Konzertbericht: Feuerschwanz w/ Versengold

24.11.2012 München, Backstage

Hoffnung. Nach dem neuen FEUERSCHWANZ-Album „WalHalliGalli“ bestand sie, überzeugten die Mittelalterkomödianten doch erstmals durchgehend mit qualitativ hochwertigem Folkrock anstatt Mittelaltermallorca und Bardenballermann. Wie schnell sich diese Hoffnung live allerdings in Rauch bzw. Met und Miezen, Bier und Bräute oder Schnaps und Schnecken auflösen kann, bewiesen die Musiker auf ihrer zweiten Headlinertour.

Bevor des Hauptmanns (pseudo)geiles Gelage begann, enterten die Bremer VERSENGOLD als Support die Bühne. Und auch Pinto, Snorre und Co. thematisierten bzw. huldigten mehrheitlich dem fröhlichen Alkoholgenuss wie in „Einerley“ oder „Drei Weiber“ – allerdings ohne Metmaschine, dafür mit mehr Stil. Hinter den drei Weibern versteckten sich beispielsweise nicht drei vollbusige Damen, sondern Bier, Wein und Schnaps. Während das Quintett beim Festival Mediaval mit 90-minütigen Abendkonzerten mehrheitlich die etwas besser betankten Besucher ansprach, überzeugte der Clubgig auch auf nüchternen Magen. So ließ sich selbst das Münchner Publikum mitreißen und VERSENGOLD nutzten die Gunst der Stunde: Pinto animierte die Menge erfolgreich dazu, sich mit einem Bein voraus und einer erhobenen Faust in die richtige Position dafür zu bringen, um das finale Urteil über die Band zu fällen: Im Namen des Folkes – passenderweise auch der Name des neuen Albums der Combo, welches im Dezember 2012 erscheinen wird. Der Titeltrack überzeugte, genau wie der Rest der rund einstündigen Setliste. Und so lagen sich am Ende fast alle Besucher in den Armen, um gemeinsam zu „Ich und ein Fass voller Wein“ ein Meer aus singenden Menschen zu bilden. Nicht nur dadurch dürften sich VERSENGOLD fernab der Nordsee beinahe heimisch, aber auf jeden Fall pudelwohl gefühlt haben.

Und dann begann eben jenes Schauspiel, welches man in München zuletzt 2011 im Spectaculum Mundi erlebten konnte. Damals waren die Vorzeichen allerdings gänzlich andere: Auf „Wunsch ist Wunsch“ drehte es sich bei FEUERSCHWANZ – genau wie auf den Vorgängern – vorwiegend um zwei Themen: Alkohol und Frauen. Nur selten blitzte etwas mehr Anspruch auf, wie z.B. in „Der Henker“, in dem der final richtende Protagonist viel lieber Landschaftsgärtner wäre. Anno 2012 lieferten FEUERSCHWANZ mit „WalHalliGalli“ zwar einen Albentitel, der nicht unbedingt für eine Abkehr vom bisherigen Kurs sprach, doch die Inhalte wie das zynische „Der Geizhals“, „Mach Dich Frei“ oder „Rübezahl“ taten es. Entsprechend bestand mehr als nur ein Funke Hoffnung, dass die Erlanger auch live eher dem erdigen Folkrock als dem nie enden wollenden Gelage huldigen könnten. Doch es kam anders: Wenn es in der Setliste einzelne Stücke gab, die wirkungslos verpufften, waren es der angesprochene Geizhals und Co., die eine neue Ära bei FEUERSCHWANZ einleiten hätten können. Mit Betonung auf „hätten können“.
Doch wie schon 2011 kam das Münchner Publikum nicht zum Denken, sondern zum Feiern und zur bedingungslosen Druckbetankung. Ironische Texte und musikalischer Anspruch passten dabei nicht einmal temporär ins Bild, vor allem wenn die Texte aus mehr als Shalalalala bestanden – und so verabschiedete sich das Publikum von der deutschen Sprache und liebte wieder einmal Dudelsack im gleichnamigen Stück.
Viele kleine Löcher, kannst du Melodien spielen – ganz spurlos gingen derlei textliche Ergüsse auch an den Protagonisten nicht vorbei. So wurde nicht nur die namenlose Fee bei „Wunsch ist Wunsch“ drauf hingewiesen, dass sie auch gerne anfassen dürfe – nein, schließlich holte der Hauptmann sogar Thors Partyhammer heraus, um den Gelagegladiator und die Mieze für immer mit einer Biertaufe zu küren. War dieses Schauspiel allein schon grotesk und vor allem lang genug, stimmten die Fans auch dann noch johlend mit ein, als der Hauptmann am Ende seiner ausufernden Lobpreisung die rhetorische Frage stellte, ob denn der neu gekürte General zukünftig von einem Biertisch aus in die Menge kotzen sollte. Spätestens an dieser Stelle wäre der Punkt erreicht, um nicht den Metnotstand, sondern den Niveaunotstand im FEUERSCHWANZschen Märchenland zu beklagen. Doch mit derlei Kleinigkeiten wollte sich das Publikum augenscheinlich nicht beschäftigen. Bei „Met und Miezen“ spritzten die ersten Reihen beispielsweise fröhlich mit dem gut gefüllten Schlauch der Metmaschine herum. So richtig ins Gewicht fiel das nicht mehr, hatte sich der Fremdschämfaktor doch spätestens nach dem „Kotze für alle“-Credo auf einem beachtlichen Niveau eingestellt.

