Konzertbericht: Dropkick Murphys w/ Frank Turner, Screed

2013-01-26 München, Zenith


Auch wenn der 17. März noch ein bisschen auf sich warten lässt, weht schon an diesem sehr kalten und eisigen Januarabend ein Hauch Irland durch die bayrische Landeshauptstadt – bezeichnenderweise haben die Mitglieder der Irish-Folk-Punk-Legende DROPKICK MURPHYS aus Boston, MA, ihre Tour durch Europa der feucht-fröhlichen Grundstimmung entsprechend mit „St. Patrick’s Day“ betitelt. Sowohl die Tatsache, dass die Band erst vor knapp zwei Wochen ihr achtes Studioalbum „Signed And Sealed In Blood“ veröffentlicht hat, wie auch der stetig steigende Bekanntheitsgrad der Band sorgen dafür, dass sich einige tausend trinkfeste Besucher im ausverkauften Zenith einfinden, um gemeinsam Spaß zu haben, zu schwitzen und zu feiern. Unterstützung erfährt die Band vom sympathischen Folk-Punker FRANK TURNER, der gemeinsam mit seiner Band The Sleeping Souls auftritt sowie von der lokalen Skatepunk-Band SCREED (welche vor dem Konzertabend nicht angekündigt war).

Dementsprechend sind einige irritierte Gesichter im Publikum auszumachen, als SCREED pünktlich um 20.00 Uhr die Bühne betreten. Bereits nach zwei Sekunden ist die Marschrichtung für die nächste halbe Stunde klar: Ohne große Kompromisse gibt es hier klassischen Skatepunk auf die Ohren, welcher nicht mit Sing-A-Longs, Wooohooo-Chören und einer eingängigen Melodie nach der anderen geizt. Die Band hat sichtlich Spaß an ihrem Auftritt, das Publikum klatscht artig Beifall, ist darüber hinaus allerdings noch nicht in der Stimmung, sich auch zu bewegen. Dementsprechend wirkt eine Ansage wie „Ihr seid so ein geiles Publikum“ (eine Phrase, welche in verschiedenen Ausführungen immer wieder wiederholt wird) doch etwas übertrieben. Insgesamt liefern SCREED einen ordentlichen Auftritt ab, der als Warmmacher definitiv funktioniert, auch wenn die Band nicht aus der großen Skatepunk-Masse heraussticht. Zusätzlich macht sich hier bereits das größte Manko des gesamten Abends bemerkbar: der berühmt-berüchtigte grauenhafte Zenith-Sound, der oft auch die feinsten Songraffinessen in undefinierbaren Matsch verwandelt.


Nach einer kurzen Umbaupause erlischt das Licht erneut und FRANK TURNER betritt bewaffnet mit einer Akustikgitarre und einem verschmitzten Lächeln die Bühne, begrüßt das Publikum standesgemäß mit einem gut gelaunten „Servus München!“, um darauf die erste Strophe von „If Ever I Stray“ von seinem aktuellen Album „England Keep My Bones“ anzustimmen. Zum ersten Refrain gesellen sich auch seine Mitmusiker, THE SLEEPING SOULS, dazu und verleihen den charmanten Singer-Songwriter-Songs ihre ganz eigene Stadionrock-Note. Auch wenn der Sound wie bei Screed immer noch blechern klingt, ist die Abmischung wesentlich besser und die einzelnen Elemente sind erkennbar. Auch wenn einige Zuschauer zu Beginn des Konzerts noch nicht ganz wissen, wie sie nun eine zweite Vorband überstehen sollen (da sie wohl nicht mitbekommen hatten, dass Screed eben nicht FRANK TURNER waren), lassen sich bereits beim zweiten Song, „The Road“ viele Stimmen im Publikum ausmachen, die jede Textzeile mitsingen. Kein Wunder, ist FRANK TURNER doch quasi ständig auf Tour und auch ein gern gesehener Gast in der Landeshauptstadt. Nach einigen weiteren deutschen Begrüßungsworten wechselt der sympathische Engländer in seine Muttersprache und spielt sich durch ein kleines Best-Of seines bisherigen Schaffens.


Gerade weil die Songs strukturell eher für kleinere Bühnen konzipiert sind, ist es schlicht und ergreifend erstaunlich, wie souverän FRANK TURNER mit dieser ausverkauften Riesenhalle umgeht, als wäre es das Normalste der Welt. Selbst die Standard-Rockstar-Ansagen und Klischee-Sprüche („You sound like a Hamburg crowd to me“) funktionieren hier, da sie immer mit einem Augenzwinkern versehen sind und man den Musikern auf der Bühne den riesigen Spaß anmerkt, den sie während ihres Sets haben. Spätestens als sich der Song „Four Simple Words“ vom kommenden Album „Tape Deck Heart“ nach einem ruhigen Intro in einen straighten Punkkracher verwandelt, ist das Zenith vollkommen dabei, startet einige Mosh-Pits, klatscht begeistert mit und liegt FRANK TURNER (teilweise wörtlich) zu Füßen. Die Lautstärke des Publikumschors in den folgenden „Photosynthesize“ und „I Still Believe“ beeindrucken auch die Musiker auf der Bühne und der Punkkracher „Try This At Home“ sorgt noch einmal für Tanzbewegungen. Nach 45 Minuten hat FRANK TURNER einige Fans dazugewonnen und die Vorfreude auf sein neues Album weiter geschürt. Alles in allem ein großartiges Konzert und ein perfekter Support für eine Band wie die Dropkick Murphys.

Setlist FRANK TURNER & THE SLEEPING SOULS
01. If Ever I Stray
02. The Road
03. Peggy Sang The Blues
04. Reasons Not To Be An Idiot
05. Glory Hallelujah
06. Long Live The Queen
07. Four Simple Words
08. Photosynthesize
09. I Still Believe
10. Try This At Home


Während man während Screed noch relativ locker einen Platz finden konnte, war das Gedränge während Frank Turner schon recht groß geworden – in der nun folgenden Umbaupause – welche eine halbe Stunde in Anspruch nimmt – wird es dann allerdings richtig eng im Zenith. Das überwiegend männliche und mittel bis stark alkoholisierte Publikum (Frage an die Betreiber der Halle: Wieso gab es eigentlich kein Guinness-Special?) ignoriert diese Unterbrechung und bringt sich mit „Let’s Go Murphys!“-Sprechchören in Stimmung (mit Ausnahme eines Besuchers, welcher wohl zu tief ins Glas geschaut hat, seinen Mageninhalt von sich gibt und sich noch vor dem Intro aus der Halle verabschiedet). Schließlich ist es um 22.00 Uhr soweit, das Licht erlischt zum letzten Mal, ein keltisches Intro ertönt und ein beeindruckendes Backdrop wird ausgerollt. Ein gewissenhafter Punker, der sich seinen Weg nach vorne bahnen will, erkundigt sich währenddessen höflich beim Publikum, wo es denn zum Pit geht und bedankt sich artig, wenn er nach vorne in die Mitte geschickt wird. Dass diese Frage unnötig war, zeigt sich, als die Band die Bühne betritt und mit „The Boys Are Back“, dem Opener ihres neuen Albums, den Abend eröffnet: Sofort schallt der Band ein tausendstimmiger Chor entgegen und mit einem schnellen 1-2-3-4 verwandelt sich das gesamte Zenith in eine springende, tanzende und brüllende Masse. Ohne Rücksicht auf Verluste gibt die Band Vollgas und packt bereits als dritten Song den Klassiker „Johnny, I Hardly Knew Ya“ aus.

Der Schwerpunkt der Setlist liegt auf dem neuen Album und bis auf einige wenige Ausnahmen bewegt sich das gesamte Konzert in sehr schnellen Gefilden, wobei die Songs im Vergleich zu den Studioaufnahmen noch eine ganze Spur dreckiger und härter klingen. All das wäre ja auch gut so – wäre der Sound nicht so unglaublich schlecht: Während das Schlagzeug auf der einen Seite viel zu laut ist, sind die Markenzeichen der Band in der Form von Akkordeon, Dudelsack und Tin Whistles viel zu leise abgemischt und können sich ihren Weg nur selten durch den Soundbrei bahnen – seltsamerweise gilt das nicht für das Banjo, welches unter anderem in „Prisoner’s Song“, dem Highlight des neuen Albums – klar und deutlich die Marschrichtung vorgibt. Während Ken Casey sich beim Publikum für die jahrelange Treue bedankt und immer wieder Sportansagen über seine Heimatstadt Boston abliefert, kann Al Barr mit flüssigem Deutsch und sympathischen Ansagen aufwarten. Wie er selber eingesteht, ist es erstaunlich, wie dieser Mann mit einer Stimme wie drei Reibeisen eine gesamte Tour durchhält.
Auch wenn Songs wie „Forever“, „Rose Tattoo“ oder auch „The End Of The Night“ das Publikum zum kollektiven Schunkeln einladen, der Überhit „Shipping Up To Boston“ zum kollektiven Durchdrehen einlädt und sich unter die Punksongs immer wieder folklastigere Nummern mischen, gerät das Konzert über den gesamten Verlauf musikalisch etwas eintönig – klar, die Musik macht unglaublich Spaß und mehr will sie auch gar nicht, im Zusammenspiel mit dem breiigen Sound ist man allerdings fast froh, als der Abend nach knapp 90 Minuten (inklusive Zugaben) zu Ende geht. Noch glücklicher dürften die Frauen sein, welche sich zu „The End Of The Night“ auf Einladung von Ken Casey auf die Bühne gesellen düren („Like my grandmother once said: Grandson, if you join a band and you want to get laid, you always have to dedicate a song to the ladies. THIS IS FOR THE LADIES!“), ebenso wie die männlichen Zuschauer, die sich beim AC/DC Cover „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ dazugesellen. Dass die Band noch einmal auf die Bühne zurückkommt, als das Licht schon angeschaltet war, zeigt, dass die DROPKICK MURPHYS auch nach 17 Jahren Bandgeschichte immer noch Spaß an ihren Konzerten haben und dem Münchner Publikum haben.

Setlist DROPKICK MURPHYS
01. The Boys Are Back
02. Burn
03. Johnny, I Hardly Knew Ya
04. Going Out In Style
05. The Gaunlet
06. A Few Good Men
07. Your Spirit’s Alive
08. Prisoner’s Song
09. The Irish Rover
10. Forever
11. Blood And Whiskey
12. Jimmy Collin’s Wake
13. Fields Of Athenry
14. The Battle Rages On
15. Out Of Our Heads
16. Surrender
17. The Gang’s All Here
18. Rose Tattoo
19. Captain Kelly’s Kitchen
20. I’m Shipping Up To Boston
21. Worker’s Song (mit Frank Turner)
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22. Barroom Hero
23. End Of The Night
24. Skinhead On The MBTA
25. Dirty Deeds Done Dirt Cheap (AC/DC Cover)
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26. Citizen C.I.A.

FAZIT: Ich will es gar nicht leugnen – wenn es um die Folk-Punk-Sparte geht, bin ich ein größerer Anhänger der fröhlicheren Flogging Molly. Das ändert aber nichts daran, dass die DROPKICK MURPYHS eine mitreißende Liveband sind, die unter dem matschigen Sound zu leiden hatte. Ihre Fans fressen ihnen dennoch aus der Hand und haben sich diese Gelegenheit zum kollektiven Durchdrehen nicht nehmen lassen. Mit der Unterstützung des großartigen FRANK TURNER sowie angeheizt durch SCREED kann insgesamt ein rundum gelungener Folk-Punk-Abend bilanziert werden.

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