Konzertbericht: Kellner

2011-04-08 München

Mathias Kellner ist kein Freund großer Worte: Während US-amerikanische Metalbands ihre Fans hierzulande gerne mit einem herzlichen „Munich, what the fuck? Are you fucking ready for some fuckin‘ music?“ begrüßen, reicht beim korpulenten Urbayern ein einfaches „Servus“. Ebenso authentisch, bodenständig und unspektakulär wie die Begrüßung verlief der ganze Konzertabend im Münchner Freiheiz anlässlich des Albumreleases von „The Road Sessions“, dem dritten Output des Singer/Songwriters in den letzten drei Jahren.

Trat Kellner vor einigen Jahren noch alleine mit seiner Gitarre im Vorprogramm der bayerischen Liedermacherin Claudia Koreck auf, so wird er nun unterstützt von jeweils einem Gitarristen, Bassisten und Schlagzeuger. Dadurch wirkt der kernige Gitarrensound druckvoller, wenngleich die Stimme des Frontmanns und die rein englischsprachigen Texte etwas untergehen.
Das donnerstägliche Abendprogramm stand erwartungsgemäß ganz im Zeichen der neuesten Veröffentlichung: So finden sich auf „The Road Sessions“ neben einigen Füllern auch wirklich starke Songs wie die z.B. die rockpoppige Single „iSong“ (nicht verwandt oder verschwägert mit gewissen Apple-Produkten) und ein grandioses „Holy Man“, welches vom Arrangement ein wenig an Johnny Cash erinnert. Darüber hinaus überzeigte Kellner mit dem pointiert-melodischen „Dracu(lalala)“ über den Grafen der Finsternis, indem sein Faible für fröhliche Monstergeschichten schön aufblitzte. Selbst Dracula persönlich hätte diesen Song wohl mit Humor genommen.
Davor, dazwischen und danach gab es viel altes Material von den Vorgängeralben „Hey Dude“ und „This Ocean Life“, welches besonders bei den eingefleischten Kellner-Fans im durchschnittlichen gefüllten Freiheiz sehr gut ankam. Herauszuheben wären hierbei vor allem der Song „Childrens Birthday Party“ von seinem Debüt. Eine sentimentale, akustische Ballade, die zum Nachdenken anregt. Stimmlich muss sich Kellner in jedem Fall hinter keiner der bekannteren Folk- und Countrygrößen verstecken – weder bei den ruhigeren Stücken noch bei den schnellen Rocksongs.

Natürlich blickt man im Rahmen eines solchen Konzertes nicht den gesamten Abend über gebannt auf die Bühne, doch Kellner verstand es abseits jeglicher Bühnenshow und Effekte durch seine autobiografischen Geschichten zu unterhalten: So erzählte er frei von der Leber weg, dass er nach seiner abgeschlossenen Schreinerlehre einige Jahre arbeitslos war und sich schließlich mit diversen Nebenjobs parallel zur Musik gerade so über Wasser halten konnte. Im Zuge dieser wechselnden und größtenteils anspruchslosen Tätigkeiten entstand auch der ein oder andere Song.
Als Brotzeitverkäufer fuhr der Musiker aus dem bayerischen Wald beispielsweise jeden Morgen seine Route und musste dabei auf Grund eines defekten Autoradios immer wieder die gleiche Kassette hören. Diese höchst repetitive Erfahrung verarbeitete er schließlich in „The Glow“. Im Anschluss an dieses Lied gab es einen kurzen Ausflug in die 80er Jahre mit einer höchst unterhaltsamen Coverversion von „Caravan of Love“ – welches das zweite Stück auf der damaligen Kassette war. Diese Momente waren ganz eindeutig die Höhepunkt des Auftritts, ebenso wie die kleinen Sticheleien und sein „Beef“ mit James Blunt, der zeitgleich in der Münchner Olympiahalle spielte.

Ebenso deutlich wie seine Liebe zur englischsprachigen Musik wurde an diesem Abend Kellners besonderes Interesse an Vinyl-Scheiben, von denen er als „gloana Bua“ ganze vier Stück besaß (u.a. von der EAV und Ricky King). Im Alter von knapp sieben Jahren revolutionierte schließlich der Vater des kleinen Mathias das Leben seines Sohnes, indem er ihm zeigte, wie man auf einem Plattenspieler die Nadel bewegt. So musste klein Kellner die furchteinflößendste Stelle des Vinyl-Hörspiels „Robinson Crusoe“ fortan nicht mehr am Lautstärkeregler minutenlang auf Stumm drehen, sondern konnte sie einfach überspringen. Sein Kindheitstrauma verarbeitete er schließlich in „The Last Cannibal“, mit dem die Band traditionell jedes Konzert vor den Zugaben beendet. Nach dem erwartungsgemäßen Bonus verließen die Musiker schließlich die Bühne vollständig, nur um sich noch einmal herzlich beim Publikum zu bedanken – ebenso spartanisch, leicht und locker wie Kellner seine Fans etwa zwei Stunden zuvor begrüßt hatte.

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