Konzertbericht: In Extremo w/ Fiddler’s Green

2011-04-13 Zenith, München

Namhaften Support leisten sich im Folkrock-Bereich immer weniger Bands. Umso angenehmer war die Ankündigung, dass die Wahliren von FIDDLER’S GREEN und ihr Irish Independent Speedfolk deutschlandweit im Vorprogramm von In Extremo zu sehen sein werden. Mit ihrem aktuellen Werk „Sportsday At Killaloe“ im Gepäck legte das Sextett furios mit der flotten Kombi „Life Full Of Pain“ / „Highland Road“ los und hatte das vordere Drittel der bereits relativ gut gefüllten Arena sofort hinter sich. Mit den „Kick The Bucket Tunes“ im Dunkeln setzten sie im Anschluss trotz eines etwas zu langen Geigenintros direkt das erste musikalische Ausrufezeichen des Abends. Leider hielt die Begeisterung nur in den vorderen Reihen dauerhaft an. Je länger der Auftritt der Erlanger dauerte, desto mehr flaute er inmitten der „Rocky Road to Dublin“ und der sagenumwobenen Nacht, in der ein gewisser Pat Murphy starb, ab. So verkümmerte schließlich auch die Wall of Folk zu einem eher kümmerlichen Gebilde und warum ausgerechnet die bekanntermaßen eher ruhigen Fans um das Soundpult herum einen Circle Pit bilden sollten, wird wohl noch länger ein (irisches) Geheimnis bleiben.

Offenkundig waren hingegen die Pläne von IN EXTREMO: Was die Band anno 2011 nicht mehr durch tiefsinnige Texte oder zeitlose Klassiker reißen kann, versucht sie durch eine fulminante Bühnenshow und jahrelange Erfahrung zu kompensieren. Um es vorweg zu nehmen, dieser Plan ging in München auf: Zwar litten Micha Rhein und sein sechs Mitmusiker ebenfalls unter den bescheidenen Bedingungen in der alten Industriehalle, doch der imposante Bühnenaufbau, die fulminante Feuershow und viele weitere überraschende Pyroeffekte ließen darüber leicht hinweg sehen. Außerdem hatten sich In Ex eine Setliste ausgedacht, die besser kaum möglich gewesen wäre: So verbanden die MA-Rocker die besten Seiten ihrer neuesten Schaffensphase mit Altbewährtem.
Dass ihnen an ihrem musikalischen Heimathafen trotz zweier Einseralben in Folge noch gelegen ist, wurde relativ schnell deutlich, als beispielsweise „Liam“ auf Irisch-Gälisch und nicht auf Deutsch gesungen wurde. Auch von etablierten Livekrachern wie „Herr Mannelig“ und „Spielmannsfluch“ distanziert sich die Formation nicht – im Gegenteil. Mit dem melodiösen „Erdbeermund“ feierte ein weiterer Klassiker sein umjubeltes Livecomeback und beim ebenfalls etwas in die Jahre gekommenen, melodramatischen „Küss Mich“ lieferte Micha gesanglich seine stärkste Performance des ganzen Abends ab – trotz Zenith. Der Kommerz fand indes größtenteils vor und nicht auf der Bühne statt. Oder hätte man vor drei bis fünf Jahren junge Mädels mit Ed Hardy-Shirts auf einem In Extremo-Konzert angetroffen?
Unabhängig vom teils ungewohnten Publikum gelangen dem letzten Einhorn und allen voran einem grandiosen Dr. Pymonte an der Harfe in den ersten Konzerthälfte beinahe alles: Jeder Song – ob literarisch stumpfsinnig („Sterneneisen“) oder hochwertig – funktionierte und klickte mit den ca. 3500 anwesenden Fans, deren Körper sich feierlich im Takt bewegten. Nach dem feierintensiven Beginn hielt Micha vor „Zauberspruch VII“ kurz inne, um die Kernbotschaft des Textes zusammenzufassen: „Schaut nicht zurück, sondern blickt nach vorne und genießt das Leben in vollen Zügen.“ Ein edler Vorsatz – doch leider ging der beschwörungsartige Song musikalisch vollends in die Binsen. Außerdem leitete das einzig echte Akustikdebakel dieses Abends eine musikalisch etwas schwächere zweite Phase ein, in der von den neuen Sterneneisen-Songs nur ein wahnsinnig starkes „Stalker“ und „Siehst du das Licht“ sowie „Sängerkrieg“ als Titeltrack vom Vorgängeralbum vollends zu überzeugen wussten. „Hol die Sterne“ klingt live hingegen genauso nach Pseudo-Unheilig wie auf CD – es fehlte lediglich noch der Gastauftritt des Grafen. Das gelallte Intro zu „Viva La Vida“ blieb im Livegewand ebenso fragwürdig wie auf der Studioproduktion, doch immerhin lässt sich hierbei (ähnlich wie bei „Siehst du das Licht“) sich der Chorus prima im Kollektiv mitgrölen.
Erwartungsgemäß ließen In Extremo den knapp zweistündigen Konzertabend mit ihrer neuen Ballade „Auf’s Leben“ ausklingen, bevor mit „Gold“ und „Rasend Herz“ noch zwei kleinere Highlights aus den guten alten und der (zumindest auf CD) gewöhnungsbedürftigen neuen Zeit folgten.Unter dem Strich hinterließen Micha und Co. allerdings einen sehr starken Eindruck und konnten diverse Mängel der letzten Studioproduktion spielend kompensieren. Ab und an erinnert der Sänger durch seine Bewegungen an einen Folkmetal-Campino – im positiven Sinne, denn in Sachen Bühnenpräsenz und bedingungsloser Hingabe an seine Musik macht dem Altmeister so schnell keiner etwas vor.

Setliste In Extremo:
01. Sterneneisen
02. Frei zu sein
03. Liam
04. Erdbeermund
05. Zigeunerskat
06. Vollmond
07. Unsichtbar
08. Herr Mannelig
09. Horizont
10. Zauberspruch VII
11. Siehst du das Licht
12. Stalker
13. In diesem Licht
14. Hol die Sterne
15. Spielmannsfluch
16. Küss mich
17. Viva La Vida
18. Flaschenpost
19. Sängerkrieg
20. Aufs Leben

21. Gold
22. Rasend Herz
23. Omnia Sol Temperat

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