Konzertbericht: HATE /w Vesania, Negura Bunget, Inferi

2011-09-25 Steinbruch-Theater, Darmstadt

Vergleiche und das ganze In-Einen-Topf-Werfen ist Potenzial wie Eigenständigkeit betreffender Bands meist völlig ignorant wie undifferenziert gegenüber. Dennoch kann man den Abend wohl – NEGURA BUNGET außen vor – oberflächlich für Außenstehende am Besten mit BEHEMOTH + X bezeichnen. INFERI als Behemoth + Watain, VESANIA als Behemoth + Dimmu Borgir plus einem Schuss morbidem Narrenspiel, HATE als Behemoth + Todesgroove. Passend dazu wurden übrigens in den Umbaupausen ausschließlich Songs besagter Polen gespielt. Umso mehr verwunderte die magere Anzahl an Besuchern, die sich am Sonntagabend im Steinbruch-Theater einfand.

Die 1997 gegründeten INFERI aus Argentinien waren auserkoren, den Abend aufzuwärmen. Doch auch wenn an ihrer musikalischen Darbietung, bestechend erbarmungslosem Black Metal mit einer Spur Death, sowie der Liveperformance absolut kein Makel war, gesellten sich nur eine Handvoll Leute – mit einer Ausnahme – ziemlich bewegungsarm vor die Bretter.
Für die Abwechslung im Programm sorgten diesen Abends die Ausnahmemusiker von NEGURA BUNGET. In dunklem Zwielicht mit wie immer allerlei skurrilen Instrumenten, bauten sie schnell die gewohnt fantastisch mystische Atmosphäre auf und zogen die Versammelten umgehend in ihren Bann. Man merkte schnell, dass die Rumänen hierzulande eine große Bekanntheit genießen, waren hier doch mitunter die meisten Leute anwesend. Allerdings gezählt allemal knapp 50, was mehr als armselig war. Das Konzert verdarb dies aber keinesfalls. Es wurde mit einer Eindringlichkeit und Leidenschaft performt, die jeden Kritiker verstummen ließ. Flüstern, schreien, trommeln, dreschen, sägende Gitarren, einprägsam melodische Riffs, harsches Keifen, rasendes Schlagzeug, orientalisch anmutende Melodien, epische Keyboard-Teppiche, kurzum eine unglaublich intensive Reise in spirituelle Gefilde. Nach einer knappen Dreiviertelstunde beendeten NEGURA BUNGET unter berauschendem Applaus ihr Set. Einmal mehr eine drei Stunden zu kurze Show.

Es folgten VESANIA: Behemoth plus Dimmu Borgir? Als komplett oberflächliche Kurzbeschreibung für Unwissende allemal tauglich und treffend. Das sogar ebenfalls in personeller Hinsicht. Ist Trommler Daray doch ebenfalls bei den Norwegern Dimmu Borgir tätig und Leader Orion Bassist bei unseren Lieblingspolen von Behemoth. Aber Schluss mit trivialem Klischeegehopse. Am besten ist VESANIA wohl durch die eigenen Worte beschrieben: „Eine schwarzmetallische Manifestation von Brutalität durch Wahnsinn, verrückte Vision in verrückter Form, Kunst fernab der Realität.“ Wer sich glücklich schätzen kann, die nicht gerade oft Auftretenden live gesehen zu haben, weiß, wovon gesprochen wird. Mit geschminkten Gesichtern gleich den Promobildern, die – passend zum Bandkonzept – teilweise an Masken aus dem antiken griechischen Theater erinnerten, wurde eine gewaltige Atmosphäre irrsinniger Kraft erzeugt, die den Versammelten keine andere Wahl ließ als wild die Köpfe kreisen zu lassen. Spätestens beim etwas tempogezügelten „Rage Of Reason“ der letzten Scheibe „Distractive Killusions” anno 2007 waren alle Anwesenden von Spiel- wie Showkunst zu 200% gefangen, besonders als sich Keyboarder Siegmar (mit Harlekinbemalung) im ruhigen Zwischenpart grinsend Beine baumelnd auf die vorderen Boxen platzierte, zu dem sich sogleich ein Fan gesellte, dem solange freundschaftlich schaukelnd der Arm um die Schulter gelegt wurde. Danach das Tempo abermals rasant mit der Todeswucht von VESANIAs wohl bekanntestem Track „Marduke‘s Mazemerising“ angezogen, Orion ließ abermals seine gewaltig einnehmende Ausstrahlung spielen, bevor der überwältigende Auftritt mit „Path I – Rest in Pain“ – gewidmet all denjenigen, die nicht vor Ort gewesen sind – unter tobendem Applaus und Jubel der Durchgeschwitzten endete. Somit waren VESANIA unumstritten zum eigentlichen Headliner des Abends avanciert.

HATE
Ja, von wegen „little Behemoth“ wie sie unter der Hand gerne, v.a. nach ihrem „neuesten“ Machwerk „Erebos“ (2010), in der Szene größtenteils belächelt werden, welches sie – der Tourname verrät es – derzeit in Europa und darüber hinaus promoten. Die Ähnlichkeit ist keinesfalls zu leugnen. Vieles der Polen könnte ebenso gut aus der Feder ihrer bekannteren Landsmänner stammen. Stellenweise dachte man mit geschlossenen Augen sogar Nergal auf der Bühne zu hören. Dennoch muss man dazu mal einiges klar stellen. Erstens gibt es HATE sogar ein Jahr länger als Behemoth. Das letztere bekannter sind, rechtfertigt in keinster Weise, dass die Todesfraktion um ATF Sinner als bloßer Abklatsch hingestellt werden. Zudem HATE als erste in den rasanten Death Metal Gefilden ansässig waren, sich später ein wenig dem Black annäherten, während Behemoth eher umgekehrt agierten. Wer da letzten Endes von wem beeinflusst wurde, wird wohl immer Streitpunkt bleiben, v.a. da die Metalszene in Polen eh eine große Familie ist, in der jeder von jedem sicherlich irgendwie inspiriert wird. Ist auch eigentlich gar nicht relevant. Wichtiger ist eher, dass HATE keine abgekupferte Kopie sind, sondern eigenständig sowohl auf Platte wie auch live mit einer ungeheuren Energie überzeugen können. HATE sind eben die groovigen Behemoth, Behemoth die progressiven HATE. Sämtliche Musiker beherrschten ihre Instrumente bis ins Detail. Unfassbar faszinierend-geniale Schlagzeugarbeit von Drummer Hexen, verflixt vielschichtige wie ausgereifte Gitarrenarbeit von Destroyer und ATF Sinner kreierten eine technisch anspruchsvolle Todeswand, die trotz Komplexität eingängig aber nie langweilig wurde. Durch das Set hinweg begeisternd, keine Durchhänger, geballte polnische Power des extremen Metal. Somit zeigten HATE nicht minder Potenzial als berühmtere Landskollegen und es bleibt zu hoffen, dass sie – seit Herbst 2011 unterstützt durch Napalm Records – alsbald den gleichen Bekanntheitsgrad verzeichnen können wie Vader und Co..

Damit endete ein show- wie musiktechnisch absolut fantastischer Abend, der wohl nicht leicht seinesgleichen finden wird. Selbst bei aller Kritikfreudigkeit findet sich einfach kein einziger Makel an den Auftritten. Diejenigen, die da waren, freuten sich über ein unvergessliches Erlebnis. Allen Couchpotatoes oder sonstigen Ausredlern sei gesagt: Schande, nicht dabei gewesen zu sein! So ein absolut Oberhammer geniales Package bekommt man nicht alle Tage zu Gesicht!

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert