Festivalbericht: Festival-Mediaval V – Tag 2

08.09.2012 Selb

2. Tag

Die Halbzeit des fünften Mittelalterfestivals wurde am Samstag mit dem obligatorischen Newcomer-Award in der Kategorie Rock eingeläutet. Drei Nachwuchsbands bekamen auch in diesem Jahr wieder die Chance, sich vor einer Jury und einem zu dieser Uhrzeit noch erst langsam anwachsenden Publikum einen festen Gig im nächsten Jahr auf dem größten Mittelalterfestival Europas zu sichern. So traten die diesjährigen Neulinge ELMSFEUER, SPIEGELKELLER und DRACHENFLUG den Wettstreit an, welche sich nicht nur in ihrem Musikstil, sondern auch in der dargebotenen Qualität eklatant unterschieden.
Die Frankfurter Freibeuter ELMSFEUER begannen mit begeisterndem Folkrock, der stark an Vroudenspil und Konsorten erinnerte. Mag die Piratenthematik für diese Form von Musik zwar ziemlich ausgelutscht sein, so darf sie gerne weiterhin vermehrt eingesetzt werden, wenn das Ergebnis solch erfrischend-ansteckende Gute-Laune-Nummern mit Geige, Akkorden und Gesang sind. Obwohl ELMSFEUER am Ende an der Balladenfront etwas schwächelten, stand der Favorit für den diesjährigen Award früh fest. Und das Festival-Mediaval hatte wieder einmal in seinem Nachwuchswettbewerb ein heimliches Highlight der drei Tage versteckt.
Von ganz oben ging es nach einer kurzen Umbaupause direkt nach ganz unten, denn SPIEGELKELLER fielen niveautechnisch besonders im Vergleich zu ihren Vorgängern arg ab. Angeblich gefangen in einem geheimnisvollen Spiegel, versuchten die Rostocker nach eigener Aussage sich mit ihrem Mittelalter-Metal aus dieser Gefangenschaft zu befreien. Ein gewagtes Unterfangen, gab es weder kompositorisch noch stimmlich etwas zu holen. Derweil ist Sängerin Karina noch nicht einmal untalentiert, nur passte ihre Stimme nicht zur dargebotenen Musik. Entsprechend flaute die Stimmung, die Elmsfeuer vor die kleine Bühne gezaubert hatten, schnell wieder ab.
Etwas Schwung vor die Bühne brachten hingegen DRACHENFLUG mit ihrem Steampunk. Die Hamburger zeigten sich auch direkt ungleich charismatischer als ihre Vorgänger, kamen aber mit ihrem eher ruhigen Kompositionen nicht gegen die mittelalterliche Partymusik von Elmsfeuer an. Dazu war insgesamt auch der Gesang im Vergleich zu den Freibeutern zu schwach. Dennoch konnte das Konzept, welches nicht nur musikalisch sondern auch optisch umgesetzt wurde, überzeugen.

Nachdem der Nachwuchspart abgeschlossen war, startete ab 13.00 Uhr das Hauptprogramm des Samstags auf der Schlossbühne. HEITER BIS FOLKIG machten dabei den Anfang. Mit ihrem Mix aus mittelalterlichen und irischen Klängen, verwebt mit dem ein oder anderen lockeren Sprüchlein auf den Lippen, sorgte die 2004 gegründete Formatio für ein angenehmes und langsames Erwachen der Festivalbesucher. Für die besonders fitten Geister standen bereits die ersten Tanz- und Schunkellieder auf dem Programm. Wer noch nicht vollkommen wach war, wurde sanft in den Tag geführt. Auf der großen Bühne hinterließen HEITER BIS FOLKIG insgesamt einen ähnlich guten Eindruck wie bei ihren zahlreichen Auftritten auf den kleinen Marktbühnen. Jene Auftritte auf Augenhöhe mit dem Publikum gerieten dafür balladenlastiger als samstägliche Eröffnungsshow.

Am Ende der bereits in Fleisch und Blut übergegangenen Wanderung zwischen den beiden Hauptbühnen erwartete den Gast auch schon das erste musikalische Highlight des Tages in Form des Debüts von SCHAGAI. Allroundtalent Markus van Langen bewies mit diesem speziellen wie überzeugenden Nebenprojekt erneut, dass traditionelle Musik nicht zwangsläufig immer eintönig klingen muss. Hauptsächlich auf Instrumentals konzentriert, zog die fünfköpfige Multi-Kulti-Band mit mystisch-mongolischen Obertongesängen in Kombination mit metallastigen Riffs und erdigen Beats all jene in ihren Bann, die von nah oder fern diese faszinierenden Rhythmen und Klänge vernommen hatten. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Platz vor der Bühne relativ schnell füllte und beim ein oder anderen bereits auf das erste mentale „Gefällt mir“ des Tages geklickt wurde. Dabei ist es dem Spielmann Van Langen gelungen, den Obertongesang von Transmongolia mit modernen, abwechslungsreichen Elementen zu kombinieren, so dass das Ergebnis deutlich allgemeingängiger ist. Mittendrin gab es auch noch einen Gastauftritt von den übrigen Bandmitgliedern von DES TEUFELS LOCKVÖGEL, was den positiven Gesamteindruck des Auftritts angenehm abrundete.

Dank Faun konnte das Festival-Mediaval in diesem Jahr mit Stolz die erste US-amerikanische Band präsentieren: STELLAMARA. Das Projekt der neuen Faun-Sängerin Sonja Draculich wurde kurzerhand engagiert und durfte sich am späten Nachmittag an den deutschen Mittelalter-Fans versuchen. Trotz instrumental überzeugenden Passagen im weiteren Verlauf zeigte sich relativ schnell, dass der Zeitpunkt für die gewöhnungsbedürftige Weltmusik nicht optimal gewählt war. Wären die orientalischen und mittelalterlichen Rhythmen in die späten Abendstunden mit etwas flammender Beleuchtung oder einem kleinen Jonglage-Intermezzo mit Beatrice Baumann richtig zur Geltung gekommen, so fehlte es dem Auftritt im Stile von Bands wie Dead Can Dance im Sonnenschein ein wenig an Wirkung. Das statische Bühnenbild verstärkte diesen Eindruck. Und gerade jene Gesangspassagen, die dem eines Muezzins glichen, hätten enorm von einer etwas geheimnisvolleren Stimmung profitiert.

Um die etwas zu besinnliche Stimmung wieder ein wenig aufzulockern, gab es von PAMPATUT einiges auf die Ohren! Und zwar nach eigener Aussage „eine geballte Ladung Musik, Spaß und gute Laune!“ Und in diesem Punkt kann man dem Spielmannsduo nur zustimmen, denn wie sonst wäre es ihnen gelungen, in äußerst kurzer Zeit dermaßen viele Menschen vor die Burgbühne zu holen? Diese widmeten sich gesammelt den lockeren Sprüche, der genialen Situationskomik und den ins Ohr gehenden Songs. Dazu wurden PAMPATUT in Selb von einem Schlagzeuger verstärkt, was den einzelnen Songs mehr Power verlieh. Neben diesem Auftritt konnten die seit über 16 Jahren in dieser Aufmachung tätigen Musiker das gesamte Wochenende über öfters auf dem Markt genossen werden. Und auch dort verstanden sie es mit all ihrer Routine und einem stets abwechslungsreichen Programm zu überzeugen, welches stets individuell auf die unterschiedlichen Umstände zugeschnitten war.

Nach solch einer auf so vielen Wegen überzeugenden Darbietung war es anschließend schwierig, auf rein musikalischem Weg zu punkten. BALLYCOTTON versuchten es auf der Hauptbühne mit gediegeneren Tönen. Benannt nach einem Fischerdorf im Süden Irlands öffneten die Österreicher die Tür in eine fantastische musikalische Welt: Violine, Akkordeon, Gitarren, Percussions sowie Obertongesang wurden zu einem Musikstil kombiniert, der am ehesten als Mischung aus Folk- und Weltmusik zu bezeichnen ist und an diesem Tag zeitweise in das Tanzbein fuhr. Ähnlich kontrastreich wie die Musik war auch das Bühnenbild mit Geigerin Christina Geismeier als Wirbelwind, Akkordeonist Peter Beinhofer als Sprachrohr und dem Percussion-Almöhi Harald G. Binder sowie zwei Gitarristen als Ruhepole. So konnten die fünf Musiker das Publikum zu großen Teilen in ihren Bann ziehen und ähnlich wie 2010 einen zufriedenstellenden, wenn auch nicht vollkommen überzeugenden Eindruck hinterlassen.

Dass der Abwechslungsreichtum in Selb nicht immer den Nerv der Mehrheit der Besucher trifft, ist ein offenes Geheimnis. So rollte dieses Jahr der SHATABDI GROOVE EXPRESS gnadenlos auf die Menge zu und machte seinem Namen alle Ehre: er groovte hauptsächlich konstant vor sich hin, wie man es von derlei Formationen am ehesten aus Fußgängerzonen kennt. Trotz der vielversprechenden Beschreibung einer Verschmelzung von exotischen Melodien, treibenden Rhythmen und Steptanz wurde das Projekt nicht gerade begeistert zur Kenntnis genommen – wenn überhaupt, war der Platz vor der Bühne doch kaum besucht. Ist Musik bis zu einem gewissen Grad immer Geschmackssache, so sprach der optische Eindruck in diesem Fall eine deutliche Sprache. Wiederholung (hoffentlich) ausgeschlossen.

