Festivalbericht: Ragnarök Festival 2019

26.04.2019 - 27.04.2019 Stadthalle Lichtenfels

Ein grauer, vernieselter Apriltag im oberfränkischen Lichtenfels. Aus den kleinen Gässchen der historischen Altstadt ziehen Gruppen schwarz bis mittelalterlich gekleideter Menschen der Stadthalle entgegen. Denn dort wartet ein Wochenende zwischen nordischen Sagenwelten, Metseligkeit und metallener Tonkunst. Das RAGNARÖK FESTIVAL lädt im Jahr 2019 zu seiner 16. Auflage. Doch die Nornen scheinen es mit der Veranstaltung diesmal nicht gut gemeint zu haben: Zuerst sagt THE SPIRIT den Auftritt ab, dann beschließt die Belegschaft einer skandinavischen Airline zu streiken, was Absagen von NAGLFAR und GOD DETHRONED nach sich zieht. Die Jungs von SKELETONWITCH kommen erst mit einem Tag Verspätung an. Schließlich fällt krankheitsbedingt auch noch der Auftritt von XIV DARK CENTURIES aus. Dass das Festival dennoch ohne viele Klagen über die Bühne geht, spricht sicherlich für die Professionalität der Veranstalter, denen hierfür großer Respekt gebührt.

Freitag, 27. April

 

Die Position des Openers mit den Steampunk-Metallern von ATLAS PAIN zu besetzen, ist ein kluger Schachzug. Die eher fröhliche, keyboardlastige Musik der Italiener erinnert stark an Größen wie Ensiferum oder Equilibrium und trifft damit offensichtlich den Geschmack vieler Ragnarök-Besucher. Darauf lässt sich auch angesichts der stattlichen Besucherzahl schließen, die sich zu früher Stunde bereits vor der Bühne befindet. Abgesehen vielleicht von der Steampunk-Attitüde ist an diesen melodischen Klängen wenig originell. Zum Einschwingen der Trinkhörner eignen sich die glatten, schunkelseligen Songs mit Filmscore-Anleihen allerdings vortrefflich. Sympathiepunkte gibt’s für das Elvis-Mikro des Frontmanns. [NS]

Mit der zweiten Band des diesjährigen Line-Ups kommen diejenigen, die auf launige Trinklieder-Stimmung aus sind, sehr früh auf ihre Kosten – theoretisch jedenfalls. In der konkreten Umsetzung gelingt es MIDVINTERBLOT aus Schweden jedoch nur teilweise, die Zuhörer mitzureißen. Der Folk-Metal, den die Gruppe auf der Bühne zelebriert, ruft zwar förmlich danach, Becher und Trinkhörner in die Lüfte zu heben, stellt sich nach ein paar Songs jedoch als sehr generisch und schon gefühlt tausendmal gehört heraus. Kaum ein Klischee des Genres bleibt unangetastet, und dass im Sound die Gitarren ziemlich unter den Folk-Melodien untergehen, macht die Sache nicht besser. Die Hörerschaft scheint das ähnlich zu sehen: Obwohl sich zu diesem frühen Zeitpunkt schon reichlich Publikum vor der Bühne versammelt hat, wird nur in den vordersten Reihen oder unter gewissem Alkoholeinfluss wirklich abgegangen. Der Fairness halber sei jedoch erwähnt, dass es das eine oder andere Mitglied wegen des Airline-Streiks nicht nach Lichtenfels geschafft hat und die Gruppe somit in abgespeckter Besetzung auf der Bühne steht.

Da läuft es für die dritte Band des ersten Festival-Tages wesentlich besser: NOTHGARD, die bereits in ihren frühen Jahren als Pagan-Metal-Band auf dem Ragnarök Festival aufgetreten sind, kehren nun als eine inzwischen durchaus namhafte Melodic-Death-Metal-Truppe zurück. Das dargebotene Material legt den Fokus deutlich auf das aktuelle Album „Malady X“, sodass sich Kenner der Band über den großartigen Titelsong als Konzerteinstieg sowie Nummern wie „Guardians Of Sanity“ oder „Fall Of An Empire“ freuen dürfen. Selbstverständlich nehmen sich NOTHGARD aber auch Zeit für einen Klassiker wie „Age Of Pandora“. Der Auftritt profitiert nicht nur von der stimmigen Songauswahl, sondern auch von einem guten Sound und einer sichtlich spielfreudigen Band. Die Hörer sind begeistert und danken es der Gruppe mit einem ausgiebigen Circle Pit. [PW]

Mit einem Nebelscheinwerfer bewehrt betritt nun Alboin von EIS die Bühne. In kaltem Licht und Bühnennebel stehend lässt der Frontmann die roten Strahlen des Seefahrts-Utensils durch die Stadthalle streifen. Als Bühnen-Deko dient außerdem ein großes Steuerrad. Es ist ein Moment, auf den nicht wenige Freunde deutschsprachigen Black Metals sehnsüchtig gewartet haben dürften. Schließlich hat die Band angekündigt, nach dem Ragnarök Festival auf unbestimmte Zeit zu pausieren. Vorher stehen jedoch erst zwei Shows in Lichtenfels an. An Tag eins steht das EIS-Konzert ganz im Zeichen des Albums „Galeere„, das – damals noch unter dem Namen Geist veröffentlicht – nun zehn Jahre alt geworden ist. „Das hier ist eine einmalige Geschichte“, betont Alboin. „In frühestens zehn Jahren machen wir den Scheiß wieder.“ Von „Scheiß“ im Wortsinn kann angesichts der heutigen Show jedoch keine Rede sein. Zwar bewegen sich die Live-Versionen der Songs nah am Album, doch ist der Band die Leidenschaft für die alten Nummern vom ersten Ton an bis zum letzten deutlich anzumerken. Der Sound kommt herrlich transparent aus den Boxen, was in der Lichtenfelser Stadthalle keine Selbstverständlichkeit ist. So bleibt genügend Raum für die elegischen, beinahe seufzenden Lead-Gitarren, die den Zuhörern nur so um die Ohren perlen. Selbst das Akkordeon in „Einen Winter auf See“ kommt nicht vom Band, sondern live und handgemacht. Bei dieser stürmischen Fahrt auf rauen Wogen der Gefühle sind Gänsehaut-Momente garantiert. Das hätte man sich gerne in näherer Zukunft noch einmal angesehen.

 


Mit geballter Leidenschaft geht es auf der Bühne nebenan gleich weiter: Abermals in kaltem, blauem Licht legen AGRYPNIE los und machen keine Gefangenen. Als erster Song steht mit „Der tote Trakt“ gleich ein Klassiker auf der Setlist, den mancher textsicher mitzubrüllen vermag. Dazu gibt es Propeller-Banging auf und vor der Bühne zu sehen. Auch der mutmaßlich erste Crowdsurfer des Tages bahnt sich einen Weg über die Köpfe. Stark! Dass danach viel Material vom neuesten Album „Grenzgänger“ folgt, dürfte hingegen nicht jedem gefallen. Auch wenn es gegen emotional-intensive Nummern wie den Titelsong, „Die längste Nacht“ oder „Zu Grabe“ eigentlich nichts auszusetzen gibt. Eine mehr als überzeugende Show – vorausgesetzt man findet das neueste Material der Gruppe dufte. [NS]

Nun heißt es durchatmen und innehalten, wenn die österreichischen Post-Black-Metaller HARAKIRI FOR THE SKY die Bühne betreten und Melancholie in die Stadthalle zaubern. Die recht große Zuschauerzahl macht deutlich, dass sich die Live-Shows der Gruppe, die nicht zum ersten Mal beim Ragnarök Festival auftritt, einer großen Popularität erfreuen. Und auch dieser Auftritt verdeutlicht einmal mehr, warum: Die besondere Atmosphäre, die die Jungs von HARAKIRI FOR THE SKY nicht nur durch ihre Musik, sondern auch ihre Präsenz ausstrahlen, wird augenblicklich greifbar. Hierzu trägt das stoische Vorgehen von Sänger J.J. abermals einen großen Teil bei. Er kommt auf die Bühne, spielt die Songs mit seiner Band und verschwindet wieder. Ansagen zwischen den Nummern oder sonstigen Kontakt zum Publikum sucht man vergebens, ist aber für die Band auch gar nicht notwendig, um die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Zu hören bekommt man sowohl Songs vom aktuellen Album „Arson“ als auch ältere Nummern, wodurch auch hier neue und alte Fans vollends auf ihre Kosten kommen. [PW]

