Konzertbericht: Misþyrming w/ Darvaza

24.09.2019 München, Backstage (Club)

Auf 120.000 Einwohner in Reykjavik kommen derzeit rund 50 Black Metal-Bands – von denen über 30 nach 2009 gegründet wurden. Mit anderen Worten: In Island liegt Black Metal voll im Trend. Denn damit kommt auf 2.400 Einwohner eine Band. Zum Vergleich: In Deutschland kommen wir auf eine aktive Black-Metal-Band pro 50.000 Einwohner. [1] Dennoch sind 50 Bands nicht viel und könnten locker in der Masse an Musik, die heute verfügbar ist untergehen. Doch wohl nicht zuletzt, weil Island gerade „in“ ist, gilt isländischem Black Metal der Hype der Stunde. Fast täglich schwappen neue sonderzeichengespickte Namen über das Nordmeer und treffen hierzulande den Geist der Zeit. So auch MISÞYRMING, die nun gemeinsam mit DARVAZA und einer Support-Band auf Tour gehen.

Den Anfang macht um Schlag Acht besagte Support-Band: Auftrainierte Oberkörper, Ketten als Gitarrengurte und Blut als Corpsepaint: Martialisch ist der Look, aber auch die stumpfe Musik zwischen Black Metal und Crust. Wäre soweit alles ganz nett – würde sich die Band nicht direkt selbst ins Abseits stellen. Mit lächerlichem „Zorn“ über zu wenig Publikumsreaktion im für einen Dienstag eigentlich schon gut gefüllten Club, vor allem aber einem Tattoo der nationalsozialistischen „Schwarzen Sonne“ auf dem Ellenbogen des Gitarristen.

Mit DARVAZA folgt ein kleines Phänomen des Black-Metal-Underground: Obwohl die Band erst 2015 gegründet wurde und bislang lediglich drei EPs veröffentlicht hat, hat sich bereits ein gewisser Kult um das norwegisch-italienische Duo gebildet: Ein Boxset mit allen drei EPs war in kürzester Zeit ausverkauft, und dass der Backstage Club heute so gut gefüllt ist, dürfte nicht zuletzt an DARVAZA liegen. Ganz unbekannt sind die Beteiligten schließlich auch nicht: Während Songwriter und Gitarrist  Omega (alias Thorns) bei Blut aus Nord trommelt, handelt es sich bei Sänger Wraath um den Gitarristen von Behexen sowie Fronter der viel zu schnell wieder aufgelösten One Tail, One Head. Von den beiden letztgenannten sind DARVAZA auch musikalisch gar nicht so weit weg: Geboten wird dreckiger, straighter Black Metal mit allem, was man dafür braucht: Corpsepaint, choralen Gesängen (zumindest in einem Einspieler) und erneut: schlechter Laune. Auch DARVAZA wirken mit der Publikumsreaktion nämlich alles andere als zufrieden, wenngleich der Club bis in den letzten Winkel gefüllt ist und nur die ersten Reihen etwas weniger dicht besetzt sind. Auch die Reaktionen der Zuhörer sind angemessen: Etwas Bahnbrechendes, das Jubelstürme und Ekstase erzwingt, bieten DARVAZA nämlich nicht – immerhin aber „gute Hausmannskost“.

  1. A Hanging Sword
  2. Derelict of Passion
  3. Towards the Darkest Mystery
  4. The Barren Earth
  5. Fearless Unfeard He Slept
  6. The Silver Chalice

Um 22:10 Uhr sind schließlich MISÞYRMING an der Reihe. Optisch mit schlichten hellen Hemden, Corpsepaint und Blut gleichermaßen traditionell wie um Individualität bemüht, bleibt die musikalische Darbietung über fast eine halbe Stunde lang kaum zu beurteilen: Der höhenlastige Gitarrensound geht vor allem für die vorderen Reihen komplett im viel zu lauten Bass-Schlagzeug-„Lärm“ unter, Riffs oder gar Melodien erkennt hier bestenfalls, wer die Studioversionen der Songs auswendig kennt. Das ändert sich erst nach über der Hälfte des Sets und einem Gastauftritt von Darvaza-Fronter Wraath, bei dem er zunächst Schnaps an die Band verteilt, um sodann den Gesang bei „Allt Sem Eitt Sinn Blómstraði“ zu übernehmen. Wenngleich die Band ihre zahlreichen Fans augenscheinlich zufrieden stellt, wird dem unvoreingenommenen Hörer zumindest unter den gegebenen Umständen nicht gleich klar, was die Faszination an MISÞYRMING ausmacht: Dagur Gíslasons Gesang ist so wenig markant wie sein in Sachen Bühnenpräsenz und Charisma äußerst blasses Auftreten. Und auch die Songs – soweit vernehmbar – sind zwar in sich stimmig, jedoch wenig dynamisch und arm an Abwechslung oder Überraschungen.

  1. Orgia
  2. Með Svipur Á lofti
  3. Ísland, Steingelda Krummaskuð
  4. Söngur Heiftar
  5. Allt Sem Eitt Sinn Blómstraði
  6. … Af þjáningu Og þrá
  7. Alsæla
  8. Algleymi
  9. Ég Byggði Dyr Í Eyðimörkinni

True Black Metal muss heute nicht mehr automatisch aus Norwegen oder Schweden kommen – auch Bands wie Svartidaudi oder eben MISÞYRMING können in diesem Genre getrost mitspielen. Doch wie schwer es ist, mit straightem Black Metal aus der breiten Masse herauszustechen, zeigt der heutige Abend: Zwar agieren sowohl DARVAZA als auch MISÞYRMING auf hohem Niveau – die neuen Marduk oder Watain hat man hier und heute aber wohl nicht gesehen.

[1] gemäß den aktuellen Zahlen auf Metal-Archives.com / Wikipedia.org

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