Konzertbericht: Metallic X-Mas 2016 (Sodom, Dust Bolt & Support)

26.12.2016 München, Backstage (Werk)

Während andernorts noch im Kreise der Familie besinnlich das Weihnachtsfest begangen wird, hat sich im Münchner Backstage ein Kontrastprogramm etabliert: In guter Tradition finden am zweiten Weihnachtsfeiertag beim METALLIC X-MAS zu harten Klängen all jene zusammen, denen die Besinnlichkeit gestolen bleiben kann. In diesem Jahr erstmalig im Backstage Werk, mausert sich die Veranstaltung vom Underground-Event zum echten Szene-Highlight: Niemand geringeres als die Thrash-Legende SODOM ist heute als Headliner gebucht – und auch sonst steht der Abend ganz im Zeichen des Thrash Metal.

Den Anfang an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag machen die aus München stammenden BATTLECREEK. Obwohl der Startschuss bereits um 18:00 und damit recht früh fällt, ist das Werk schon gut gefüllt – von Weihnachtsliedern scheinen die Metalheads langsam genug zu haben. Entsprechend gut kommen BATTLECREEK dann auch mit ihrem klassischen Heavy Metal an: Nach 30 energiegeladenen Minuten erntet die Band wohlverdienten Applaus.

Vor allem optisch geben UNLIGHT aus Baden-Württemberg ein ganz anderes Bild ab: Mit Corpsepaint, dunkler Symbolik und kiloweise Nieten und Spikes an allen Gliedmaßen erfüllen die Klettgauer so ziemlich jeden Black-Metal-Stereotyp. Dass UNLIGHT damit im heutigen Billing die Exoten sind, ist klar – entsprechend verhalten reagieren gerade die beinharten Thrasher im Publikum. Wer sich auf das Bandkonzept einlässt, stellt jedoch bald fest, dass auch UNLIGHT trotz aller erfüllten Black-Metal-Klischees äußerst thrashig zu Werke gehen. Dass UNLIGHT auch heute ihr angestammtes Sodom-Cover „Der Wachturm“ im Set haben, mutet in Anbetracht des Headliners etwas sonderbar an – verschafft dem Quartett aber zumindest noch positive Resonanzen der Thrash-Jünger. Das Grundproblem der Band löst das jedoch nicht: Gerade bei etwas schwierigen Soundbedingungen wie heute verliert die Musik des Quartetts doch schnell an Reiz.

Ganz anders ist das bei INSANITY ALERT, die mit ihrem energiegeladenen Uptempo-Thrash-Punk im Anschluss auch musikalisch eine mehr als willkommene Abwechslung darstellen: Die Band setzt voll und ganz auf Spaß und Unterhaltung – nach der bierernsten Show von Unlight genau das richtige Mittel, das Publikum in Feierlaune zu bringen.

Als Weihnachtsmänner verkleidet stürmt die Band um kurz vor Acht auf die Bühne – von da ab gibt es kein Halten mehr. Ob mit vollkommen bekloppten Ansagen von Front-Chaot Heavy Kevy, der nur mit Shorts bekleidet über die Bühne springt, oder allerlei Gimmicks wie Spongebob-Masken, Riesen-Joints aus Styropor oder diversen beschriebenen Schildern („Run To The Pit – Mosh For Your Life“ beim entsprechenden Maiden-Cover) – INSANITY ALERT wissen, wie sie ihr Publikum bespaßen müssen. Erste Moshpits und entsprechend lauter Applaus sind der Lohn für die Mühen – denn auch musikalisch geben sich INSANITY ALERT keine Blöße: Zwar ist der rotzig-flotte Metalhead-Skater-Slacker-Style in sehr ähnlicher Ausführung schon von Truppen wie Municipal Waste her bekannt – auf dem Level können die vergleichsweise jungen INSANITY ALERT jedoch schon gut mitspielen.

Gut mitspielen können mittlerweile auch DUST BOLT. Wer aus München kommt und die Thrash-Szene schon einige Zeit verfolgt, kennt die 2006 in Landsberg am Lech gegründete Band zwangsläufig schon von Anbeginn an – war das Backstage doch stets ein Anlaufpunkt für die Nachwuchsband. Nach nunmehr zehn Jahren Bandbestehen hat sich die Truppe auf ein Professionalitätslevel gewuchtet, das sich nicht vor dem großer internationaler Acts unterscheidet. Technische Probleme an der Gitarre? Werden lässig überspielt, kein Problem. Energie auf die Bretter bringen? Ein Kinderspiel. Und auch in Sachen Songwriting sind DUST BOLT mittlerweile soweit, dass sich sogar mal ein bluesiges Solo in einen der ansonsten recht geradlinigen Thrash-Songs verirrt.

