Konzertbericht: Eisbrecher w/ Support

2012-12-29 Zenith, München


„Finale dahoam“ hieß es am 29. Dezember 2012 für Alex Wesselsky und seine Bandkollegen. Zum Jahresabschluss lief der EISBRECHER in seinen Heimathafen ein – erstmals im hiesigen Zenith mit rund 3.500 Gästen. Und weil Kapitän Alex und seine Mannen bereits im Februar dieses Jahres das Backstage zum Beben brachten, hatten sie sich dieses Mal mit Black Blitz, Stahlmann und Diary of Dreams direkt drei befreundete Bands als Unterstützung mitgebracht. Von diesen stach – zusammen mit den Brechern selbst – besonders eine heraus.


Den Anfang machten die selbst als Lokalmatadore in München gänzlich unbekannten BLACK BLITZ, welche von Alex persönlich für diesen Auftritt gecastet wurden. Und mit Gitarre und Schlagzeug im Anschlag spielten die drei Jungs grundsoliden Hard Rock im Stile von AC/DC und Co. – nur vereinzelt unterbrochen durch recht ungewöhnliche Breaks, die wiederum zu kurzen Soli an den Saiteninstrumenten überleiteten. Die Mischung stimmte und so gewöhnte sich das zunächst verhaltene Münchner Publikum recht schnell an den agilen Dreier. Besonders Sänger Thomas Bauer merkte man an, wieviel Spaß er an dieser Show vor ungewohnt großem Publikum hatte. Und dadurch erreichte er auch jene, denen der Name BLACK BLITZ vorher gänzlich unbekannt war. „Born To Rock“ ist dabei nicht nur der Titel des bis dato einziges Albums der Combo, sondern spiegelt auch deren Bühnenattitüde wieder. Ein gelungener Einstieg mit waschechtem Rock’n’Roll, welcher derzeit allerdings noch eher in kleineren Locations zuhause ist.

Dass der gepflegte Ungehorsam eine Tugend sein kann, bewiesen anschließend die Göttinger STAHLMANN: „Mach niemals Neue Deutsche Härte“ lauteten die zahlreichen Ratschläge aus dem Familien- und Freundeskreis, welche von Martin Soer und Tobi Berkenfeld vor einigen Jahren geflissentlich ignoriert wurden. Unter anderem dank Alex Wesselsky, der 2010 erstmals auf das Projekt aufmerksam wurde und STAHLMANN als Support mit auf Tour nahm. Zwei Jahre später zahlten die Männer in Silber diesen Gefallen zurück und heizten im Zenith mächtig ein. Elektrodeutschrockiges Vorglühen mit E-Gitarre, Schlagzeug und Gesang! Die Setliste des Quartetts hatte sich bereits auf der ersten eigenen Headlinertour als ungemein livetauglich erwiesen und so eröffneten die Stahlmänner wenig überraschend auch dieses Set mit „Willkommen“, „Marschieren“ und „Stahlmann“ von ihrem ersten Album. Sänger Martin gab sich dabei wieder einmal ungemein charmant, wortgewandt und publikumsnah. Ein Paradebeispiel wie man als Fronter ein unschlüssiges Publikum für sich gewinnt, ohne aufdringlich zu sein. Darüber hinaus klang sein Gesang deutlich weniger anstrengt tief und böse als früher, sondern eindringlich hart und vergleichsweise variabel. München zeigte sich folglich vom Gesamtpaket sichtlich angetan.


Mit „Stahlwittchen“ und „Spring nicht“ polterten weitere NDH-Nummern über die Lautsprecher, während auf ruhige Intermezzi beinahe gänzlich verzichtet wurde. Einzig und allein einen weiteren Ausblick auf das dritte Studioalbum blieben die Musiker schuldig. Schade drum, denn gerade die neuesten Nummern wie „Die Welt verbrennt“ und „Traumfrau“ zeigten bei den STAHLMANN-Soloshows, was noch alles in der Truppe steckt. Dennoch: Mit diesem furiosen Auftritt haben Martin und Co. in rund 40 Minuten das gesamte Dark End-Festival zwei Tage zuvor im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand gespielt. Dem Eisbrecher sei Dank – doch inzwischen stehen STAHLMANN auf eigenen Beinen. Auf die Helme, ab die Fahrt! Diesem Projekt könnte die Zukunft gehören.

