht immer überzeugen, der Ansatz ist jedoch allemal einzigartig. Letzteres gilt allemal auch für STEVE ‚N‘ SEAGULLS, die im Anschluss allerlei Rock- und Metal-Klassiker von Maidens „The Trooper“ bis AC/DCs „Thunderstruck“ mit Banjo, Mandoline, Kontrabass und Ziehharmonika zu einer extrem unterhaltsamen – vor allem aber technisch brillanten Darbietung verwursten, wie sie mit diesem Humor und Charme eigentlich nur aus Finnland kommen kann. [MG]

Deutlich weniger verspielt, dafür umso druckvoller gehen COMEBACK KID zu Werke. So geradlinig wie melodisch, zündet der Hardcore der Band aus Winnipeg an diesem Nachmittag bestens und sorgt vor der Metalshop-Bühne ein weiteres Mal für reichlich Bewegung. Mit martialischen Showelementen wie vermummten Gesichtern, Macheten als Assecoires und dem Gebaren von Drogengang-Mitgliedern warten daraufhin BRUJERIA auf. Obwohl sich  hinter den Halstüchern bekanntermaßen allerlei internationale Prominenz verbirgt, präsentiert die Band mit Doppelspitze Juan Brujo und El Sangrón (zeitweise durch Shouterin La Bruja Encabronada verstärkt) musikalisch eher Unspektakuläres aus der Schnittmenge von Death Metal und Grindcore, ehe zum traditionellen Abschluss Los del Rios 90er-Hit „Macarena“ auf „Marijuana“ umgedichtet wird. Als nächstes sorgen THE BLACK DAHLIA MURDER wieder für mehr(-stimmige) Gitarrenmelodien sowie eine deutliche Tempoverschärfung. Trotz einiger Soundprobleme wie zu leisem Gesang und Gitarren ist ihr beeindruckendes instrumentales Niveau nicht zu überhören. Doch auch die schiere Härte ihrer Melodeath-/Metalcore-Mixtur sticht heraus und spornt die Moshpits an. Fronter Trevor Strnad zufolge markiert dieser Gig den Europa-Tourstart zum aktuellen Album „Nightbringers“ – die insgesamt gelungene Show in der einsetzenden Dämmerung eignet sich denn auch bestens als Werbung dafür.

Einen wiederum anderen Ansatz verfolgen im Anschluss HELMET: Die alten Hasen um Sänger Page Hamilton verlassen sich ganz auf die Schlichtheit ihrer drückenden Midtempo-Riffs, die ebenso schmucklos daherkommen wie das Bühenbild ohne Banner oder sonstigen Firlefanz. Dass die Band der goldenen Epoche des Alternative Rock Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre entstammt, erkennt man dabei am bassgetriebenen Sound, obwohl Hamilton als Einziger seit damals dabei ist. Dieser sorgt auch durch Melodiegesang mit zwar rauer Stimme für eine schöne Abwechslung im ansonsten guttural dominierten Lineup dieses Abends, passend zum insgesamt weniger extremen doch kurzweilig-treibenden Sound seines Vierergespanns.

Wieder in die entgegengesetzte Richtung schlägt das Pendel beim ersten Headliner-Slot des diesjährigen Festivals aus: CANNIBAL CORPSE zelebrieren auf der Metalshop-Stage ein Splatterfest. Bestens abgemischt, wird der in großer Zahl eingelaufenen Menge eine Hitparade des morbiden Knüppeldeaths von „Make Them Suffer“ bis „I Cum Blood“ kredenzt. Ein gut gelaunter Corpsegrinder geht auf Tuchfühlung zu den Fans und warnt etwa augenzwinkernd vor zu schnellem Headbangen – gegen ihn habe da sowieso niemand eine Chance. Auch die Verbindungen zu anderen Bands werden hervorgehoben:  Dem kürzlich verstorbenen Brett Hoffman, ehemaliger Sänger der langjährigen Weggefährten Malevolent Creation, wird ein Song gewidmet, und bei „Stripped, Raped and Strangled“ darf Trevor von The Black Dahlia Murder mit Corpsegrinder im Duett growlen. Auf Dauer nehmen sich die Songs der Death-Metal-Urgesteine aber doch recht gleichförmig aus, und so ist jeder zu Genüge bedient, als nach einer guten Stunde und so sicher wie das Amen in der Kirche „Hammer Smashed Face“ den Auftritt abschließt. [FI]

