Festivalbericht: Feuertanz Festival 2012 – Tag 1

22.06.2012 Burg Abenberg

Und täglich grüßt das Murmeltier. Im Falle des FEUERTANZ FESTIVALS sind es aber keine possierlichen Tierchen, sondern die Speerspitze der hiesigen Folkrock/Mittelalter-Szene, die sich jedes Jahr auf Burg Abenberg die Klinke in die Hand gibt. So feierten 2012 u.a. Subway to Sally nach einjähriger Abstinenz als Samstagsheadliner ihr Comeback auf der Burganlage. Dazu stellte die Letzte Instanz als Headliner am Freitag erstmals einige Songs ihres kommenden Albums „Ewig“ vor. Zu verschiedenen Folkcombos wie den Sandsacks, Ignis Fatuu und Feuerschwanz gesellten sich darüber hinaus mit Coppelius, Mono Inc. und den Apokalyptischen Reitern wieder einige „Exoten“ zum Lineup.Wettertechnisch hatten die Beteiligten dabei deutlich mehr Glück als im Vorjahr.

So eröffneten THE SANDSACKS den ersten Festivaltag bei strahlendem Sonnenschein. Der traditionelle Irish Folk ist bei den Berlinern auf ihrem 2012er Werk „Far Away“ handfestem Folkrock gewichen. Entsprechend wurden auch die Bühnenoutfits angepasst: So haben die Musiker ihre Zimmermannskluft abgelegt und u.a. gegen Johnny Cash-Shirts getauscht. Darüber hinaus wurde das Live-Ensemble der SANDSACKS passenderweise um ein Schlagzeug und eine E-Gitarre erweitert. Im Liveumfeld wirkte dieser neue Stilmix noch etwas gezwungen und unnatürlich. Gleichzeitig sind die Hauptstädter durch ihre Folkrock-Attitüde austauschbarer geworden, da die neuen Kompositionen wie „Life Ain’t Nice“ noch zu wenig Eigenleben besitzen. Das „Far Away“-Material verdiente größtenteils das Prädikat unspektakulär und verpuffte trotz kurzzeitiger Stimmungshochs relativ spurlos im weiten Rund. Glücklicherweise blieben u.a. mit „Star Of The County Down“ zumindest ein paar wenige traditionelle Stück erhalten, die sogleich insgesamt passender für die Musiker auf der Bühne wirkten. So dauert es vielleicht noch ein paar weitere Alben, bis die Berliner sich mit ihrer neuen Ausrichtung im Studio und auch live richtig entfalten können. Erste Ansätze waren in Abenberg vorhanden, aber eben nicht mehr.

Mittelalterlicher und traditioneller fiel der Ansatz der schottischen SAOR PATROL aus, die als zweite Band die Bühne betraten und in Deutschland besonders von den MPS-Märkten bekannt sind. Erinnerte der Aufbau der Instrumente mit bemerkenswertem Percussionfokus noch entfernt an das Safri Duo, so agierten die drei Trommler anschließend gleichberechtigt neben Dudelsack und E-Gitarre. Das rein instrumentale Konzept konnte (und wollte) dabei seine Marktwurzeln und -orientierung nicht verstecken. Sei es durch die Dudelsackrhythmen von Charlie Allan oder Songtitel wie „Chasing The Beer“. Eben jener Charlie Allan ließ es sich auch nicht nehmen, in seinen Ansagen mehrfach auf die Intention von SAOR PATROL zu verweisen: Die Musiker wollen in erster Linie die schottische Kultur und das schottische Erbe durch Unterhaltung und Bildung erhalten und verbreiten. Die Kompostionen spiegeln diesen Ansatz wider, doch die englischsprachigen wie stark akzent- und auch alkoholgeschwängerten Ansagen des bärtigen Sackpfeifenspielers schienen in Abenberg gänzlich an der Menge vorbeizugehen. Dazu wurden die oftmals ähnlich aufgebauten Stücke besonders gegen Ende zunehmend anstrengend, selbst für das dudelsack- und percussiongeneigte Trommelfell.

Eben jenes arg in Mitleidenschaft gezogene Hörorgan bekam anschließend bei den Münchnern FAUN eine Pause. Die Folkcombo widmete sich bei ihrem Auftritt hauptsächlich den sphärischen Klängen rund um Niel Mitra an den Synthesizern und Samplern. Dabei war die Show auf dem Feuertanz Festival eine der ersten im klassischen Faungewand mit den neuen Bandmitgliedern Sonja Drakulich und Stephan Groth. Die beiden Neufaune waren zunächst auf ausgedehnter Akustiktour mit ihren neuen Kollegen unterwegs. Und auch mit elektronischer Unterstützung ist die Band noch nicht auf ihrem früheren Niveau: Besonders schwer wiegt nach wie vor die Tatsache, dass Sonja als zweite Sängerin der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Dies führte in Abenberg dazu, dass viele deutschsprachige Paradesongs mit Ausnahme von „Rosmarin“ sowie „Wind und Geige“ kein Teil der Setliste sein konnten. Zweiterer wurde zudem von Fiona Rüggeberg alleine gesungen, die stimmlich wiederum nicht das Volumen besitzt, um das ehemalige Duett alleine zu stemmen. FAUN scheinen sich über diese Engpässe durchaus im Klaren zu sein und fokussierten sich statt dessen größtenteils auf fremdsprachige Balladen. Diese fingen zum Teil zwar wunderbar die stimmliche Bandbreite von Sonja ein, stellen sich aber nicht als zwingend festivaltauglich heraus, besonders im Nachmittagsprogramm. Wie bereits auf der letzten Akustiktour verbreitete Stephan Groth mit seiner Drehleier die größte Spielfreude.