Die aufkommende Festivalstimmung kam anschließend jedoch schlagartig zum Erliegen. Nach eigener Aussage hatte Alex Wesselsky DIARY OF DREAMS zuletzt live im Vorprogramm des „Unaussprechlichen“ (= Unheilig) an gleicher Stelle gesehen und war seitdem bemüht, die Band für eine Eisbrecher-Show zu gewinnen. Da darf die Frage erlaubt sein: Warum? Zu fünft zelebrierte die Truppe deutsch- und englischsprachige Stücke, die zwischen Stahlmann und Eisbrecher viel zu ruhig und verträumt wirkten. Rockige Akzente oder allgemein griffige Elemente für genrefremde Konzertbesucher suchte man vergebens. DIARY OF DREAMS bedienten mit ihrer sehr speziellen Musik lediglich jenen Teil des Publikums, welcher explizit für sie gekommen war – und genau dieses Ziel schien Adrian Hates mit seinen musikalischen Begleitern auch zu verfolgen. Im Gesamtkontext und vor allem stilistisch entpuppte sich das Tagebuch der Träume somit als Griff ins Klo für ein Festival, welches ansonsten von harten Gitarren und schnörkellosem Deutschrock dominiert wurde. So waren es auch nur einige wenige Auserwählte, die wirklich in dieser Mischung aus Pop, Elektro und Rock aufgingen. Allen anderen fehlte der Bezug zu dieser Musik völlig: Konsequenterweise verpufften Stücke wie „The Wedding“, „Lebenslang“ und „Undividable“ spurlos in der großen Industriehalle, zumal von den Texten größtenteils nicht einmal die Sprache zu identifizieren war. Einzig und allein der Abschluss „Kindrom“ konnte die Menge etwas aus ihrer Lethargie lösen. Passend dazu wurde allerdings zuvor die Ankündigung von Adrian, dass DIARY OF DREAMS nun zum letzten Song kommen, mit merklich höhnischem Beifall quittiert. Ein anderer Semi-Headliner hätte stilistisch wohl deutlich besser die Brücke zwischen der atemberaubenden Stahlmann-Show und dem folgenden Eisbrecher-Abschluss schlagen können.


Dieser begann anders als gewohnt: in einer dunklen Halle und mit Tangoklängen. Eine elektronisch verzerrte Stimme im Hintergrund wiederholte dabei „Heute Abend, Deutsch-Rock“, ehe Rosenkavalier Wesselsky die Bühne betrat und die Blume einer glücklichen Dame überreichte. Der Opener „Exzess Express“ schlug musikalisch eine weniger romantische Gangart ein, dafür gab es gemäß des gesprochenen Intros direkt auf die 12.
Zum Jahresabschluss haben EISBRECHER auch an ihrer Setliste gefeilt: So feierte der „Antikörper“ sein umjubeltes Comeback, ebenso wie die rhetorische Frage „Kann denn Liebe Sünde sein?“. Der Deutschrock-Dampfer war früh auf Kurs, so dass es vermutlich niemandem aufgefallen wäre, dass der Steuermann im Hintergrund ein anderer war: EISBRECHER-Drummer Achim musste den Gig in München kurzzeitig krankheitsbedingt canceln. In einer Nacht- und Nebelaktion rekrutierten die Musiker einen italienischen Ersatzmann namens Manuel, der nach nur einer Probe zusammen mit dem Rest der Crew einen exzellenten Job machte und dafür zurecht lautstark bejubelt wurde.