  1. Code of the Slashers
  2. Only One Will Die
  3. Red Before Black
  4. Scourge of Iron
  5. Evisceration Plague
  6. Scavenger Consuming Death
  7. The Wretched Spawn
  8. Pounded into Dust
  9. Kill or Become
  10. A Skull Full of Maggots
  11. I Cum Blood
  12. Make Them Suffer
  13. Stripped, Raped and Strangled
  14. Hammer Smashed Face

Für den großen Headlinerslot am Mittwochabend haben die Veranstalter des BRUTAL ASSAULT erneut GOJIRA für sich gewinnen können. Die Öko-Progressive-Deather aus Frankreich haben dieses Mal zusätzlich zur Musik noch eine großformatige Videoshow vorbereitet. Vielleicht war das als Versuch gemeint, der inzwischen doch eher routiniert wirkenden Show eine neue aufregende Komponente zu verpassen – im Zusammenhang mit der Aufmerksamkeit fordernden Musik wirkt der Bilderrausch jedoch eher wie Reizüberflutung. Hier wäre weniger wohl mehr gewesen. In Sachen Musik bekommt das Publikum dagegen genau das, was es erwartet: Extrem präzise Grooves und die fetten, rhythmisch verspielten Riffs, für die man GOJIRA kennt und liebt. Das macht wie immer riesig Spaß, auch wenn bei der Songauswahl heute Klassiker wie etwa „Toxic Garbage Island“ leider fehlen. Trotz allem beweisen die Duplantier-Brüder und ihre Mitmusiker mit Highlights wie „The Heaviest Matter Of The Universe“, „Flying Whales“ – bei dem aufblasbare Wale ins Publikum geworfen werden – oder „Silvera“ vom aktuellen Album „Magma“, dass die Band beim diesjährigen BRUTAL ASSAULT vollkommen zurecht erstmals einen so späten Slot belegen darf. [SB]

  1. Only Pain
  2. The Heaviest Matter Of The Universe
  3. Love
  4. Stranded
  5. Flying Whales
  6. The Cell
  7. Backbone (mit Remembrance Outro)
  8. Terra Inc.
  9. Silvera
  10. L’Enfant Sauvage
  11. The Shooting Star
  12. Vacuity

Mit „No Hope In Sight“ beginnen im Anschluss PARADISE LOST ihr Set. Der Opener löst zwei Gefühle beim Zuschauer aus. Zum einen will man, ob der brachial-bedrücken Stimmung des Songs, dem Titel voll und ganz zustimmen – zum anderen spielt die Band so energiegeladen auf, dass sich unter den Anwesenden pure Freude breitmacht. Neben gleich vier Tracks vom aktuellen Album „Medusa“ (immerhin ein Viertel des kompletten Sets) spielen die legendären Briten auch Klassiker wie „Mouth“ („Believe In Nothing“), „Say Just Words“ („One Second“) oder „Erased“ („Symbol Of Life“), deren Qualität unbestreitbar ist und schlicht mitreißt. Zudem bietet die Truppe den Anwesenden einen kleinen Überblick über ihren Backkatalog, was nicht nur für Neu-Fans ansprechend ist. Mit ihrer Mischung aus krachendem Death Metal, tonnenschwerem Doom und begeisternden Melodien, ergänzt durch einen Hauch Goth-Melancholie gelingt es den Herren von der Insel einmal mehr zu verdeutlichen, warum sie zurecht noch immer relevant sind. Ein tolles Set einer großartigen Band. [CE]

  1. No Hope In Sight
  2. Blood And Chaos
  3. Mouth
  4. From The Gallows
  5. Forever Failure
  6. Requiem
  7. The Longest Winter
  8. The Rise Of Denial
  9. Erased
  10. Shadowkings
  11. As I Die
  12. Say Just Words

