Festivalbericht: Festival-Mediaval IV – Tag 3

11.09.2011 Selb

Der dritte Tag, der zweite Bandcontest. Viel Metal, Horch und Poeta Magica. So könnte die Kurzzusammenfassung des Festivalsonntags aussehen. Doch der Reihe nach: Zunächst traten vormittags in der Kategorie MA-Rock METUSA, HARLEKINS TRAUM und WINTERSTORM gegeneinander an. Im Gegensatz zum Vortag hätten den Goldenen Zwerg am Sonntag alle drei Teilnehmer verdient gehabt, doch am Ende konnten sich Winterstorm mit einem wahnsinnig starken Auftritt durchsetzen. Dieser hatte per se zwar nichts mit Mittelalterrock zu tun, doch der feine Metal begeisterte zahlreiche Zuschauer des Bandcontests und jene, die mehr zufällig an der kleinsten der drei Hauptbühnen vorbeikamen. Dabei erinnerten die Bayreuther mit Sänger Alex sowohl musikalisch als auch gesanglich an eine unverbrauchte Form von Blind Guardian und beeindruckten nachhaltig. Allein für Winterstorm hatte sich das frühe Aufstehen gelohnt.

Die folgenden Auftritte von WOLKENSTAYN, MINNESANGS FRÜHLING und LUPUS VAGABUNDUS schienen dafür recht spurlos am Festivalvolk vorbeizugehen. Einzig und allein die zweiten Vorjahressieger des Goldenen Zwergs – Omdulö – konnten sich mit einer einstündigen Show und ihrem Album „Menschenmaler“ inmitten der trägen Mittelalterkost angenehm absetzen. Zwar taten sich die Newcomer mit ihren gefühlsvollen Klängen zur Mittagszeit ebenfalls schwer, doch immerhin stimmte die musikalische Identität mit viel Potential für die kommenden Jahre. Hier wächst im Schatten von Qntal, Estampie und Faun ein neues Subgenre mit Pagan-/Folkhintergrund heran, dessen unterschiedliche Facetten nur auf weitere Erkundungen warten.

Nach diesem Ausflug in mittelalterliche Gefilde, kehrte der Sonntag wieder zurück zum Metal: Dass diese Musikrichtung nicht der Inbegriff des Festival-Mediaval ist, bewiesen die Zuschauerzahlen bei KRYPTERIA. Eine Schnittmenge zwischen den Metalheads und Folkies schien es kaum zu geben. Davon ließen sich die Aachener allerdings nicht beeindrucken und legten furios mit „My Fatal Kiss“ los. Frontfrau Ji-In Cho erfüllt mit ihrer tiefen Stimme nicht den generellen Anspruch, den viele an Female-fronted Metal haben, doch allein für ihre dargebotene Leidenschaft muss man der Band Respekt zollen. So schafften es Krypteria, die vorhandenen Reihen vor der Bühne mitzureißen und zu begeistern. In einer guten Stunde beschränkten sich die Symphonic Metaler auf die größten Hits ihrer letzten Alben bis „Bloodangel’s Cry“, darunter auch die aktuelle Single „You Killed Me“, welche nicht nur als Meisterhymne für Borussia Dortmund eine gute Figur abgibt.

Qualitativ ähnlich hochwertig, jedoch rein instrumental präsentierte Haggard und ASP-Violinistin ALLY THE FIDDLE ihr eigenes Projekt. Nach der EP namens „Red Unicorn“ folgt nun mit „Celtica“ die zweite Veröffentlichung aus dem hohen Norden. Für’s Auge holte die Band im Laufe des Auftritts die Tänzerin GINGER SYNNE und die Sängerin SASHIA HAIBERG auf die Bühne. Doch diese Bonbons wären gar nicht nötig gewesen: Ally rockte und verführte ihre Fidel gleichermaßen faszinierend bei Stücken wie „The Crumbling Autumn“ oder „Katharsis“. Von der neuen Platte gab es wiederum etwas zu hören, was in der heutigen Musikwelt beinahe in Vergessenheit geraten ist: die B-Seiten. Doch selbst diese wirkten im Violinengewand frisch, modern und für Instrumentalmusik ungemein kurzweilig. Ein Lob hierfür gebührt auch den hervorragenden Mitmusikern der Rostockerin an Gitarre, Bass und Schlagzeug. Glücklicherweise blieb Allys Geige stets das tragende Instrument der Kompositionen. Auf der Hauptbühne feierten anschließend REGICIDE nach über drei Jahren Pause ihr Bühnencomeback. Mit neuer Sängerin (Birgit Lau, ehemals Mandrake) und bekannter musikalischer Ausrichtung versuchten die Norddeutschen, in der hiesigen Festivallandschaft wieder Fuß zu fassen. Viele Jahre war es sehr still um den ehemaligen Schandmaul-Support geworden und auch die Selber Bühne wurde nicht gerade von Zuschauermassen überrannt. Ein Grund dafür könnte die musikalische Ausrichtung der „Königsmörder“ sein: Zu glatt, zu gewollt perfekt drangen die Keyboard- und Gitarrensounds über die Boxen. Und so manifestierte sich der Eindruck, dass der Regicide-Sound eher auf ein kleineres Rock-/Pop-Festival als auf das Festival-Mediaval gehört. Neues Material suchte man indes ebenfalls vergebens, so dass die Formation ihre rund einstündige Spielzeit größtenteils mit ihrem letzten Studiowerk „Break The Silence“ füllte. Gleichzeitig läuteten Regicide das Ende des Metalnachmittags ein.

