Konzertbericht: Eivør w/ Ayowa

14.10.2018 Nürnberg, Der Hirsch

Der Metal-Szene dürfte EIVØR vielleicht erst seit Kurzem durch ihre gemeinsame US-Tour mit Wardruna bekannt sein, aber tatsächlich ist Eivør Pálsdóttir, Sängerin und Komponistin von den Färöer-Inseln schon seit mehr als 20 Jahren in der Musikszene aktiv und in ihrer Heimat weitaus bekannter als etwa Týr. Sie selbst ist fester Bestandteil des faröischen Folk. Aber neben den volkstümlichen Elementen ist EIVØR für viele Stile offen. So schreibt sie gerne tiefgehende, traurige Liebeslieder, die oftmals klassisch auskomponiert sind, aber auch Experimentelles und Ethno-Pop. Sie singt nicht nur in ihrer Landessprache, sondern auch auf Schwedisch, Dänisch, Englisch und Isländisch. Ihr Song „So Close To Being Free“ wurde sogar für den offiziellen Trailer der Serie „Game Of Thrones“ ausgewählt. In Skandinavien räumt sie einen Musikpreis nach dem anderen ab. Nachdem nun das Live-Album „Live In Tórshavn“ erschienen ist, ist sie nun auf Europatournee, die auch für ausgewählte Shows in Deutschland halt macht.

Für einige Gigs darf die dänische Electronica-Band AYOWA der Support dieser Tour sein. So eröffnen sie auch heute den Abend im Nürnberger Hirsch. Um 20:00 Uhr begeben sich Keyboarder Nicolai Kornerup und Sängerin Hannah Schneider auf die Bühne und legen direkt mit einem A-Capella-Stück los, bei dem Hannah ihren gefühlvollen Gesangsstil vorstellen kann. Überhaupt geben sich AYOWA spartanisch. Neben dem Mikrofon gibt es nur noch das Keyboard mit zusätzlichem Synthi-Effektboard und ein Akkordeon. Doch das reicht den Dänen, um für qualitativ hochwertige Unterhaltung zu sorgen. Sie stellen ihren neuen Song „Farvel“ vor, der demnächst auf EP erscheinen soll, ein zurückgenommenes, langsames Stück mit wenig Instrumentierung, dessen Fokus auf der Gesangslinie liegt. Im Verlauf des Gigs bieten AYOWA dann aber auch experimentellere Stücke. So kann Nicolai auf seinem Syntheziser zuweilen mit fetten Massive-Attack-ähnlichen Beats punkten. Doch das Hauptaugenmerk bleibt auf Hannah’s zarten, sphärischen Gesängen, die die halbe Stunde der Auftrittszeit qualitativ gut füllen, wenngleich das stimmliche Alleinstellungsmerkmal hier leider nicht auszumachen ist. Auch können die Kompositionen nicht annähernd mit denen des Headliners mithalten und so bleibt es eben beim „Support“, im wahrsten Sinne des Wortes.

Da das Bühnenequipment für den Hauptact bereits aufgebaut ist, betritt EIVØR nach nur 15 Minuten die Bühne. Von der Decke hängen Tücher, die die Lichteffekte der Bühne auffangen und der ansonsten robusten Halle einen emotionalen Touch geben. Doch was an diesem Abend von der ersten Sekunde an auffällt, ist die unglaublich gute Klangqualität. EIVØR hat ihren eigenen Soundingenieur mitgebracht und stellt diesen später auch als festes Bandmitglied vor. Verdient!

Mit „On My Way To Somewhere“ eröffnet EIVØR den Gig. Und obwohl sie selbst die E-Gitarre spielt, schafft sie es trotzdem, hingebungsvoll und fokussiert den psychedelischen, berührenden Gesangspart zu präsentieren, während Schlagzeuger und Keyboarder mit allerlei abgefahrenen Techniken für raffinierte, spacige Klangeffekte sorgen.
Nachdem die Grande Dame mit säuselnder Stimme einen der wenigen tanzbaren Songs, „Brotin“, angestimmt hat und fast alle zumindest zum Mitwippen animiert hat, dröhnt das gewaltige Elektro-Stück „Salt“ durch die Boxen. Danach geht es auf Schlag auf Schlag und sie haut ein tieftrauriges Liebeslied nach dem anderen raus. „Bridges“, „Famous Blue Raincoat“ (Leonard-Cohen-Cover), „True Love“ und natürlich „Falling Free“, welches manch Anwesenden zu Tränen rührt.
EIVØR sorgt für einen guten Mix aus Songs in allen Sprachen, die sie im Repertoire hat, zumal sie ja einige ihrer Alben neu aufgenommen hat, mit alten Songs aber ins Englische übersetzten Lyrics. Auch holt sie hierzu Vorband Ayowa nochmals auf die Bühne, um mit ihnen gemeinsam ein Stück zu singen.

Doch die Hauptüberraschung ist, als sie zwei neue Songs anstimmt, unter anderem „Livsandin“, was „Spirit Of Life“ bedeutet. Die neuen Songs sind minimal experimenteller als die Vorgänger, aber immer noch emotional und so komponiert, dass den Gesangslinien und EIVØRs unvergleichlicher Sopran-Stimme viel Raum gegeben wird. Traditionell erlaubt sich EIVØR bei „Í Tokuni“ einen Spaß mit dem Publikum, indem sie dieses auffordert, eine unaussprechliche Abfolge von Grunz-und Hechelgeräuschen nachzusingen, was einige tatsächlich versuchen und durch ihr klägliches Scheitern die ganze Halle zum Lachen bringen.

Besonders wild wird es, als EIVØR zu ihrer Shaman-Drum greift und mit dieser die Halle zum Toben bringt, zum Beispiel bei „Trøllabundin“.  Sie selbst wird hierbei zur absoluten Rampensau, was man diesem sonst so zarten Wesen kaum zugetraut hätte. Die Fans wollen EIVØR auch nach den geplanten Zugaben kaum gehen lassen, und so kommt sie tatsächlich für eine ungeplante Zugabe zurück und spielt ein weiteres Cover ihres absoluten musikalischen Helden, Leonard Cohen.

Was bleibt, ist eine Halle voller glücklicher, zufriedener Fans, die noch wie in Trance sind, weil sie so viel Hingabe und Perfektion kaum verarbeiten können. Es bleibt die Empfehlung, bei der nächsten Tour unbedingt ein Konzert dieser fantastischen Ausnahmekünstlerin mitzunehmen. Auch bleibt zu hoffen, dass Wardruna sie auch einmal bei einer der nächsten Europatourneen mitnehmen werden, um sie auch hier unter den Metal-Fans etwas bekannter zu machen, denn die Liebhaber von Folk oder einfach eingängigen Liebesballaden gibt es auch unter uns.

Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

Fotos von: Uta A. (Gastredakteurin)

Ein Kommentar zu “Eivør w/ Ayowa

  1. Interessant ist ja auch dass international die Oper von Gavin Bryars „Marilyn Unlimited“ Fahrt aufnimmt, u.a. auch in Wien wurde sie inzwischen aufgeführt … Bryars hatte allerdings niemand anderen als Eivør Pálsdóttir für die Welturaufführung ausgewählt, mit der er auch schon Heroes Meet realisiert hatte. Gesanglich lässt sie sich vielleicht mit Kate Miller-Heidke vergleichen, von der ja auch eigentlich ein Metal Album angekündigt ist. Wobei gerade der Norden einige vielseitige Künstler hervorbringt, wie etwa Tora Augestad die allerdings stärker in Richtung Kabarett und Neue Musik tendiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert