Konzertbericht: Heaven Shall Burn w/ Trivium, Obituary, Malevolence

17.02.2023 München, Zenith

Im November 2020, im ersten Winter der Pandemie, eine Europatour für Herbst 2021 anzukündigen, war arg optimistisch. So kam es dann auch für niemanden überraschend, dass HEAVEN SHALL BURN und TRIVIUM ihre gemeinsame Konzertreise verschieben mussten – um anderthalb Jahre, ins Frühjahr 2023, erschien vielen dafür wiederum arg pessimistisch.

Immerhin konnten die Bands ihren Fans so ständige Terminänderungen ersparen: Die im Oktober 2021 anberaumten neuen Termine hatten schlussendlich Bestand. Allerdings mussten auch die Vorband-Slots neu besetzt werden: Anstelle von TESSERACT und FIT FOR AN AUTOPSY stehen schlussendlich OBITUARY und MALEVOLENCE auf dem Programm.

Dass der Merch-Stand heute an der Seite aufgebaut und die Halle hinten nicht abgehängt ist, lässt es bereits erahnen: Das Zenith wird heute voll – so voll, wie man es bei Metal-Shows seit der Pandemie kaum erlebt hat.

MALEVOLENCE im Februar 2023 in MünchenSo haben MALEVOLENCE trotz ihrer frühen Stagetime um 18:30 Uhr bereits ein bemerkenswert großes Publikum. So richtig zu motivieren scheint das die Briten aber nicht. Anstatt in ihr 30-Minuten-Set so viele Songs wie nur irgend möglich zu packen, verschwendet Fronter Alex Taylor erstaunlich viel Zeit mit überflüssigen Ansagen. Vielleicht ist das aber auch Taktik – denn tatsächlich wäre ein ohne größere Unterbrechungen durchgezocktes Set von MALEVOLENCE noch langweiliger gewesen: Der stumpfe Mix aus Deathcore und Groove-Metal enthält wenige Elemente, die aufhorchen lassen – einzig, wenn Gitarrist Konan Hall in feinster Crowbar-Manier seinen cleanen Stoner-Gesang einbringt, entwickeln die Songs so etwas wie Charakter. Das ist allerdings auch bei nur sieben gespielten Songs nur zweimal der Fall – insofern bleibt von dieser Performance musikalisch leider nur wenig hängen. Dass das Publikum trotzdem schon einen Circlepit startet und zur Ballade die Handytaschenlampen und Feuerzeuge rausholt, sagt mehr über die Motivation der Fans am heutigen Abend als über die Performance.

  1. Malicious Intent
  2. Life Sentence
  3. Still Waters Run Deep
  4. Self Supremacy
  5. Higher Place
  6. Keep Your Distance
  7. On Broken Glass

OBITUARY im Februar 2023 in MünchenUnd tatsächlich könnte die Stimmung im Zenith kaum besser sein, als mit OBITUARY um 19:20 Uhr die erst zweite Band des Abends auf die Bühne kommt: Die Reaktionen sind mitunter so euphorisch, dass man meinen könnte, einige der Fans seien nur für diesen Auftritt gekommen. Wenn dem so wäre, hätten sie jedenfalls nichts falsch gemacht – denn die Florida-Death-Metal-Instanz liefert heute so richtig ab. Top motiviert und mit nicht eben kristallklarem, aber zumindest druckvollem Sound gesegnet, zeigen OBITUARY dem vornehmlich sehr jungen Publikum, wie Death Metal der alten Schule zu klingen hat. Insgesamt sieben ihrer Alben decken die Herren um Fronter John Tardy dabei ab – und hauen Hit um Hit raus. Dass auch OBITUARY etwas bei der Spielzeit schummeln, indem sie lieber den Pat-Travers-Song „Snortin‘ Whiskey“ als Intro in voller Länge in ihrer Stagetime abspielen lassen, als noch eine weitere Nummer ins Set zu pressen, ist etwas schade – aber anders als Malevolence haben sich OBITUARY diese Gemächlichkeit über die letzten 35 Jahre hinweg redlich verdient.

  1. Redneck Stomp
  2. Sentence Day
  3. A Lesson In Vengeance
  4. Visions In My Head
  5. The Wrong Time
  6. Don’t Care
  7. My Will To Live
  8. Words Of Evil
  9. I’m In Pain

TRIVIUM im Februar 2023 in MünchenNach dem ersten großen Umbau des Abends trumpfen TRIVIUM schon mit einer fulminanten Bühnenoptik auf: Ein farbenprächtiges Banner mit japanischen Drachen und ein paar passende Deko-Elemente stimmen auf eine ebenso perfekt ausgearbeitete Performance ein: 70 Minuten lang führt ein augenscheinlich bestens gelaunter Matt Heafy durch ein Set, in dem nahezu alle TRIVIUM-Alben mit je ein oder zwei Songs Erwähnung finden: Einzig von „Silence In The Snow“ findet sich kein Song im Set – dafür bekommen die Fans mit „Like Callisto To A Star In Heaven“ eine echte Live-Rarität zu hören: Der Song wurde seit 2009 erst zum vierten Mal live gespielt!

