Festivalbericht: Hörnerfest 2010

15.07.2010 Brande-Hörnerkirchen

Übers HÖRNERFEST zu schreiben, ohne etwas zum Wetter zu bemerken, hat sich in den vergangenen Jahren als unmöglich erwiesen. Angesichts der Hitzewelle Anfang Juli 2010 kam es also, dass wir dieses Mal so früh wie möglich anreisen wollten, um zumindest noch etwas Schatten fürs tägliche Überleben zu sichern, was trotz öffentlicher Verkehrsmittel sogar gelang. Kurz nach Zeltaufbau gegen 10 Uhr ließ es sich sogar noch ein paar Stündchen recht problemlos aushalten, bis dann kurz vor halb drei die erste „interessante“ Band auf dem Plan stand.

RABENWOLF waren uns im Vorfeld schon bekannt, obwohl es von der Stader Truppe kaum etwas Ernsthaftes zu hören gibt. Allein die unglaublich schlechten Texte und das mehr als peinliche Internetauftreten der überdimensionerten Pagan-Metaller machte den Auftritt aber schon zum Pflichtprogramm. Und es kam ganz wie erwartet: Mit einer Attitüde, die an Plattheiten und Pathos kaum zu überbieten war, brezelten die sechs knaben und zwei Mädchen ihre ausgesproche mäßige Musik in die Mittagshitze.
Schiefe Gesänge, schiefe Instrumente und belangloses Gepolter, gepaart mit zahlreichen Eitelkeiten sowie stumpfsten Texten und Ansagen gefiel (?) zunächst einer kleinen Gruppe von etwa 20 Personen, bis dann im Verlauf der Darbietung rund die doppelte Menge zugegen war. Gewiss hielt hier schon die gewaltige Wärme einige vom Mitmachen ab, denn zweifellos haben sich die bereits recht weit herumgekommenen Musiker schon eine seltsame Fanschar erspielt, so dass es sogar zu einer organisierten – Achtung – „Wall of Humppa“ (!) kam. Vielleicht sind RABENWOLF einfach eine Band, die so schlecht ist, dass man sie mal erlebt haben muss.

Während die Sonne im Folgenden so erbarmungslos vom Himmel brannte, dass es selbst unter einem Pavillon und mit ständigen Kaltwasserduschen kaum auszuhalten war, stand für uns als nächstes ARKONA auf dem Programm. Da meine Wenigkeit jedoch bereits kurz nach Beginn des Auftrittes der pelzbehangenen (!) Russen von einem fetten Sonnenstich für mehrere Stunden umgehauen wurde, übernahm dankbarerweise Zeltnachbar Jens das wachsame Auge auf die Bühne. (jl)

ARKONA bestieg einigermaßen pünktlich die Bretter der Bühne und legten gleich los. Schreihals Masha Arhipova und Ihre Mannen schraubten gewaltig am Tempo. Die russischen Lieder kommen live sehr druckvoll rüber, was das anwesende Publikum zumeist begeistern konnte. Bisher ist die Band mehr oder weniger an mir vorbeigegangen, jedoch sah man schnell, was ich bislang verpasst hatte. Eine sehr mitreißende Show der vier Moskauer Musiker.

Nach einem langen, wenn auch durch die Band sehr unterhaltsam gestalteten Soundcheck, enterten COPPELIUS am späten Nachmittag die Bühne. Trotz eigens mitgebrachtem Soundtechniker kam es zu einigen Problemen in der Akustikausgabe. Davon unbeirrt spielten die Berliner Kammercore Musiker ein Set mit einem schönen Querschnitt aus der bisherigen Bandgeschichte. Vom Opener „Schöne Augen“ bis zurück zum „I get used to it“ wurden Werke aller bisheriger Tonträger dem geneigten Zuhörer dargeboten. Auch Songs vom neuen Album „Zinnober“ (erscheint am 29.10) bekam man bereits zu hören.
COPPELIUS sind live schon ein echter Hingucker. Die fünf Herren in Gehröcken waren bei den Temperaturen nicht zu beneiden, doch Butler Bastille sorgte immer wieder für Abkühlung. Die Scheinwerfer haben sicherlich nicht zur Abkühlung beigetragen. Eine überzeugende Bühnenshow der sehr agilen Band, die trotz des geringen Platzangebotes für einiges an Bewegung auf und vor der Bühne sorgten. Nach gut einer Stunde Spieldauer und einem Da Capo war die Reise zurück ins 19. Jahrhundert leider schon beendet und wir bewegten unsere Körper über den Umweg Wasserstelle zum halbwegs schattigen Zeltlager.(jm)

Einigermaßen wiederhergestellt ging es dann am frühen Abend zu einer kurzen Stippvisite zu den Folkrockern von THE SHANES. Die Gruppe, die sich zur Zeit in der Auflösung befindet, spielte eines der letzten Konzerte, riss jedoch trotz etwas angenehmerer klimatischer Verhältnisse nicht besonders mit, so dass die Kräfte noch für das nun endlich erste Highlight gespart werden konnten.