Zwischen enormen Variationsreichtum muss trotz allem immer eine gewisse Konstanz und Tradition gewahrt werden, welche an dieser Stelle von FAUN vertreten wurde. Bereits zum fünften Mal als fester Bestandteil des Festivals, jedoch mit neuer Besetzung, spielte sich die (inzwischen) internationale Band in einen regelrechten Rausch. FAUN rissen die angelockten Zuhörer mit in einen Strudel aus treibenden Rhythmen, geheimnisvollen Geschichten und einer durchweg perfekt abgestimmten Bühnenshow. Waren es zu Beginn noch eher wenige verhaltene Schunkelversuche bei „Rosmarin“, so entstand gegen Ende hin bei „Tinta“ und „Wind und Geige“ das Bild einer im Takt wiegenden Menge. Unter dem Strich muss es also nicht immer ein eigens geschaffener Pagan Folk-Abend sein, um FAUN auf dem Festival-Mediaval zu präseniteren. Im Vergleich zum Feuertanz-Festival wirkten Oliver Sa Tyr und Co. in Selb deutlich passender und die Faune selbst schienen sich am Goldberg auch deutlich wohler zu fühlen. Dies wirkte sich unmittelbar auf den Auftritt aus.

Die Bremer VERSENGOLD unternahmen im Anschluss einen weitieren Versuch, als Headliner auf der Burgbühne mit ihrer eigens geschaffenen Spielart, dem Mittelalter-Folk, die Gäste auf ihre Seite zu ziehen. Dies gelang wie im Vorjahr mit Rauf- und Saufkompositionen wie „Ich und ein Fass voller Wein“ oder „Trunkenbolde“ besonders beim alkoholisierten Teil der Festivalgänger. Über 90 Minuten fiel der Auftritt für alle nüchternen Besucher zu wenig abwechlungsreich aus, so man mit dem generellen Stil von VERSENGOLD nicht vorlieb nehmen konnte. Daran änderten auch die neuen Songs vom kommenden Album „Im Namen des Folkes“ nichts. Diese setzten nämlich konsequent dort an, wo die Musiker mit ihrem letzten Longplayer „Dreck am Stecken“ 2011 aufgehört haben. Entsprechend darf man sich keine Neuigkeiten erwarten, sondern weiteres Feiermaterial für metgetränkte Abende. In Selb sammelten Snorre, Pinto und Co. weitere Pluspunkte für ihre Engagement und die spürbare Spielfreude. 2013 dürfte nach zwei Jahren VERSENGOLD an gleicher Stelle allerdings gerne über Alternativen nachgedacht werden.

Und auch der zweite Tag des Festival-Mediavals neigte sich dem Ende zu. Doch bevor die feierwütige und erschöpfte Menge ans Lagerfeuer oder ins Zeltlager entlassen wurde, stand mit SCHANDMAUL noch der Samstagsheadliner auf dem Programm. Nach der Schwangerschaft der beiden Damen der Band standen die Münchener zum ersten Mal in diesem Jahr wieder gemeinsam in Originalbesetzung auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Mit ihrer diesjährigen Festival-Setlist verstanden die Münchner es, dem doch schon recht erschöpften und nicht mehr ganz so euphorischen Publikum den letzten Rest an guter Laune abzugewinnen, u.a. mit einer sehr eigenenwilligen Choreografie zu „Krieger“ im Zugabenteil. So steigerte sich im Laufe des rund 90-minütigen Auftritts nicht nur die Stimmung vor, sondern auch auf der Bühne. Ohne Frage trugen dazu neben dem anhaltenden Metausschank auch von Fans geliebte Perlen wie das passende „Trinklied“ oder etwas ältere Songs wie „Die goldene Kette“ und ein „Henkersmahlzeit-Gebt Acht-Medley“ bei. Zum ganz großen Wurf reichte es dennoch genauso wenig wie bei Saltatio Mortis am Vortag, obwohl weder Anna an der Geige noch Birgit am Dudelsack unter Bühnenrost litten. Letztlich schafften es die Schandmäuler mit einer routinierten Show die zähesten Tänzer müde zu machen und so kamen nur noch wenige in den Genuss, der CAPELLA BARDICA MYTHODEANIS zu lauschen, welche den zweiten Tag des fünften Festivals besiegelte.

Zu den Gewinnern des zweiten Tages zählten ELMSFEUER, SCHAGAI, PAMPATUT und mit leichten Abstrichen auch HEITER BIS FOLKIG sowie FAUN. Diese Bands/Barden überzeugten entweder durch gewohnte Qualität oder wirklich neue Elemente, die nicht nur selektiv für einige wenige Festivalbesucher geeignet waren, sondern zukünftig vielleicht weitere Besucher zum Festival-Mediaval nach Selb locken können. An der Headlinerfront bedienten sowohl VERSENGOLD als auch SCHANDMAUL ihr jeweiliges Zielpublikum ohne nennenswerte Höhepunkte zu liefern. Mit SPIEGELKELLER und dem SHATABDI GROOVE EXPRESS gab es am Festivalsamstag auch die ersten beiden Ausreißer nach unten, die insgesamt aber kaum ins Gewicht fielen.

Bericht und Fotos zu Tag 3…
Bericht und Fotos zu Tag 1…

Publiziert am von und Uschi Joas

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