Wenn auch weniger bekannt, sind die folgenden TORMENTOR doch nicht minder legendär: So ist es nicht zu hoch gegriffen, die 1985 gegründete Band um Sänger Attila Csihar (Mayhem) und Gitarrist Tamás Buday (Nifelheim) als eine der größten Inspirationsquellen für spätere Black-Metal-Größen zu bezeichnen – wenngleich die wenig aktive Truppe außerhalb des Undergrounds erst zehn Jahre später durch Dissections Coverversion ihres Hits „Elisabeth Bathory“ zu einiger Bekanntheit kam. Den Song spielen TORMENTOR heute bereits früh im Set – das Publikum erweist sich jedoch auch beim Rest der Show (der erst vierten seit den späten 90ern) als textsicher. Während sich Attila heute angenehm „normal“ gibt und im für ihn fast unspektakulären Kettenhemd vornehmlich stimmlich Aufsehen erregt, liefern TORMENTOR insgesamt erwartungsgemäß ab: Freunde filigranen Songwritings dürften mit dem Material ebenso wenig warm werden wie Technikfanatiker mit der Darbietung der mitunter nicht all zu gut aufeinander eingespielten Truppe. Alles in allem gelingt es TORMENTOR bei absolut stimmigem Sound dennoch, den Spirit der Ursprünge des Black Metal wieder aufleben zu lassen. Um mehr dürfte es bei dieser Show niemandem gegangen sein. [MG]

  1. Tormentor I
  2. Heaven
  3. Elisabeth Bathory
  4. Damned Grave
  5. In Gate Of Hell
  6. Transylvania
  7. Tormentor II
  8. Trance
  9. Beyond
  10. Apocalypse
  11. Lyssa
  12. Anno Domini
  13. Mephisto
  14. Live In Damnation
  15. Seventh Day Of Doom

Donnerstag, 09.08.2018

Wesentlich früher und auch weniger brutal als der Vortag beginnt der Donnerstag um 10:30 morgens mit dem lokalen Opener BETWEEN THE PLANETS aus Prag, der mit seinem Djent/Progressive Metal eher ruhig und verkopft vorgeht, bevor es mit den slowakischen Black-/Pagan-Metallern RAMCHAT deutlich düsterer wird. Anschließend gibt es mit GODLESS TRUTH und BROKEN HOPE gleich ein Doppelpack für Freunde brachial hämmernden Death Metals. Mit DIABOLICAL folgt ein erstes frühes Highlight des Tages: Die Schweden legen mit ihrem sinfonisch untermalten Black und Death Metal trotz glühender Mittagshitze eine packende Show hin.

Pünktlich zum von Fans komplexer Musik sehnsüchtig erwarteten Auftritt der momentan steil durchstartenden Progressive-Melodic-Death-Metal-Formation PERSEFONE gönnt die Feuerwehr den Besuchern dann die dringend notwendige Abkühlung mit dem Wasserschlauch. Die Show der Andorraner entpuppt sich jedoch leider als kleine Enttäuschung: Das liegt allerdings nicht an der mitreißenden, technisch tadellosen Performance der heute aus unbekannten Gründen ohne Bassist Toni Mestre Coy auftretenden Musiker, sondern an den viel zu leise abgemischten Keyboards und Gitarren. Für die Core-Fraktion unter den Besuchern reicht es dagegen, heute erst am Nachmittag vor der Bühne zu erscheinen, wo die Kanadier COUNTERPARTS mittlerweile ihren Melodic Hardcore/Metalcore spielen. Danach steht bei den erst kürzlich reaktivierten EXHORDER, die mit Erfahrung aus drei Jahrzehnten Bandgeschichte eine solide Show abliefern, Groove-Thrash auf dem Programm, ehe eine weitere Band mit viel Routine übernimmt: H2O schwören ihr Publikum auf den Codex des klassischen New York Hardcore ein und veranlassen die Fans zu beachtlichen Circle Pits sowie Crowdsurfing. [SB]

Keineswegs ruhiger gehen MUNICIPAL WASTE die Sache an. Von der Gruppe aus Virginia, die als weder erste noch letzte Band des diesjährigen Lineups explizit US-Präsident Trump auf dem Kieker hat, gibt es rasend schnellen Thrash der neueren Generation voll auf die Zwölf. Im harschen Kontrast zum Sound dieser vorangegangenen Bands steht der eher poppige Folk-Metal von SILENT STREAM OF GODLESS ELEGY. Unter anderem weist deren Besetzung Streicher sowie ein Fronterpaar auf, das die auf tschechisch getexteten Gesangsmelodien im Mixed-Duett vorträgt. Nach diesem Ausflug zu weicheren Klängen kommt der brachiale Deathcore von CARNIFEX umso wirkungsvoller zur Geltung. Zwar fehlen auch hier orchestrale Einsprengsel nicht, die Amerikaner setzen diese und andere Samples vom Band jedoch eher als Beiwerk zu ihrem kompromisslos stampfenden Nähmaschinensound ein. Der von Scott Lewis wiederholt geforderte Circlepit lässt sich zwar in der brütenden Nachmittagshitze eher zögerlich an, doch wo immer das Bühnendach genügend Schatten wirft, sind durchaus zu den Breakdowns mithüpfende Fans vor der Jägermeister-Stage anzutreffen. Relativ dünn besucht ist dagegen die nun folgende Show von GREEN CARNATION aus Norwegen. Die wieder eher rockig-melodischen Songs von Tchort, Kjetil Nordhus und Konsorten sind in diesem Jahr erstmals auf dem BRUTAL ASSAULT zu vernehmen. Zudem präsentiert die Band hier sogar noch nicht veröffentlichtes Material. Leider kann aber speziell Nordhus am Gesang nicht vollends überzeugen, und so plätschert die an sich schöne Musik eher wenig aufsehenerregend vor sich hin.