RAPALJE aus den Niederlanden sind ein kleines Phänomen, da unsere Nachbarn aus dem Westen nicht nur auf den ersten Blick als astreine Iren oder Schotten durchgehen würden und noch dazu fast lupenreines Deutsch sprechen. Mit geringer Verspätung um kurz vor zehn legten die Celtic Folker los und konnten über die gesamte Spielzeit von eineinhalb Stunden bestens unterhalten.
Neben bekannten insularen Folk-Nummern und (niederländischen) Traditionals brachten Dieb, Maceál, William und David auch zu fortgeschrittener Zeit eine Version von Manowars „The Crown And The Ring“. Die Musik des ungeheuer sympathischen Vierers wurde von einer beachtlichen Menge gut aufgenommen und manch einer fühlte sich von den sehr tanzbaren Rhythmen der Multiinstrumentalisten zu ein paar Schritten verführt. So entließen RAPALJE die Hörneraner sicherlich wunschlos glücklich in die Nacht und uns bereits zum Zelt, da die doch unerwartet wuchtige Hitze auch jetzt noch ihren körperlichen Tribut forderte. Nachts hatte auch ein gewisser Dudelsackspieler offenbar etwas gegen übermäßigen Schlaf.

Am nächsten Tag ging es früh los mit einer der härteren Bands des Festes. Ebenfalls aus den Niederlanden hatten MYRKVAR die Anreise gewagt und standen bereits gegen 12 Uhr auf den Brettern im Garten. Wer es wie wir rechtzeitig zur Bühne geschafft hatte, konnte noch ein Schattenplätzchen sein Eigen nennen, in der Sonne war es bereits nahe an der Unerträglichkeit, so dass vor der Bühne zunächst nicht allzu viel Leben war.
Auch die junge Pagan Metal-Band hatte den Ernst der Lage erkannt und trat fast geschlossen (die Geigerin mal abgesehen) oben ohne auf. Der soliden Musik, die etwas an schnellere Heidevolk erinnert, tat dies keinen Abbruch, und auch wenn MYRKVAR keinen Originalitätspreis gewinnen konnten, so gelang es dem Fünfer dennoch, bereits zu dieser frühen Stunde eine Polonaise (in herrlichem Deutsch angeregt) auf die Beine zu stellen. Sichtlich beeindruckt vom Publikum hatten die Oranjes gewiss ihren Spaß an ihrem ersten (?) Auftritt in Deutschland.

Nun war erst einmal wieder die doppelte Pause angesagt, denn nicht nur dass das Bandaufgebot in der Zwischenzeit an unser aller Interesse vorbei ging, es war auch schlicht und ergreifend kaum möglich, sich aus seinem Schattenplatz an einen anderen Ort als allenfalls der Wasserstelle zu bewegen. Angesichts der extremen Wetterverhältnisse mag manchem Freund nordischer Mythologie der Begriff „Fimbulsommer“ in den Sinn gekommen sein, der vollkommen treffend die Weltuntergangsstimmung unter der gnadenlosen Mittagssonne beschreibt.

Nach einem zaghaften Bier um vier, stets bestrebt die Ereignisse vom Vortag sich nicht wiederholen zu lassen, ging es vorsichtig zu BRAN BARR, die meinen persönlichen Höhepunkt des Festivals markierten. Im Vorfeld erfuhr man zwar bereits, dass die Franzosen nicht mit der für alle Instrumente benötigten vollen Anzahl Musiker angereist waren. Doch erwies sich die Befürchtung, dass der flötenlastige Pagan Black Metal mit Synthetikunterstützung daher kommen werde, als gegenstandslos. Die Gallier ließen einfach sämtliche Folkmelodien von Geigerin Ahes spielen, was für einen zwar nicht immer ganz glatten, jedoch ehrlichen und authentischen Klang sorgte.
Sofern ich, der die erste Platte nicht kennt, dies sagen konnte, handelte es sich bei dem Auftritt um eine ausgewogene Mischung älterer und neuer Stücke, und mit den Hammersongs „Fury – Exile Of The Orphan“ und „Journey – The Grand Quest For The Magical Acorn“ waren die wichtigsten Nummern auch dabei. Trotz der immer noch sehr heftigen Hitze verliefen BRAN BARR ohne besondere Vorkommnisse und so zeigten die sechs, dass sie eine durchaus ernst zu nehmende Liveband sind, auch wenn man die Flöten und Dudelsäcke von der Platte doch manches mal vermisst hat.

Die kurz darauf im Anschluss spielenden THE POKES hielten leider nicht, was sie versprachen. Was als „Folk Punk“ noch sehr reizvoll ausgewiesen wurde, entpuppte sich als ziemlich lahmer Aufguss von britisch-irisch klingenden Songs ohne nennenswerte Akzente. Nachdem im völlig übertrieben Soundcheck schon die spannendeste Nummer ohne Ende durchgenudelt worden war, wanden wir den Berlinern schon ziemlich bald wieder den Rücken zu. Wasserzufuhr schien einmal mehr das Wichtigste zu sein.