Wer die APOKALYPTISCHEN REITER zu einem solchen Anlass bucht, weiß was er bekommt: Metalpublikum und -programm auf einem Folkfestival. Mangels Neuveröffentlichungen spielten Fuchs & Co. größtenteils eben jenes Material, was die eingefleischten Fans spätestens seit der „The Greatest Of The Best“-Tour kennen. Unter freiem Himmel ist das Flair natürlich noch einmal ein anderes, doch so richtig stimmig gestaltete sich der Auftritt der Reiter im Feuertanz-Kontext (trotz unbändiger Spielfreude) nicht. Teilweise schepperten „Es wird schlimmer“ und die bereits früh ausgerufene „Revolution“ arg blechern in die Menge. Dennoch erreichte die Stimmung vor der malerischen Burg am Vorabend zum ersten Mal nennenswerte Höhepunkte, obwohl parallel die deutsche Fußballnationalmannschaft den Einzug ins EM-Halbfinale feierte. Für die Reiter war diese Tatsache allerdings unerheblich, drängten sich doch mehr Menschen als zuvor vor die Bühne, so dass der Zuschauerraum erstmals trotz eines nicht gänzlich ausverkauften Festivals sehr gut gefüllt war. Wie schon auf der letzten Best Of-Tour durften Songs wie „Der Adler“, „Nach der Ebbe“ und „Reitermania“ nicht fehlen. Wo sich viele Folkfans mit Grauen abwandten, erlebte der Metalanteil im Publikum sein Eldorado an diesem Wochenende. Wenig überraschend also, dass sich eben jener Teil der Festivalbesucher am Ende bei der Umfrage nach dem letzten Song für „Die Sonne scheint“ entschied. Mit dem hervorragenden Wetter hatte dies wohl maximal in zweiter Linie zu tun.

Mit der LETZTEN INSTANZ vergaben die Veranstalter dieses Jahr einen der Headlinerspots an eine jener Folkrock-Gruppen, die sich direkt hinter der vordersten Front bestehend aus Schandmaul, Subway to Sally und In Extremo einreihen. Ähnlich verhielt es sich mit Saltatio Mortis im Vorjahr, doch im Vergleich zu Alea, Lasterbalk und Co. konnten Holly und seine Mitmusiker die große Chance in Abenberg nicht vollständig nutzen. Einerseits hatten die INSTANZ mit einigen technischen Problemen zu kämpfen, andererseits klang Frontmann Holly bei seinen Ansagen (wohl zufällig) mehr als nur etwas beschwipst. Außerdem leistete er sich einige Textschnitzer, was besonders bei der etablierten finalen Zugabe „Wir sind allein“ etwas merkwürdig anmutete. Auch davor schafften es die Dresdener nicht, den Level ihrer guten (Veldensteiner Festival 2011) und sehr guten Auftritte (Schlosshof Festival 2010) unter freiem Himmel zu erreichen. Dafür wirkte das Septett trotz einer ähnlichen Setliste wie auf den letzten Burgenfestivals wenig eingegroovt. So fehlte es selbst den bekannten Livekrachern wie „Dein Gott“, „Flucht ins Glück“ und „Der letzte Tag“ in Abenberg am letzten überzeugenden Pepp. Daran änderten auch die im späteren Verlauf wieder einmal gute (wenngleich nicht wie sonst hervorragende) Lichtshow sowie einige Pyroeffekte wie ein funkensprühender Geigenbogen von M. Stolz nichts. Besonders positiv fiel hingegen das neu vorgestellte „Sing!“ vom kommenden Album „Ewig“ aus. Allerdings hätte die bekannte Songauswahl durchaus mehr neues Material als nur zwei Songs vertragen können.
Besonders das Ende des ersten Festivalstages lief arg nach dem erwarteten Schema F ab: Nach dem obligatorischen „Rapunzel“ setzten Benni Cellini und M. Stolz zum gemeinsamen Stagedive bei „Wir sind allein“ an. Zwischenzeitlich schalteten die verbliebenen Musiker auf der Bühne einen Gang höher und änderten den Song auf den Beasty Boys Klassiker „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party)“. Die beachtliche Stimmung mag dem Gedanken entsprechen, liebgewordene Livetraditionen weiterhin zu pflegen, doch genau wie „Julia und die Räuber“ von Subway to Sally und einige andere Beispiele droht sich manches Livephänomen in der Folkrockszene auf Dauer zu überleben. Vielleicht auch dieses.

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