Konzertbericht: Parkway Drive w/ Thy Art Is Murder, The Amity Affliction

20.09.2025 München, Olympiahalle

Wir befinden uns im Jahr 2025 am Tag des Oktoberfest-Anstichs. Ganz München ist von Wiesngängern besetzt … Ganz München? Nein! In der Olympiahalle leisten gut 10.000 unbeugsame Metal-Fans dem Trachten-Wahn Widerstand. Und zwar mit ihrer ganz eigenen Feierlichkeit: PARKWAY DRIVE feiern 20-jähriges Jubiläum, und haben zu diesem Anlass nicht nur mit THE AMITY AFFLICTION und THY ART IS MURDER zwei namhafte Bands des modernen Metal aus Australien mitgebracht, sondern auch ein echtes Geburtstags-Set. Doch dazu später mehr …

Zunächst müssen die Fans – immerhin bei sommerlichen Temperaturen – eine satte Verzögerung beim Einlass hinnehmen. Für alle, die es bereits in die Halle geschafft haben, ist darum solidarisches Warten angesagt: Damit niemand eine ganze Band verpasst (und niemand vor leerer Halle spielen muss), wird kurzerhand der Konzertbeginn um 40 Minuten nach hinten verschoben.

THE AMITY AFFLICTION 2025 in MünchenUm 18:40 Uhr dürfen THE AMITY AFFLICTION dann endlich ran. Die Band startet auch gleich ansatzlos mit „Pittsburgh“ in das Set – Zeit für ein Intro wollen die Australier offensichtlich ebenso wenig verschwenden wie für Ansagen. So geht es quasi wie am Fließband durch das den Umständen geschuldet etwas kürzere 30-Minuten-Set. Dabei kommt zwar, wie im modernen Metal üblich, viel vom Band – dass die Show wirklich fett klingt, liegt aber vor allem daran, dass AMITY AFFLICTION in anständiger Lautstärke aufspielen dürfen. Das ist – gerade in der Olympiahalle – keine Selbstverständlichkeit: Nur allzu oft werden hier Vorbands mit einem Bruchteil der PA-Leistung abgekanzelt und schon dadurch dem Unmut der Konzertbesucher zum Fraß vorgeworfen. Statt Unmut bekommen THE AMITY AFFLICTION wohlwollenden Applaus: Überraschungen hat das Quartett zwar nicht im Programm – zumal der Klargesang des erst kürzlich eingestiegenen Sängers/Bassisten Jonathan Reeves die Band leider merklich in Richtung generischem Metalcore rückt. Bei nur 30 Minuten bleibt aber schlicht keine Zeit für Langeweile.

  1. Pittsburgh
  2. Like Love
  3. All That I Remember
  4. All My Friends Are Dead
  5. Death’s Hand
  6. It’s Hell Down Here
  7. Soak Me In Bleach

Undankbar ist unterdessen der Aufbau: Aufgrund der Satellitenbühne des Headliners mitsamt Freiraum für den Steg zur Hauptbühne ist nahezu der gesamte Bereich vor ebendieser für das Publikum gesperrt: Die Fans des „Golden Circle“ können nur seitlich der Bühne beziehungsweise um den Satelliten herum stehen.

THY ART IS MURDER 2025 in MünchenDas betrifft natürlich ebenso auch THY ART IS MURDER. Dass das Quintett auf der Bühne allerdings auch nur denselben schmalen Bereich nutzen darf wie THE AMITY AFFLICTION, überrascht dann doch etwas. Große Sprünge sind da – wortwörtlich – nicht drin: Für mehr als ein paar grelle LED-Säulen ist kein Platz. Entsprechend bleibt die Show optisch vergleichsweise unspektakulär. Musikalisch hingegen räumen THY ART IS MURDER mit ihrem brutalen Deathcore ordentlich durch. Auch das Publikum stellt der Aufbau vor Probleme: Den geforderten (und bei den massiven Breakdowns durchaus angebrachten) „big Circlepit“ kann es im durch Mischpult-Bereich (FOH), Wellenbrecher und Satellitenbühne zerteilten Innenraum rein aus Platzgründen nicht geben. So reicht es nur zu immer wieder vereinzelt aufbrandenden Mini-Pits – davon phasenweise jedoch bis zu fünf. Viel Zeit zum Warmlaufen bekommen die Fans allerdings nicht: Bedingt durch den verzögerten Beginn bleibt auch THY ART IS MURDER heute nur eine halbe Stunde statt 40 Minuten für ihre brachiale Abrissarbeit.

  1. Blood Throne
  2. Death Squad Anthem
  3. Join Me In Armageddon
  4. Slaves Beyond Death
  5. Holy War
  6. Keres
  7. Puppet Master

PARKWAY DRIVE 2025 in MünchenDass die Pausenmusik mitunter lauthals mitgesungen wird, deutet bereits vor Showstart auf gute Stimmung hin – wer daran noch Zweifel hatte, wird von dem Jubel zum Schweigen gebracht, der aufbrandet, als das Licht in der Halle erlischt und – passend zum Anlass – ein Geburtstagsvideo mit Sequenzen aus der Bandhistorie über die Leinwände flimmert. Wer nun erwartet, dass mit einem Knall der Vorhang fällt, wird von PARKWAY DRIVE zum ersten (aber wohl nicht letzten) Mal am heutigen Abend überrascht: Geleitet von einer beachtlichen Flagge suchen sich die Musiker mit Entourage händeschüttelnd ihren Weg vom hintersten Hallenende bis zur Satellitenbühne und zahlen damit bereits ordentlich Punkte auf ihr Sympathiekonto ein. Dort angekommen gibt es, ganz puristisch und auf engstem Raum, „Carrion“ vom zweiten Album „Horizons“ (2007) und das vergleichsweise neue „Prey“ („Reverence“, 2018). Ein geschickter Zug, lassen PARKWAY DRIVE die oft seelenlose Olympiahalle mit ihren weitläufigen Rängen so bereits zum Showbeginn auf die Größe einer intimen Clubshow zusammenschrumpfen: der beste denkbare Einstieg für eine Jubiläumsshow, die auch im weiteren Verlauf nicht an Superlativen spart.

PARKWAY DRIVE 2025 in MünchenSicherlich: Mit dem Maß an Pathos und Theatralik, mit dem PARKWAY DRIVE ihre Performance garnieren, muss man klarkommen. Immer wieder liefern Tänzer:innen Showeinlagen, ein Streicherensemble untermalt „Chronos“, mal regnet es von der Decke, öfter noch brennt es an allen Ecken und Enden – und auch das Bühnenbild selbst ist nichts weniger als imposant. Und doch wirkt nichts davon, als wäre hier nur hirnlos Budget verballert worden. Jeder Effekt in dieser aufwendigen Inszenierung wirkt bis ins letzte Detail durchdacht und perfekt auf die Songs und ihre Atmosphäre abgestimmt. Dass PARKWAY DRIVE in „Crushed“ dann die halbe Bühne abfackeln, Drummer Ben Gordon samt Drumkit während des Solos um 360° (vertikal) drehen und Sänger Winston McCall in luftiger Höhe auf der Brücke schwebt, die wie ein Raumschiff in alle Richtungen feuert, ist nicht nur das Grande Finale einer Produktion der Superlative, sondern nichts weniger als eine überaus gelungene Machtdemonstration.

PARKWAY DRIVE 2025 in MünchenWäre die ganze Show so aufgezogen, es wäre nach spätestens einer Stunde langweilig. Doch PARKWAY DRIVE wissen um die richtige Dosierung – und bieten ihren Fans neben der großen Show tatsächlich auch die zweite für eine große Rockshow unerlässliche Zutat – die großen Gefühle: Nicht nur mit dem Showeinstieg geben sich die Stars der australischen Szene nahbar wie nur wenig Bands ihrer Größe: Auch in den Ansagen, wenn sie für „Boneyards“ Sänger Joel von THE AMITY AFFLICTION und Andy Marsh von THY ART IS MURDER an der Gitarre auf die Bühne holen, oder wenn McCall auf einmal mitten im Publikum steht und zum Auge des Circle-Pit-Wirbelsturms wird, ehe er zur Bühne zurück crowdsurft, werden PARKWAY DRIVE mit Sympathiepunkten überschüttet wie Numerobis mit Münzen. Da macht es dann auch gar nicht so viel, dass bei der Feuerzeug(Handylicht-)Hymne „Darker Still“ nicht nur das Publikum kräftig daneben liegt.

PARKWAY DRIVE 2025 in München
PARKWAY DRIVE 2025 in München
  1. Carrion
  2. Prey
  3. Glitch
  4. Sacred
  5. Vice Grip
  6. Boneyards
  7. Horizons
  8. Cemetery Bloom
  9. The Void
  10. Wishing Wells
  11. Killing-With-A-Smile-Album-Medley
  12. Dark Days
  13. Idols And Anchors
  14. Soundscape
  15. Chronos
  16. Darker Still
  17. Bottom Feeder
  18. Drum Solo/Crushed
  19. Wild Eyes

PARKWAY DRIVE sind für ihre opulenten Produktionen bekannt. Und tatsächlich stellt diese Show so ziemlich alles in den Schatten, was man im Metal bislang zu sehen bekommen hat. Dass das Publikum auf den Rängen schon nach wenigen Songs größtenteils steht (und stehen bleibt) und dass die gut zweistündige Show zu keiner Zeit langweilig wird, hat sicher auch damit zu tun – aber eben nicht nur. PARKWAY DRIVE gelingt es, als Band nicht hinter den Effekten zu verschwinden: durch eine starke Performance, vor allem jedoch durch ihr nahbares und glaubhaft dankbares Auftreten.

Das nämlich ziehen PARKWAY DRIVE konsequent durch, vom Handshake-Einlauf zu Beginn bis zur Dankes-Rede am Ende, bei der Winston McCall niemanden vergisst: nicht die Tänzer:innen und das Streicherensemble, nicht die Vorbands und natürlich nicht ihre Fans, die diese Band vom östlichsten Zipfel Australiens entgegen jeder Wahrscheinlichkeit zu einer Größe der weltweiten Metal-Szene gemacht haben. Viel mehr noch: Dass Australien heute zu den führenden Export-Ländern von Metalcore/Deathcore zählt, wie das rein australische Billing dieser Tour eindrucksvoll unterstreicht, ist untrennbar mit der Karriere von PARKWAY DRIVE verbunden. 

PARKWAY DRIVE 2025 in München
PARKWAY DRIVE 2025 in München

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