Nun trat ein, wovon die Veranstalter möglicherweise die Wochen zuvor hofften, dass es das nicht tun würde: Deutschland stand im Spiel um Platz 3 bei der Fußball-WM, und manch einer ließ Cromdale links liegen, um es sich vor dem extra bereit gestellten Fernseher auf Bierbänken mehr oder weniger bequem zu machen. Aus einem spannenden Spiel ging ‚Schland als Sieger über Uruguay hervor, was dann auch gleich auf der Bühne verkündet wurde.

Da Feuerschwanz einstimmig als eine der unnötigsten Bands des Erdballes wahrgenommen wurde, war nun noch einmal Ruhe im Karton, bis wir uns erst wieder in der Dunkelheit zur Show der FEUERTEUFEL los bewegten. Die höchst beeindruckenden Flammenkünstler machten mit einer fulminanten Darbietung buchstäblich die Nacht zum Tage und hinterließ eine staunende Menge.

Schließlich waren es EQUILIBRIUM, die zu später Stunde das Hörnerfest 2010 beenden sollten. Trotz ernüchternder Auftritte wie zuletzt auf dem Rocktower Festival verschlug es uns doch noch einmal kurz vor Mitternacht vor die Bühne, um letzlich fast halb eins mit fünfzig Minuten Verspätung die ersten Klänge des neuen Albums „Rekreatur“ zu vernehmen. Das Urteil von vier Monaten zuvor blieb jedoch bestehen, denn die Pagan Metaller sind keineswegs bestrebt etwas an ihrer Grundeinstellung zu ändern. Sei es die Tradition des unsympathischen Frontmannes, der durchgehende Verzicht auf vollständige Besetzung und damit eine halbe Mini-Playback-Show oder aber die Fanschar, von der man sich mehr und mehr entfremdet fühlt.
Für Sentimentale hatten EQUILIBRIUM die ein oder andere Nummer vom ersten Album im Gepäck – dass der Schwerpunkt jedoch auf seichten aktuellen Songs lag, dürfte kaum verwundern. Geringe Erwartungen, geringe Freude – doch der Erfolg gibt Robert, René, Andreas, Sandra und Tuval wohl Recht.

Am nächsten Morgen wurden wir durch einen eigentümlichen heißen Sturmwind geweckt, der unsere frühe Abreise am „Frühschoppen-Sonntag“ begünstigte. Ob viele Zelte und Pavillons beschädigt wurden, ist uns daher nicht bekannt.

Für 2010 bleibt das HÖRNERFEST in überwiegend guter Erinnerung. Bei allem Fluchen über die persönlichen Einschränkungen vergisst man doch kaum, dass die Veranstalter herzlich wenig für das krasse Wetter können. Mit problemlosem Wasserzugang auf dem Zeltplatz und Gartenschläuchen vor der Bühne tat man das, was man dagegen tun konnte, so dass das Fest wohl insgesamt ohne große Zwischenfälle über die Bühne ging. Etwas mehr schattige Plätze auf dem Gelände wurden fürs nächste Jahr bereits versprochen.
Ob man den teils überlangen Umbaupausen und Soundchecks Herr wird, ist jedoch nicht ersichtlich. Auch wenn dies immer wieder auch bei anderen Festivals vorkommt, sollte man bei dieser überschaubaren Bandanzahl nicht unbedingt fast eine Stunde Verspätung aufkommen lassen.
Ein letzter Wehrmutstropfen war, dass ein eindeutig rechtsextremer Besucher mit verfassungsfeindlichen Tätowierungen trotz Meldung nicht vom Fest ausgeschlossen wurde, sondern nach Ermahnung mit „unsichtbar“ gemachten Symbolen weiter herumlief. Hier wäre mehr Konsequenz wünschenswert, denn auch wenn es nicht zu offenem Radikalismus kommt, schaden solche Subjekte dem Ruf der Veranstaltung.
Schade war auch, dass der angeschlossene Mittelaltermarkt nicht größer, sondern eher kleiner geworden war. Das Schlendern über diesen wurde somit zu einer sehr kurzen Angelegenheit, ob das nun an wenig Zuspruch seitens der Aussteller oder geringem Platzangebot der Veranstalter lag, ist nicht bekannt. Hier wäre in jedem Fall noch Verbesserungsspielraum, denn Flair ist bei einem solchen Fest nunmal das Wichtigste.
Insgesamt aber unterstrich das HÖRNERFEST 2010 seinen Ruf als familienfreundliches und sehr gemütliches Kleinfestival. Dass die Preise nach und nach steigen, ist der natürliche Lauf der Dinge, alles in allem blieben die finanziellen Aufwendungen im humanen Bereich. Einige Reaktionen auf Fanwünsche wurden ja bereits versprochen, und somit sollte auch nächstes Jahr einem ausgelassenen HÖRNERFEST nichts im Wege stehen – wenn das Wetter denn mitspielt. (jl)

Bericht von Justus Ledig (jl), ergänzt durch einen Beitrag von Jens Meinecke (jm). Fotos von Justus Ledig, Laura-Ronja Stüben und Jens Meinecke.

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