Beinahe harmlos war im Vergleich dazu der billige weiße Rauschebart beim Hauptmann in „Aurum Potabile“, welcher die lange Geschichte des Stein der Weisen verdeutlichen sollte, oder das Metley am Ende des Konzerts, das vorwiegend aus Stücken bestand, die mit einfachsten Wortkonstrukten problemlos aneinandergereiht werden konnten. Um auch live wirklich neue Akzente zu setzen, bewegten sich FEUERSCHWANZ viel zu viel um Etabliertes und zeigten zu wenig Mut für Neues. Das mittelalterliche Partykonzept sorgte dabei zwar meistens für Stimmung, aber eben nicht für höherwertigen Walhalligalli, wie er auf Basis der CD möglich gewesen wäre.

Und nein, hier geht es nicht darum, als spießige Spambremse zu fungieren: Es gab durchaus Zeiten, in denen die reine Comedyschiene bei FEUERSCHWANZ zu überzeugen wusste – und zwar, als sie noch nicht serienmäßig instrumentalisiert eingesetzt wurde, um die Menge zu bespaßen, sondern spontan entstand. Und genau dieses Element fehlte völlig. Einzige Ausnahme war ein Heiratsantrag, den passenderweise (?) ein Mann mit einem „Wer bläst, wird auch geleckt“-Spruchshirt von der Bühne aus machte. Manches spricht eben ungewollt für sich selbst.
Aus rein musikalischer Perspektive avancierten Prinz Richard Hodenherz und Hans der Aufrechte zu den Helden des Abends. Der Prinz sang nicht nur Anspruchsvolles wie „Die letzte Spielmannsträne“ nennenswert gut, sondern erwies sich auch als der präsentere Bestandteil der Doppelspitze und verkörperte die charismatische Rampensau wieder einmal beachtlich, indem er mehrfach seine blonde Mähne kreisen ließ und mit seinem Dudelsack an den Bühnenrand trat. So ein bisschen festigte sich dadurch der Eindruck, als ob der Prinz langsam in die zentrale Rolle bei FEUERSCHWANZ schlüpfen könnte. Sein Pendant, Hauptmann Feuerschwanz selbst, hatte seine stärksten Momente fernab horrender Ansagen bei „Mieze Für Immer“ und „Der Geizhals“, welche sowohl von der Stimmlage als auch vom Inhalt am besten zu ihm und seinem tiefen Organ passten.
Die musikalischen Highlights wurden jedoch insgesamt vom unendlich verschenkten Potential überschattet: Bot „WalHalliGalli“ auf CD noch unüberhörbare Möglichkeiten dafür, aus FEUERSCHWANZ weit mehr als die trinkfeste Feier- und Spaßkapelle zu machen, so erstickte dieser Auftritt jegliche Hoffnung im Keim. Des Hauptmanns bzw. des Prinzen geiler Haufen will scheinbar zumindest auf Konzerten genau das bleiben. Und spätestens auf dem nächsten Album könnte sich die Truppe dann auch wieder selbst besingen. Denn: Met vernichtet, Niveau getreten, Feierbedürfnisse befriedigt – dafür stand Walhalligalli live und dafür stehen FEUERSCHWANZ schon länger.

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