Was man von DYING FETUS nicht behaupten kann: Einer kurzen Panne zum Trotz (für die ersten paar Sekunden des Openers sind die Front-of-House-Lautsprecher ausgeschaltet), macht das Trio um John Gallagher im Folgenden unmissverständlich klar, warum man sich seit über einem Vierteljahrhundert den Tech-Death-Thron allenfalls noch mit Nile teilen muss: Auch ein etwas zu schwach abgemischter Bass tut dem erbarmungslosen Gehämmer in atemberaubenden Tempi keinen Abbruch. Auch das deutlich gestiegene Zuschaueraufkommen kündet davon, dass der druckvolle Sound der Herren aus Maryland nicht gerade ein Geheimtipp ist. 50 Minuten inklusive des obligatorischen „Kill Your Mother, Rape Your Dog“ reichen DYING FETUS schließlich voll und ganz, um das Infield in Schutt und Asche zu legen. [FI]

  1. Wrong One to Fuck With
  2. Panic Amongst the Herd
  3. Grotesque Impalement
  4. From Womb to Waste
  5. Fixated on Devastation
  6. Subjected to a Beating
  7. Induce Terror
  8. Seething With Disdain
  9. Praise the Lord (Opium of the Masses)
  10. Your Treachery Will Die With You
  11. Kill Your Mother, Rape Your Dog

Es lebe das Kontrastprogramm: Im Herbst noch als Support von Sólstafir unterwegs, bekommen MYRKUR nun die Möglichkeit, sich zur besten Spielzeit auf großer Bühne zu präsentieren. Die elfengleiche Sängerin Amalie Bruun zieht die Zuschauer mit ihrer außergewöhnlichen Stimme schnell in ihren Bann und auch der Sound ist vom ersten Takt an perfekt. Gerade, wenn Bruun selbst zur Gitarre greift und so den einzigen Live-Gitarristen unterstützt, kommen die wuchtigen Riffs gut zur Geltung. Auch die Band selbst scheint von der Atmosphäre der Show begeistert zu sein. Doch als Bruun ankündigt, sie habe nun spontan die Setlist geändert, weil sie sich inspiriert fühle, einen nordischen Volkssong vorzutragen, bleibt ihr nur Zeit für die erste Zeile, denn auf den nächsten Trommelschlag unterbricht ein stadtweiter Stromausfall abrupt die Show und das gesamte Festivalgelände liegt im Dunkeln. Nach fünf Minuten hat zumindest die Hauptbühne wieder Strom und MYRKUR setzen ihre Show unter großem Applaus fort. Doch es ist nicht der Abend der Dänen. Schon den übernächsten Song muss Bruun erneut nach wenigen Zeilen abbrechen; Grund hierfür ist ein Feueralarm: Auf einem der Festungswälle ist ein Feuer ausgebrochen, Rauchschwaden ziehen über das Gelände. Zwar sind die Flammen von der herbeigeeilten Feuerwehr schnell gelöscht, der Auftritt ist damit jedoch leider beendet. [AG]

Noch schlimmer trifft es die finnische Beastmilk-Nachfolgeband GRAVE PLEASURES, deren Show parallel dazu auf der Oriental Stage gerade erst eine Viertelstunde läuft. Während der Strom auf der Main Stage wenig später wieder da ist, bleibt der Innenhof in Dunkelheit gehüllt. Sänger Mat „Kvohst“ McNerney versucht die Lage zu retten und singt für die Zuschauer noch solo und unplugged „Death Reflects Us“, doch allen Anwesenden ist schnell klar, dass der Auftritt nicht fortgesetzt werden kann. Auch das folgende Special-Ambient-Set von OBSCURE SPHINX entfällt deswegen. Immerhin: Beide Bands dürfen ihre Auftritte am nächsten Tag nachholen.

Glück im Unglück haben dagegen MOONSPELL: Nach den Zwischenfällen geht es nun in geregelten Bahnen weiter. Trotz ihres noch recht neuen Albums „1755“, findet heute kein Song dieser Platte den Weg in die Setlist. Der Grund dafür ist, dass die Band für das BRUTAL ASSAULT eine Special-Show geplant hat, bei der sie lediglich Songs der ersten beiden Werke „Wolfheart“ und „Irreligious“ spielen, wobei letzteres mit sechs Songs doppelt so stark vertreten ist wie ihr Debüt. Ob das Fans ihrer neueren Alben so begeistert, bleibt angesichts des doch weit weniger opulenten und sich auch sonst noch merklich unterscheidenden Stils der Frühwerke fraglich. Für viele Fans der Anfangstage dürfte damit dagegen wohl ein kleiner Traum wahrgeworden sein, da ein paar der Stücke von den Portugiesen in den Jahren zuvor eher selten oder auch gar nicht live gespielt wurden. Trotz des vorangegangenen Chaos lassen die Musiker sich letztlich nicht aus dem Konzept bringen und beweisen eindrucksvoll, dass die Songs trotz ihres Alters nichts an Kraft verloren haben. [SB]

  1. Perverse… Almost Religious
  2. Opium
  3. Awake
  4. For A Taste Of Eternity
  5. Wolfshade (A Werewolf Masquerade)
  6. Vampiria
  7. Mephisto
  8. Herr Spiegelmann
  9. Alma Mater
  10. Full Moon Madness

Mit LAIBACH folgt alles, nur keine gewöhnliche Metalband mit Unterhaltungsmusik. So sind die Slowenen schon als Künstlertruppe mit ihrer omnipräsenten System- und Gesellschaftskritik schwer zu fassen – für ihre stark industriell geprägte Musik gilt das umso mehr. Und selbst für ihre Verhältnisse spielen LAIBACH heute wahrlich kein Wohlfühl-Set: Ob die ins morbide umgemünzten Coverversionen eigentlich fröhlicher Rock-/Popnummern wie „B Mashina“ von Siddharta oder Queens „One Vision“ (als „Geburt einer Nation“), musikalische Hits wie „The Whistleblowers“ oder „Eurovision“, die zugleich düsterste politische Dystopien zelebrieren, oder das fatalistische „Tanz mit Laibach“ als finaler Gnadenschuss für das politische Schwarz-Weiß-Denken: In Kombination mit einer packenden Videountermalung sowie dem glasklaren Sound liefern LAIBACH als Exoten im Billing auch ohne Mina Špiler, für deren halbwegs adäquaten Ersatz gleich zwei Sängerinnen engagiert wurden, eine hervorragende, schlicht unvergessliche Show ab.

  1. Ti, Ki Izzivaš
  2. Alle gegen Alle (D.A.F.-Cover)
  3. Leben – Tod
  4. B Mashina (Siddharta-Cover)
  5. God Is God (Juno-Reactor-Cover)
  6. Eurovision
  7. The Whistleblowers
  8. Brat Moj
  9. Now You Will Pay
  10. Resistance Is Futile
  11. Geburt einer Nation (Queen-Cover)
  12. Love On The Beat (Serge-Gainsbourg-Cover)
  13. See That My Grave Is Kept Clean (Blind-Lemon-Jefferson-Cover)
  14. Tanz mit Laibach

Mit-, oder besser: abreißend ist auch die Show von CONVERGE. Wenngleich Hardcore auf dem BRUTAL ASSAULT traditionell nicht auf das größte Interesse stößt und auch die Szeneinstanz aus Boston heute kein Rekordpublikum anzieht, sorgen Jacob Bannon, Kurt Ballou, Nate Newton und Ben Koller mit ihrem aggressiven Material zumindest im Bereich vor der Jägermeister-Stage schnell für Stimmung. Bannons heiserer Gesang ist und bleibt jedoch Geschmackssache – zumal der umtriebige Fronter heute noch etwas „kaputter“ klingt als sonst. Gegen Ende der Show ist das Infield zwar vor beiden Bühnen voll – das liegt jedoch weniger an CONVERGE denn daran, was auf der Metalshop-Stage als nächstes ansteht.