Das mittlerweile mehr als gut gefüllte Werk nimmt die Show entsprechend dankbar an. Was fehlt, ist jedoch nach wie vor der Wiedererkennungswert, die Einzigartigkeit – musikalisch, wie auch hinsichtlich der Performance. Was letztere angeht, ist es vor allem Sänger Lenny, dem schlichtweg das Charisma fehlt, das große Frontmänner auszeichnet: Das Publikum zum Mitmachen einladen können viele – sie durch eine bloße Ansage zu packen und mitzureißen hingegen nur die wenigsten.

Auch wenn DUST BOLT darüber vielleicht irgendwann auf ihrem Weg nach oben stolpern könnten – um gut 900 Fans im Backstage Werk zu unterhalten, reicht es bei dem Quartett allemal. Und das muss man auch erst mal schaffen, keine Frage.

Wer das heute noch schaffen wird, und zwar wie bei einem Heimspiel, zeigt sich um kurz vor halb Elf, als die drei Herren von SODOM die Bühne des Backstage Werk betreten: Bereits jetzt schlägt ihnen frenetischer Jubel entgegen. Die Euphorie seitens des Münchner Publikums scheint selbst den alten Hasen Onkel Tom Angelripper zu überraschen: Ungläubig schüttelt dieser ein ums andere Mal den Kopf, wirkt richtiggehend sprachlos angesichts der grandiosen Kulisse, die das Backstage den Ruhrpott-Thrashern bietet. Und deren Show hat es in sich: Zur Feier des 35-jährigen Bandjubiläums zaubern SODOM ein Hit-Feuerwerk auf die Bühne, das sich sehen lassen kann: Neben fünf Songs vom aktuellen Werk „Decision Day“ bieten SODOM den Fans bei ihrer ersten Headliner-Show in der bayerischen Landeshauptstadt seit elf Jahren einen Strauß bunter Thrash-Riffs aus dreieinhalb Dekaden.

Ob alte Kracher wie „Proselytism Real“ („Obsessed By Cruelty“), „Nuclear Winter“ („Persecution Mania“), „Blasphemer“ und „Outbreak Of Evil“ („In The Sign Of Evil“) oder ganze vier Nummern von „Agent Orange“ – Oldschool-Fans kommen heute definitiv auf ihre Kosten. Doch auch die restliche Diskographie bekommt in den über anderthalb Stunden, die SODOM ihre Fans beglücken, genug Raum: „M-16“, „City Of God“, „In War And Pieces“ … ein Hit folgt hier auf den nächsten. Was will man mehr? Am Ende ist es jedoch gar nicht mal die Setlist, die der Show ihren Reiz verleiht – sondern die Spielfreude, mit der sich Angelripper, Bernemann und Drummer Makka durch ihr Set rocken: So viel Elan würde man sich von mancher jungen Band bisweilen wünschen!

  1. In Retribution
  2. In War And Pieces
  3. Sodomy And Lust
  4. Surfin‘ Bird / The Saw Is The Law
  5. Outbreak Of Evil
  6. M-16
  7. Sacred Warpath
  8. Agent Orange
  9. Stigmatized
  10. Caligula
  11. City Of God
  12. Tired And Red
  13. Blood Lions
  14. Blasphemer
  15. Proselytism Real
  16. Nuclear Winter
  17. Rolling Thunder
  18. Remember The Fallen
  19. Bombenhagel
  20. Ausgebombt

Ein Metal-Event an Weihnachten? In München kein Problem. Dass nach zunächst schleppendem Vorverkauf schlussendlich fast 1000 Metalheads zusammenkommen, um SODOM, DUST BOLT, UNLIGHT, INSANITY ALERT und BATTLECREEK zu feiern, scheint dann dennoch alle Beteiligten zu überraschen: War das Backstage Werk zunächst seitlich abgehängt, fällt auch dieser Vorhang im Verlauf der Show, um dem Besucherandrang Platz zu schaffen. Man kann es nicht anders sagen: Spätestens an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag scheint die Metal-Gemeinde lieber betrunken im Circlepit mit Gleichgesinnten denn statt besinnlich im Kreise der Familie zu feiern.

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2 Kommentare zu “Metallic X-Mas 2016 (Sodom, Dust Bolt & Support)

    1. Danke für den Hinweis! Wir haben die Setlist direkt von den auf der Bühne ausgelegten übernommen. Evtl. war dieser Song eine ungeplante Zugabe.

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