Wieder in nordische Gefilde entführen die Mannen von BORKNAGAR als einer der heutigen Headliner die Zuhörer. Zwar fragt man sich als Besucher, der während des ersten Songs die Halle betritt, angesichts der Tatsache, dass mancher Musiker etwas konfus an seinem Mikroständer herumlaviert, ob etwa noch der Soundcheck im Gange sei. Doch nein, der Auftritt läuft bereits und entfaltet auch bald seine Magie. Schließlich spielen die Norweger nicht einfach nur schnöden Pagan-Black-Metal, sondern haben progressiv-ausladende Epen am Start. Die Arcturus-Frontdiva ICS Vortex schwingt sich dabei am Mikro in höchste Höhen wie ein junger Gott und tänzelt dabei kokett auf der Stelle wie eine Operetten-Chanteuse. Muss man nicht mögen, kann man aber – wie der Autor – auch durchaus charismatisch finden. Zumal das Motörhead-Longsleeve den Sänger und Bassisten auch wieder erdet. Dass mit Vintersorg ein wichtiger Vokalist diesmal nicht mit an Bord ist, fällt da kaum ins Gewicht. So manchen Methorn-Schwinger mag der psychedelische Trip auf halluzinatorischen Drachenbooten etwas ratlos zurücklassen. Doch das zeigt letztlich nur, dass BORKNAGAR den vielen nordischen Partybands entscheidende künstlerische Werte voraus haben: Ernsthaftigkeit und musikalischen Anspruch, der übers Headbangen hinaus zum Entdecken einlädt.

Die ganz große Geste steht erwartungsgemäß beim Auftritt der niederländischen Symphonic-Black-Metaller CARACH ANGREN im Mittelpunkt, die zu später Stunde unterhaltsames Horrorkino auf der Ragnarök-Bühne zelebrieren. Die reine schwarzmetallische Lehre ist das sicher nicht, doch verhält es sich hier wie mit einem Blockbuster im Vergleich zu einem Arthouse-Film: Ist sicher vergleichsweise leichte Kost und soll in erster Linie eingängige Unterhaltung bieten, tut das jedoch vortrefflich. Wobei der Entertainment-Aspekt hier auch aus der konsequenten Überinszenierung der Musiker erwächst, die einem nicht selten ein Lachen abringt. Nicht nur stehen alle Musiker mit pandahaftem Corpsepaint auf der Bühne; Frontmann Seregor stolziert zudem mit einem zur Sense erweiterten Mikroständer bewehrt und in einen schwarzem Mantel gekleidet umher wie ein untoter viktorianischer Lord. Keyboarder und Gitarrist fahren dann und wann mit Hebevorrichtungen in die Höhe – ein dramaturgisches Konzept dahinter erschließt sich nicht. Und das Keyboard selbst steht auf einem beweglichen Ständer, der es scheinbar von selbst in Schräglage versetzt, sodass Ardek den beinahe kopfüber spielenden Virtuosen mimen kann. Im Song „Blood Queen“ schneidet der Fronter einer Puppe mit Corpsepaint die Kehle durch, woraufhin sich ein Schwall von Kunstblut über ihren Körper ergießt. Natürlich lässt Seregor es sich nicht nehmen, danach an der besudelten Vagina zu lecken. Dabei hätte die Musik derlei Popanz noch nicht einmal nötig, um zu überwältigen: Nummern wie „In De Naam Van De Duivel“, „The Funerary Dirge Of A Violinist“ oder „Bitte tötet mich“ wissen den Schwarzmetaller ohne Scheu vor Goten-Kitsch allein schon mit ihren ausgefeilten orchestralen Arrangements zu überwältigen. Danach ist um 24 Uhr jedoch erstmal Schicht im Schacht. Denn einen Ersatz für die aufgrund des Airline-Streiks verspäteten Jungs von SKELETONWITCH zu finden, ist in der Kürze der Zeit nicht mehr gelungen. „Wir können euch leider nichts mehr bieten“, verkündet Veranstalter Ivo Raab, der nach der Show von CARACH ANGREN kurzerhand nochmal das Mikro ergreift. Egal. Dann geht die Party eben auf dem Campground weiter. [NS]