  1. Reptilian
  2. Dark Horse
  3. Aimless Arrow
  4. Under Duress
  5. A Single Tear
  6. Drop Out
  7. Heartless
  8. Arkhipov Calm
  9. Trigger
  10. Eve
  11. Heartache
  12. Cannibals
  13. Eagles Become Vultures
  14. Empty On The Inside
  15. I Can Tell You About Pain
  16. Concubine

Auf MARDUK ruhen nämlich alle Hoffnungen der ansonsten im diesjährigen Line-Up nicht eben verwöhnten Black Metaller. Die sicher geglaubte Vollbedienung fällt heute allerdings aus. Stattdessen gibt es die volle Enttäuschung in Sachen Sound, vor allem aber in Sachen Performance: Bereits nach den ersten Takten des Openers „Panzer Division Marduk“ machen die Schweden eine Verschnaufpause und fordern Applaus – um 1:25 Uhr, nach einer viertelstündigen Verspätung des Showbeginns wegen des Stromausfalls und bei grauenvoller Abmischung vielleicht etwas zu viel für das ansonsten gutmütige BRUTAL-ASSAULT-Publikum: Der Applaus jedenfalls fällt sehr zum Ärger von Fronter Mortuus spärlich aus. Der Draht zum Publikum reißt spätestens, als sich MARDUK zwischen ihren Songs auch noch schier endlos erscheinende Pausen gönnen und der Show so jeden Drive nehmen. Zu guter letzt ruiniert die Lightshow, die in ihrer grellen Farbenpracht eher an die Werbe-Vorführung eines Beleuchtungsmittelherstellers denn an eine Black-Metal-Show denken lässt, den Rest des atmosphärischen Potenzials, das in der eigentlich starken Setlist mit ihrem stimmigen Mix aus alten wie neuen Hits gesteckt hätte. Schade! [MG]

  1. Panzer Division Marduk
  2. Werwolf
  3. Of Hell’s Fire
  4. The Levelling Dust
  5. Cloven Hoof
  6. The Blond Beast
  7. Throne Of Rats
  8. Equestrian Bloodlust
  9. Burn My Coffin
  10. Into Utter Madness
  11. Wolves

Wer auf das Abendprogramm auf den Hauptbühnen keine Lust hat, bekommt auf der Metalgate-Stage im Zelt ein gelungenes Alternativprogramm geboten: Die Musik des schweizer Death-Metal-Duos BÖLZER bolzt und brettert mindestens genauso kraftvoll durch die Menge wie die einer üblichen Fünf-Mann-Formation. Anschließend verzaubert das Agalloch-Nachfolgeprojekt PILLORIAN die Zuhörer mit seinem atmosphärisch-kalten Melodic Black Metal, der heute bei ausgewogenem Sound eine besonders mitreißende Wirkung entfaltet, ehe Hatebreed-Fronter Jamie mit seinem Soloprojekt JASTA und rockig angehauchtem Hardcore die Zeltbühne niederreißt. [SB]

Mag der Abschluss des dritten Festival-Tages mit den enttäuschenden MARDUK auch nicht ganz perfekt gewesen sein, gibt es im Zwischenfazit kaum Anlass zur Klage. Vor allem die weiter verbesserte Infrastruktur beeindruckt: Wer sich sein Festival-Bändchen nicht schon vorab per Post schicken ließ, bekommt es ohne anstehen an einer der Ausgabestellen. Das Cashless-Pay-System hat sich derweil voll etabliert: Aufgeladen wird online oder an einem der zahlreichen Top-Up-Container und auch die Anzahl der Toiletten-Container wurde weiter erhöht. In Kombination mit dem erneut extrem vielseitigen und hochwertigen Essensangebot und weiteren, neu erschlossenen Festungs-Arealen, die in den alten Ziegelgemäuern weitere Zufluchtsorte (Bars, Ausstellungen, Chillout-Areas etc.), an denen die glühende Mittagshitze der ersten Tage erträglich ist, wird das BRUTAL ASSAULT auch 2018 dem Ruf des gemütlichen Festivals gerecht. Auch musikalisch gibt es an den ersten Tagen bereits diverse Highlights – so darf es weitergehen! [MG]

>> Lies hier TEIL 2…

… unter anderem mit MISERY INDEX, AT THE GATES, MINISTRY und BEHEMOTH (Freitag), PAIN OF SALVATION, SEPULTURA, DANZIG und WARDRUNA (Samstag) sowie unserem abschließenden Fazit!

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