TRIVIUM im Februar 2023 in MünchenAuch sonst ist das Set der Heavy-Thrasher mit einigen Überraschungen angereichert: Für „Pillars Of Serpents“ holen sich TRIVIUM Verstärkung von Malevolence-Gitarrist Josh Baines, bei „In Waves“ wiederum darf Alex Dietz von Heaven Shall Burn schon mal seine die Gitarre warmspielen. Dass der Sound leider am Zenith-Syndrom krankt und (insbesondere im hinteren Teil der Halle) ziemlich undifferenziert aus den Boxen kommt, kann den TRIVIUM-Fans im Bereich vor dem Wellenbrecher nicht die Laune verderben: Hier wird gemosht, hingesetzt und aufgesprungen, hingesetzt und „gerudert“ sowie in großer Zahl gecrowdsurft. Wie sehr sich alle hier über Jahre auf diese Show gefreut haben, ist nicht zu übersehen.

TRIVIUM im Februar 2023 in München
TRIVIUM 2023 live in München; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info
  1. Rain
  2. Shattering The Skies Above
  3. Strife
  4. Amongst The Shadows & The Stones
  5. Pillars Of Serpents
  6. Down From The Sky
  7. In The Court Of The Dragon
  8. Like Callisto To A Star In Heaven
  9. To The Rats
  10. The Heart From Your Hate
  11. Capsizing The Sea
  12. In Waves
  13. Pull Harder On The Strings Of Your Martyr

HEAVEN SHALL BURN im Februar 2023 in MünchenNoch eine Nuance größer scheint dann aber die Vorfreude auf den heutigen Headliner: Als HEAVEN SHALL BURN um 21:50 Uhr ihr rund 80-minütiges Konzert beginnen, gibt es im Publikum kein Halten mehr. Kein Wunder, trifft hier doch eine spektakuläre Inszenierung mit Videoleinwänden, Pyrotechnik, Konfettikanonen und sogar einem „Ascheregen“ (vor „Endzeit“) auf eine energiegeladene Performance – abgerundet durch die rundum sympathische, bodenständige Art der Thrüringer, allen voran Marcus Bischoff: Egal, ob der Fronter das Gemeinschaftsgefühl zwischen Fans und Band hervorhebt („Wir alle sind die Show“) oder die Fans kurzerhand um Sprechchöre für den akut erkrankten Busfahrer bittet – so auf einer Wellenlänge mit dem Publikum sind nur wenige Musiker.

HEAVEN SHALL BURN im Februar 2023 in MünchenAuch musikalisch lässt die Show keine Wünsche offen: Mit fünf Songs steht das aktuelle Album „Of Truth And Sacrifice“ klar im Fokus der Setlist, dazu kommen je ein bis zwei Stücke von insgesamt sechs anderen HEAVEN-SHALL-BURN-Werken. Und auch die Thüringer haben einen Gastauftritt vorbereitet: Für „Whatever It May Take“ hängt sich Matt Heafy nochmal die Gitarre um und wird dafür vom Publikum – auch auf die explizite Bitte von Maik Weichert hin – kräftig abgefeiert. Abeiern kann das Münchner Publikum heute ganz allgemein gut: Ob mit frenetischem Jubel, lauthals mitgesungenen Texten oder einer wahren Armada an Crowdsurfern – über mangelnde Resonanz können sich HEAVEN SHALL BURN nach rund 80 Minuten und dem finalen Duo Infernale aus „Numbing The Pain“ und „Tirpitz“ wahrlich nicht beschweren.

HEAVEN SHALL BURN im Februar 2023 in München
HSB 2023 live in München; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info
  1. My Heart And The Ocean
  2. Bring The War Home
  3. Übermacht
  4. Voice Of The Voiceless
  5. Hunters Will Be Hunted
  6. Whatever It May Take
  7. March Of Retribution
  8. Thoughts And Prayers
  9. Behind A Wall Of Silence
  10. Profane Believers
  11. Black Tears (Edge-Of-Sanity-Cover)
  12. Awoken
  13. Endzeit
  14. Numbing The Pain
  15. Tirpitz

Wo MALEVOLENCE noch eher verzichtbar waren, zeigen in diesem Billing bereits OBITUARY früh am Abend große Klasse. Von da an geht alles seinen Gang: Dass der Sound bei TRIVIUM – wie auch teilweise bei HEAVEN SHALL BURN – dem Zenith einmal mehr keine Ehre macht, ist schade, für ortskundige Fans allerdings keine große Überraschung. Mit ansonsten rundum stimmigen Performances können die Amerikaner wie auch die Thüringer im Anschluss das aber (fast) vergessen machen: Während bei TRIVIUM vor allem die spielerische Klasse und das extravagante Stagedesing im Gedächtnis bleibt, ist es bei HEAVEN SHALL BURN neben der mitreißenden Energie der Songs vor allem die bescheidene Art der Band. Diese Kombination – musikalisch in der höchsten Liga angekommen und doch komplett auf dem Boden geblieben zu sein – macht HEAVEN SHALL BURN vielleicht zur größten, sicherlich aber zur sympathischsten Band ihres Genres.

HEAVEN SHALL BURN im Februar 2023 in München
HSB 2023 live in München; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

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