 

Samstag, 28. April

 

Folkig beginnt der Samstag mit einem Auftritt der Coburger von MUNARHEIM, die in Lichtenfels beinahe ein Heimspiel geben. Dabei hinterlassen die Musiker einen positiven Eindruck. Trotz sinfonischer Samples kommen viele epische Melodien live von Flöte und Akustikgitarre. Damit wirkt die Musik des sympathischen Haufens deutlich basischer und erdverbundener als das bei manch ähnlich gelagerter Combo der Fall ist. Die bereits zur Mittagsstunde beachtliche Zuschauermenge quittiert das mit reichlich in die Höhe gereckten Pommesgabeln.

Daraufhin verkörpern die Jungs von FIRTAN die ruppigere Seite des Ragnarök-Line-Ups: Spätestens mit ihrem neuesten Werk „Okeanos“ haben sich die Baden-Württemberger mit ihrem technisch und lyrisch ambitionierten, aber niemals glattgebügelten Black Metal in die Oberliga der deutschen Schwarzmetall-Szene gespielt. Und so bekommen die Genre-Freunde, die bereits ihren Weg in die Halle gefunden haben, auch eine Show geboten, die kaum Wünsche offen lässt. Neben neuerem Material wie „Tag verweil“, „Nacht verweil“ und „Siebente letzte Einsamkeit“ steht mit „Wogen der Trauer“ auch ein altbekannter Fan-Liebling auf dem Programm. Die große Leistung der Band, die ihrem Publikum mit vermeintlich rußgeschwärzten Gesichtern gegenüber tritt, besteht dabei darin, dass sie das oft sperrige, vielschichtige Material stets tight und zugleich atmosphärisch einnehmend präsentiert.

Wenige Überraschungen und viel Haut: Das sind DALRIADA. Die ungarischen Folk-Metaller treiben es mit der klanggewordenen Süßlichkeit recht weit. Dabei setzt die Gruppe auffallend auf die optischen Reize ihrer Frontfrau (die ihren Job an sich jedoch nicht schlecht macht) und lassen den Folk-Anteil vom Band kommen. Bei weiten Teilen des Publikums kommt das gar nicht schlecht an, ist aber nach deutschen Maßstäben in seiner Schunkelseligkeit fast schon schlager’esk.

Über die Musik der Mannen von ASH OF ASHES, die heute zum ersten Mal zusammen auf der Bühne stehen, lässt sich das nicht behaupten: Die Gruppe um Markus Skroch alias Skaldir setzt in etwa dort an, wo die Vorgängerband Hel im Jahr 2012 aufgehört hat. Zu hören gibt es epischen Pagan Metal mit großen Melodien, der klingt wie eine zahmere Variante der nordisch geprägten Bathory-Alben. Dabei ist „zahm“ absolut nicht negativ gemeint, denn der oft schleppend-doomige Charakter der Musik verschiebt deren Fokus weg von plakativer Schwertschwingerei hin zu verträumt-innerlichem Kopfkino. Eine sehr reife Interpretation des Genres, zu der auch die eher zurückhaltende Art des Frontmanns hervorragend passt, dessen erhabene Clean-Vocals dem Gesamtprodukt die Krone aufsetzen. Gelegentliche Screams des Bassisten bringen ein harsches Element und somit Abwechslung mit ein. Bleibt zu hoffen, dass man in Zukunft noch einiges hören wird von ASH OF ASHES. [NS]

Als nächstes ist eine Band an der Reihe, deren Auftritt so eigentlich gar nicht geplant war. Anstelle von XIV Dark Centuries, die ihren Gig aus gesundheitlichen Gründen absagen mussten, übernehmen die ebenso aus Thüringen kommenden Pagan-Black-Metaller GERNOTSHAGEN kurzerhand den Slot. Einer derartigen Bereitschaft zur Spontaneität gebührt in jedem Fall Respekt, den die Zuhörer der Gruppe in Form von Applaus und Zurufen entgegenbringen. Doch nicht nur das Einspringen für die Kollegen von XIV Dark Centuries, sondern auch der Auftritt an sich stellt sich als lobenswert heraus – auch trotz des Umstandes, dass GERNOTSHAGEN, wahrscheinlich angesichts der Umstände, vollkommen in zivil und nicht wie sonst üblich kostümiert auftreten. Das verleiht der rundum gelungenen Show etwas Familiäres. Ein besonderes Highlight ist der von der Hörerschaft lautstark begrüßte Ausklang mit dem Band-Klassiker „Schlachtenbruder“.

Das Ragnarök Festival bleibt nach diesem nicht vorgesehenen, aber lohnenswerten Auftritt weiterhin bei deutschem Black Metal mit Pagan-Wurzeln. Die Rede ist von MINAS MORGUL, die zum ersten Mal seit 2016 beim Festival auftreten – mit ihrem noch relativ neuen und prominenten Sänger Robse Dahn (Equilibrium, Mallevs Maleficarvm). Doch obwohl die Musiker ausnahmslos überzeugend performen und die hohe Gewichtung älterer Songs in der Setlist an sich einen schönen Zug darstellt, will es mit der Stimmung nicht so recht klappen. Am ehesten liegt es am ungewohnten Bild, Robse Dahn als Sänger von MINAS MORGUL auf der Bühne zu sehen, der technisch zwar vollauf überzeugt, sich bisher aber nur eingeschränkt stimmig ins Klangbild der Band einfügt. Der Funke scheint jedenfalls nicht großflächig auf das Publikum überzuspringen, dessen Resonanz eher verhalten bleibt. Daran ändert auch die Darbietung eines Klassikers wie „Todesschwadron Ost“ nichts. Schade!

Dieses kleine Defizit macht der nächste Auftritt allerdings spielend wieder wett. Mit ihrem Auftritt auf dem Ragnarök Festival betreten die Finnen MORS PRINCIPIUM EST Neuland in ihrer Bandgeschichte, fügen sich aber von der ersten bis zur letzten Minute des Gigs problemlos in das Line-Up ein und werden von einer stattlichen Zuschauermenge auch entsprechend gefeiert. Wer auf melancholischen Melodic Death Metal mit starker Göteborger Note aus ist, kommt hier vollends auf seine Kosten. Dabei ist es unerheblich, ob MORS PRINCIPIUM EST Material ihres aktuellen Albums „Embers Of A Dying World“ oder ältere Songs vortragen. Den Zuhörern gefällt es sichtlich und auch die Gruppe selbst gibt sich durch und durch gut aufgelegt, motiviert und spielfreudig. Für Fans des Genres stellt der Festival-Einstand der Gruppe somit nach dem Auftritt von Nothgard am Vortag einen weiteren Höhepunkt dar, an dem kaum jemand etwas auszusetzen haben dürfte. [PW]

Nun ist die Zeit gekommen, erst einmal Abschied zu nehmen von EIS. Mit ihrer „Interglacial Farewell Show“ gelingt es der Gruppe, den Gänsehautfaktor der „Galeere“-Show vom Vortag nochmals zu steigern. Alboin kommt mit einer Laterne auf die Bühne. „Wir sind EIS und wir spielen unser vorläufig letztes Konzert heute Abend“, heißt es nach dem ersten Song. Zu hören gibt es einen gelungenen Querschnitt durch das Schaffen der Band. Neben Nummern vom bislang neuesten Album „Bannstein“ aus dem Jahr 2015 (der Titelsong und  „Ein letztes Menetekel“) geht die Reise teils weit in die Vergangenheit. Mit „Winters Schwingenschlag“ ist sogar eine Nummer vom Debüt „Patina“ (2005) am Start. So mancher schwingt zu dieser ausladenden, emotional packenden Black-Metal-Ballade sein Feuerzeug. In seiner Ansage zu „Einst war es Wein“ („Kainsmal„, 2006), einer Nummer über das Gefühl, dass früher alles besser war, geht Alboin auf die Zukunft von EIS ein. „Manchmal braucht man im Leben eine Pause“, erklärt er. Dem lässt der Musiker jedoch tröstende Worte folgen: „Wir lösen uns nicht auf!“ Eine Botschaft, die die Fans mit frenetischem Jubel aufnehmen. Alboin hat sichtlich feuchte Augen und kommentiert: „Das ist ein unglaubliches Gefühl.“ Auf ihrer Facebook-Seite wird die Band später von der „emotionalsten Show, die wir je gespielt haben“ schreiben. Im Song „Kainsmal“, der laut Alboin ausdrückt, „was diese Band für uns bedeutet“, darf Ex-Sänger Cypher D. Rex noch einmal das Mikro ergreifen und setzt mit seinem raueren Organ einen interessanten Kontrast. Während des letzten Songs „Stillstand und Heimkehr“ von der gleichnamigen aktuellen EP hat schließlich auch mancher Zuschauer ein Tränchen in den Augen. „Ich möchte wandern, weit über das Nebelmeer. Fort von den Menschen. Stillstand und Heimkehr.“ Und Alboin löscht die Laterne. [NS]

 

Die kurze Verschnaufpause nach dem für unbestimmte Zeit letzten Eis-Konzert sollte nun dringend genutzt werden, um Becher und Hörner wieder mit Bier und Met zu befüllen und sich in Wikingerfelle zu hüllen, denn nun kehrt das Ragnarök Festival musikalisch erst einmal zu der Sparte zurück, die mit dem Namen assoziiert wird: Pagan Metal in Reinform. Da könnte es kaum passender sein, dass HEIDEVOLK aus den Niederlanden angereist sind – nicht zum ersten Mal und in Topform. Mit reichlich Songs aus der aktuellen und bei den Zuhörern sichtlich beliebten Platte „Vuur Van Verzet“, aber auch genügend älteren Stücken und Klassikern im Gepäck sorgen HEIDEVOLK zum einen dafür, dass keine der 50 Minuten ihres Auftritts langweilig wird, zum anderen, dass sowohl neuere als auch langjährige Hörer auf ihre Kosten kommen. Die Zuschauermenge feiert somit sowohl bei neuen Stücken wie „Ontwaakt“ oder der absoluten Live-Hymne „A Wolf In My Heart“ als auch bei älteren Hits wie „Ostara“ mit, wobei sich die Stimmung gegen Ende des Auftritts in einem gut besuchten Circle Pit entlädt. Gründe, sich auszutoben, gibt es aber auch genug: Wer bisher dachte, dass der für die Band typische zweistimmige Gesang nur auf Platte gut funktioniert, dürfte erstaunt sein, wie hervorragend die Sänger Lars Vogel und Jacco de Wijs live miteinander harmonieren. Besondere Highlights des rundum hervorragenden Gigs sind die atmosphärische A-capella-Nummer „Yngwaz‘ Zonen“ vom neuen Album, die dort wie hier in die Headbanger-Hymne „Britannia“ mündet, der ewige Klassiker „Saksenland“ und das Normaal-Cover „Vulgaris Magistralis“, das den Auftritt stimmig beendet.

Was nun folgt, ist hinsichtlich Atmosphäre, Bühnenbild und Darbietung ohne Übertreibung der Höhepunkt des diesjährigen Festivals. Zum wiederholten Male treten die russischen Pagan-Folk-Metaller ARKONA auf dem Festival auf, doch der diesjährige Gig dürfte zu den stärksten gehören, die die Gruppe bisher auf dem Ragnarök abgeliefert hat. Schon die Kutten, in die die Musiker gehüllt sind, und die Bühnengestaltung machen deutlich, dass es sich bei ARKONA nicht in erster Linie um eine Trinkgelage-Schunkel-Romantik-Band handelt und auch der eigentliche Auftritt verdeutlicht, wie ernst es der Gruppe mit ihrer Musik ist. Bei nicht vielen Bands entsteht so sehr der Eindruck, dass die Musiker sich in das, was sie spielen, derart intensiv hineinfühlen und es mit so viel Herzblut darbieten. Das verdient großes Lob! Um den Gig vollends auszukosten, ist es von Vorteil, mit dem Material des aktuellen Albums „Khram“ vertraut zu sein, räumt die Setlist diesem doch viel Platz ein. So ist es auch möglich, das großartige, facettenreiche und über eine Viertelstunde lange „Tseluya Zhizn'“ in seiner Live-Version vollends auszukosten. Doch auch denjenigen der zahlreichen Zuhörer, der die Songs noch nicht kennt, dürfte der Auftritt problemlos mitreißen, was nicht zuletzt an der hypnotischen, fast schon besessenen Ausstrahlung der Frontfrau Masha „Scream“ Archipowa liegt. Sowohl ihre namensgebenden gutturalen Vocals als auch ihren stimmigen Klargesang bringt sie live hervorragend zum Ausdruck. Schon alleine wenn sie im Intro „Mantra“ zu Trommelschlägen mit an Gollum erinnernder Stimme ins Mikrofon röchelt, läuft es auch dem gestandenen Metaller eiskalt den Rücken hinab. Eine Wirkung, die bis zum Ende der großartigen Show nicht mehr nachlässt und auch darüber hinaus nachwirkt. Wenn ein Gig das bewirkt, hat die Band alles richtig gemacht. So bleibt zu hoffen, dass sich ARKONA bald wieder auf dem Ragnarök Festival sehen lassen werden.

Viel Zeit, das Erlebte sacken zu lassen, bleibt dem Hörer jedoch nicht, denn mit TÝR von den Färöer Inseln steht schon der nächste große Punkt auf dem Programm, für den sich abermals eine große Zuhörerschaft vor der Bühne versammelt. Im direkten Vergleich zu Arkona ist der Auftritt von TÝR bedeutend spartanischer und man möchte fast sagen: bodenständiger – jedoch keineswegs misslungen, im Gegenteil. Trotz des neuen Albums „Hel„, dem mit live dargebotenen Songs wie „Gates Of Hel“ oder „Sunset Shore“ Tribut gezollt wird, haben die Färinger genug ältere Nummern dabei. Damit stellt sich die Songauswahl als gelungener Querschnitt der bisherigen Diskographie heraus, in der es reichlich Platz für Klassiker wie „Hall Of Freedom“ und natürlich „Hold The Heathen Hammer High“ gibt. All zu viele Worte verliert Sänger Heri Joensen zwischen den Songs nicht an das Publikum, was aber auch gar nicht nötig ist, um dieses in den Bann des Auftritts zu ziehen. Das einzige Manko ist beim nicht vollauf gelungenen Sound zu finden, in dem zumindest rechts vorne vor der Bühne das Schlagzeug viel zu laut abgemischt ist und Gitarre und Gesang sich dafür oftmals leider nur erahnen lassen.

Nach den zwei doch eher seriösen Acts Arkona und Týr bringen die finnischen Pagan-Folk-Metaller ENSIFERUM insofern etwas Abwechslung in diesen Kurs, als sie tendenziell in erster Linie die Fraktion bedienen, die zum stimmungsvollen und launigen Feiern angereist ist. Und das sind sichtlich nicht wenige, werden ENSIFERUM doch von einer großen Menge an Zuschauern erwartet, die es nicht einfach macht, sich noch einen Platz in den vorderen Reihen zu sichern. Wer das Ragnarök schon öfter besucht hat, hat möglicherweise auch schon einmal einen Gig der Finnen erlebt, die nicht gänzlich neu auf dem Festival sind. Und wer weiß, was ihn erwartet, wird weder wirklich enttäuscht, noch überrascht: Routiniert ziehen die Finnen ihren Stiefel durch und haben sichtlich Spaß an dem, was sie tun, und auch die Zuschauer freuen sich über neue Hits wie „For Those About To Fight For Metal“ und ältere Klassiker wie „From Afar“. Gerade dem neuen Material wird viel Raum zur Entfaltung gegeben, sodass auch Nummern wie „Two Of Spades“ dargeboten werden, bei denen es insbesondere für Fans der Frühwerke schwer sein dürfte, sich wirklich auf diesen Stil einzulassen. Das macht alles schon irgendwie Laune, droht aber auch den Umstand zu überdecken, dass die Finnen auch viel ernster zu nehmende und durchaus atmosphärische Songs im Gepäck haben, von denen der eine oder andere mehr der Auswahl sicher gut getan hätte. Was am Ende bleibt, ist ein handelsüblicher ENSIFERUM-Gig nach Dienstplan, kompetent dargeboten und durchaus spaßig, der sich aber auch arg typisch für die Band anfühlt. [PW]Nach dieser geballten Ladung Pagan gibt es mit SKELETONWITCH nun wieder Kontrastprogramm. Hätten die Black-Thrasher aus Ohio eigentlich bereits den Freitag beenden sollen, so übernehmen sie nun den Slot von NAGLFAR, die es aufgrund des Airline-Streiks nicht nach Lichtenfels zum Ragnarök Festival geschafft haben. Leider haben bereits viele Besucher die Halle nach dem Tagesheadliner Ensiferum verlassen, was der Qualität des Auftritts der US-Amerikaner nicht gerecht wird, die mit betont schwarzwurzeligen Klängen in ihr Set starten. Frontmann Adam Clemans macht dabei gesanglich sowohl bei den reiferen, gesetzteren Nummern des neuesten Albums „Devouring Radiant Light“ eine gute Figur als auch bei ungestümerem, älterem Material wie „Beyond The Permafrost“. Auch optisch ist er der Fixpunkt der Show – ganz in schwarzes Leder gekleidet, mit Revenge-Shirt und Rockstar-Posen samt Fuß auf der Monitorbox. Ein höchst energiegeladener Auftritt vor einem schon etwas müden Publikum.