HORCH bekamen als vorletzter Act mit einem rund 90-minütigen Set gleich die 1,5-fache Spielzeit der vorherigen Bands. Durchaus überraschend, doch immerhin blickt die ostdeutsche Band auf eine Tradition bis 1979 zurück und war dieses Jahr ebenfalls in Wacken zu sehen. Dass die letzte CD der Musiker inzwischen fast sieben Jahre auf dem Buckel hat, spielt bei der musikalischen Ausrichtung eine untergeordnete Rolle: Auch 2011 sorgten zeitlose Gassenhauer wie „Schockschwerenot“ für Stimmung. Der Mitsingfaktor erinnerte vereinzelt an gepflegte Bierzeltstimmung auf dem Oktoberfest. Für alle, die musikalisch noch immer im Dunkeln tappen: Die Berliner THE SANDSACKS haben die Idee von Horch inzwischen weitergesponnen – und im Zuge dessen die Lederhosen gegen die Zimmermannskluft getauscht. Auch wirkt der Sound von Horch etwas weniger dynamisch, dafür traditionell und gediegen ohne an Schwung zu verlieren. Insgesamt ein annehmbarer Ausklang für das Festival-Mediaval 2011, der jedoch fernab der Musik wenig zu bieten hatte.

Ungleich imposanter wirkte das gut gefüllte Bühnenbild bei POETA MAGICA, welche wie schon im Vorjahr als letzte Band das Festival-Mediaval abschließen sollten. Dieses Jahr hatten sich die Musiker Gäste wie Knud Seckel auf die Bühne geladen, um das EDDA-Projekt vorzustellen. Doch während sich Holger Funke und Co. mit Nyckelharpa, Harfe, etc. gerade erst warmgespielt hatten, zog ein Unwetter auf und überraschte Selb mit Windböen und Regenschauern. An eine Fortsetzung der Abschlussshow war selbst nach Ende des Wolkenbruchs nicht zu denken. So musste das letzte Konzert des Festival-Mediaval IV nach weniger als der Hälfte im wahrsten Sinne des Wortes abgeblasen werden. Aber einem Wiedersehen mit Poeta Magica dürfte nichts im Wege stehen.

Unbedingt erwähnen sollte man neben all den Musikern und ihren Gästen auch Gaukler KRIS FLEAPIT. Der Waliser verstand es wie kein zweiter auf den beiden Marktschauplätzen für wahnsinnige Unterhaltung zu sorgen. Selbst als er von seiner Tochter via Handy darüber informiert wurde, dass er gerade Opa geworden ist, baute er dies live und ad hoc in seine Show ein. Ab und an konnte man den Jubel und Applaus nicht von den beiden Musikbühnen unterscheiden.

Ebenfalls gelungen waren die Auftritte des Duos BASSELTAN, die jedoch noch nicht ganz an die altehrwürdigen Pill & Pankratz heranreichen, und die Show von EREBOS PERCHTEN, die mit ihrer mitternächtlichen „Läuterung der verdorbenen Seelen“ für beklemmende Atmosphäre auf dem gesamten Festivalgelände sorgten. Ansonsten war das Festival-Mediaval IV geprägt von Jubel, Trubel und Heiterkeit. Schlechte Stimmung scheint in Selb gänzlich unmöglich und allein diese Atmosphäre wird auch 2012 die Besucher wieder nahe an die tschechische Grenze pilgern lassen. Als Bands für das Festival-Mediaval V wurden u.a. bereits SALTATIO MORTIS bestätigt.

Bericht und Fotos zu Tag 2…
Bericht und Fotos zu Tag 1…

Publiziert am von und Uschi Joas

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