Auch beim gemeinsamen „Amok“-Tonnentrommeln konnte man meinen, dass hier eine jahrelang eingespielte Band am Werk ist. Jener Song eignet sich nebst Auf- und Abbau allerdings eher für den Zugabenblock als für die reguläre Setliste. Auch der akustische Schlagerblock mit Auszügen aus „Tränen lügen nicht“ und „Mir san a bayrische Band“ hat seinen Langzeitzenit inzwischen überschritten: Demnach bekamen ihn die Münchner im Zenith ein letztes Mal zu hören, wie Alex ankündigte. Was in jenem Fall abseits der Musik am meisten fehlen wird, sind die Frotzeleien zwischen dem Sänger und seinem Gitarristen Jürgen (O-Ton beim Mikrofonausfall: „Der Jürgen kann so leise sprechen, dass ihn keiner hört.“) sowie die spontane Publikumsinteraktion. Als ein Fan mehrmals lautstark „PokéRap“ brüllt, rappt Alex spontan ein paar Zeilen über eben jenes Tierchen. Ein kleiner Insider, den nicht unbedingt jeder auf Anhieb zu verstehen schien, hatte Herr Wesselsky seine Stimme jenem Song vor einigen Jahren geliehen.
An den schwierigen Rahmenbedingungen des Zenith scheiterten EISBRECHER wiederum nur selten wie z.B. bei „Metall“. Jener neue Song aus der 2012er-Edition von „Die Hölle muss warten“ gehörte aber auch mit besserer Akustik nicht zu den starken Momenten der letzten Shows – trotz Schweißeranzügen und einer selten gehörten (Brecher-)Härte. Diese ist zwar im Falle von „Metall“ gewohnt deutsch, doch nicht wirklich neu. Deutlich besser funktionierten „Prototyp“, „Engel“ und „Vergissmeinnicht“ – teilweise unterstützt von den beiden Background-Sängerinnen Conny und Tina, die zwar bereits mehrfach mit den Jungs im Studio, aber noch nie zusammen auf der Bühne standen. Leider gingen die beiden Frauenstimmen im Gesamtkontext ziemlich unter.
Dem regulären Setlistenabschluss „This is Deutsch“ widmete sich Alex ausführlicher: Die Ironie im Text sei oft missverstanden worden, sagte er. Aber manche Menschen würden halt einfach dumm bleiben, fügte er mit einem breiten Grinsen an, ehe die ersten Takte einsetzten. Als kleines Bonbon schossen im Refrain meterhohe Nebelsäulen vom vorderen Bühnenrand gen Hallendecke. Dazu betraten Ex-Schlagzeuger René und Ex-Bassist Olli die Bühne und schwenkten im Takte zur Musik eine Eisbrecher- und eine Bayern-Fahne. Anschließend bedankte sich Alexx bei seinen jahrelangen Weggefährten.


Nach kurzer Pause gaben die Jungs bei „Verrückt“ noch einmal richtig Gas, ehe bei „Rette mich“ ein letztes Mal die ruhigen Töne angeschlagen wurden. Generell wirkte es spätestens jetzt so, als ob das Publikum vom Stehmarathon über fünf bis sechs Stunden müde geworden wäre. So hatte man das obligatorische „Miststück“ fernab seiner Heimat schon mit deutlichen besseren Publikumsparts gehört. Mit dem Titeltrack des aktuellen Albums „Die Hölle muss warten“ endete dann das bis dato erfolgreichste Jahr der Bandgeschichte von EISBRECHER. Eine Pause ist allerdings nicht in Sicht, steht 2013 doch das zehnjährige Bühnenjubiläum von Alex, Pix, Jürgen und Co. an.

STAHLMANN und EISBRECHER sorgten im Rahmen des kleinen Deutschrockfestivals zum Jahresende für zwei echte Highlights. Zweitere litten etwas unter der Gesamtdauer des Abends. Die Länge hätte man gerne verkürzen dürfen, erwiesen sich doch besonders DIARY OF DREAMS als wenig stimmig im Gesamtkontext. Im Gegensatz zum Champion’s League-Finale 2012 in der Allianz Arena blieb beim Eisbrecher’schen „Finale Dahoam“ also ein 2:1 nach Verlängerung.

Publiziert am von und Uschi Joas

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