Den Schlusspunkt setzen darf diesmal DORNENREICH. Die Österreicher haben ihre Besetzung, die zuletzt aus Vocals, Gitarre, Geige und Schlagzeug bestand, um Eklatanz, bekannt von Heretoir, an Bass und Clean-Gesang erweitert. So ist es nun möglich, die Stücke von „Her von welken Nächten“ und „Hexenwind“ live wieder so darzubieten, wie sie einst ihren Weg auf Tonträger fanden. Eine schöne Erfahrung für den Fan, die liebgewonnenen Clean-Gesänge nicht mehr missen zu müssen. Dabei reicht Eklatanz allerdings in Sachen Ausdruckskraft und Stimmgewalt nicht ganz an Valñes heran, der ursprünglich für diese Parts verantwortlich zeichnete. Doch natürlich ist es niemals leicht, einen Sänger zu ersetzen und Eklatanz gewinnt von Lied zu Lied an Souveränität und Selbstvertrauen. Das Set beginnt gewagt mit der elektrisch verstärkten Variante der dynamisch sehr kontrastreichen „In-Luft-geritzt„-Nummer „Jagd“. Doch mit „Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz“, „Eigenwach“, „Der Hexe flammend Blick“, „Leben lechzend Herzgeflüster“ und „Wer hat Angst vor Einsamkeit?“ folgen sogleich viel bejubelte Klassiker. Im Instrumentalstück „Erst deine Träne löscht den Brand“ ist Gelegenheit, die Augen zu schließen und einfach zu schwelgen, ehe es in „Trauerbrandung“ die letzten Kraftreserven zu mobilisieren gilt. Manch einer kann den kathartischen Text von der ersten bis zur letzten Zeile mitbrüllen. „Ich trinke Tränen, ich schöpfe Kraft.“ [NS]

Schlussendlich nahmen die Veränderungen im Line-Up der Veranstaltung nichts von ihrer Qualität. Die aufgetretenen Gruppen spielten größtenteils zur vollen Zufriedenheit der Besucher und die Auswahl der Bands orientierte sich gefühlt wieder mehr an den Wurzeln des Festivals als bei der letztjährigen Auflage. Dennoch ist es dem Veranstalter erneut gelungen, verschiedene Geschmäcker anzusprechen. Hinsichtlich Organisation, Verköstigungen und Möglichkeiten, sein Geld in Musik, Merchandise oder Wikinger-Fanartikel zu investieren, blieben ebenfalls keine Wünsche offen. Lichtshow und Sound wussten zu beeindrucken. Einzig die Tatsache, dass besonders am ersten Festivaltag die Soundchecks der jeweils nächsten Band den noch laufenden Auftritt in recht hoher Lautstärke störten, bleibt als Wermutstropfen im Gedächtnis. Und so ist es durchaus legitim festzuhalten, dass die die 16. Auflage des Ragnarök Festivals trotz des regnerischen Wetters alles andere als ins Wasser gefallen ist. [PW, NS]

 

 

 

Publiziert am von Pascal Weber und Nico Schwappacher

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