Konzertbericht: Rammstein

28.05.2017 Prag, Eden Arena

Gerade erst feierte ihr Konzertfilm „Paris“ in groß inszenierten, exklusiven Kinoaufführungen Premiere – nun begeben sich RAMMSTEIN auf eine kurze Europatour. Während die Band in Deutschland nur im Rahmen des Zwillingsfestivals Rock im Park und Rock am Ring auftritt, machen die Berliner am 28. und 29. Mai für gleich zwei Shows in der Prager Eden-Arena halt. Die Nähe zur Heimat, die schier unstillbare Nachfrage nach Tickets und die Tatsache, dass diese für die Shows in der tschechischen Hauptstadt merklich billiger sind als man es aus Deutschland gewohnt ist, sorgt allerdings dafür, dass RAMMSTEIN auch in der tschechischen Hauptstadt vor einem zu nicht unwesentlichen Teilen deutschen Publikum spielen.

Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt – vor die heutige Rammstein-Show den Auftritt von KURTIZÁNY Z 25. AVENUE. Dem seit 16:00 Uhr bei Temperaturen um die 30 Grad auf der abgedeckten Rasenfläche des Stadions ausharrenden Publikum wird damit einiges abverlangt. Dass die Formation mit ihren immerhin 28 Jahren Bandgeschichte eine lokale Größe sein soll, ist angesichts des Auftritts der Prager nämlich nur schwer zu glauben. So haben KURTIZÁNY Z 25. AVENUE eine derart simple, ideenlose Spielart des Alternative / Nu Metal im Programm, dass man sich doch fragt, wer sich davon 2017 noch begeistern lässt – die mehr als mageren Publikumsreaktionen beantworten diese Frage kurz und schmerzlos mit „niemand“. So kommen Zuschauer und Band während ihres 45minütigen Dates auf keinen gemeinsamen Nenner – für angeheizte Stimmung im Stadion sorgen KURTIZÁNY Z 25. AVENUE jedenfalls nicht.

Das ist jedoch auch gar nicht nötig, wie sich um 20:20 Uhr zeigt, als endlich ein einminütiger Count-Down über die Anzeigentafel und in den letzten 10 Sekunden auch über den Bühnenvorhang flimmert: Die Spannung, mit der die deutsche Vorzeige-Rockband erwartet wird, ist greifbar.

Diese Spannung direkt in Euphorie umschlagen zu lassen, gelingt RAMMSTEIN heute jedoch nicht: Wie schon bei den letzten Shows eröffnen die Berliner den Reigen mit „Ramm 4“, einem neuen Song, dessen Text sich aus wohlbekannten RAMMSTEIN-Phrasen sowie dem Refrain „Ja, Nein, Rammstein“ zusammensetzt. Mag die Nummer in ihrer auch musikalisch kaum zu überbietenden Primitivität noch so ironisch gemeint sein – die Opener-Qualitäten, die ein Brecher wie das „Rammlied“ mitbringt, hat „Ramm 4“ einfach nicht. Dass RAMMSTEIN direkt darauf das eher schleppende „Reise, Reise“ sowie das vergleichsweise unbekannte „Hallelujah“ nachschieben, sorgt nicht unbedingt dafür, dass die Show direkt in Fahrt kommt – zumal die ersten Pyro-Effekte am noch hellen Abendhimmel recht wirkungslos verpuffen.

Je länger der Abend jedoch dauert und je dunkler es wird, desto mehr entfaltet der vor Showeffekten nur so strotzende Auftritt seine Strahlkraft: Unmengen Pyrotechnik, ein stimmiger Sound und immer mehr Hits sorgen auch heute für den legendären Entertainment-Faktor einer RAMMSTEIN-Show: Flammenwerfer, bengalische Feuer und Knall-Effekte, monströse Feuerbälle, die von der Stadionmitte aus in den nächtlichen Himmel schießen, ein Till Lindemann, der sich zum Abschluss des Songs „Zerstören“ mit einer „Sprengstoff-Weste“ selbst in die Luft jagt und ein Flake, der zu „Ich tu dir weh“ mit Funken und Böllern übergossen wird – mehr Show geht nicht.

Während das noch immer aktuelle Album „Liebe ist für alle da“ mit nur einem Song („Ich tu dir weh“) überraschend schwach vertreten ist, liegt der Fokus des Sets klar auf dem Über-Album „Mutter“ von dem es stolze sechs Songs ins Programm schaffen. Doch neben den erwartbaren Krachern wie „Links 2-3-4“, „Ich Will“ oder „Du hast“ haben sich RAMMSTEIN auch die eine oder andere Überraschung einfallen lassen: Mit „Seemann“ im Set hätten heute wohl nur die wenigsten gerechnet – gleiches gilt für die bereits erwähnte B-Seite „Hallelujah“ und das Depeche-Mode-Cover „Stripped“, das Till wie in der Studioversion im Lindemannschen Denglisch darbietet.

Beeindruckend sind dafür die Deutschkenntnisse des Publikums, das – obwohl sicher nicht in der Überzahl deutschsprachig – quasi alle Songs lautstark mitsingt. Bei „Du hast“ scheinen davon selbst die Musiker so beeindruckt, dass sie sich über die Länge der Mitsing-Passage uneins sind: Vier Takte lang passiert peinlich wenig, ehe Gitarrist Richard Kruspe schließlich sein Solo einschiebt. Dass das selbst Vollprofis wie RAMMSTEIN in ihrer von vorne bis hinten durchchoreographierten Show noch passiert, macht die Band nur sympathischer.

Nach einer Zugabe, bestehend aus „Sonne“, „Amerika“ und dem finalen „Engel“, zu dem Till Lindemann mit stählernen und – natürlich – feuersprühend Engelsflügeln in die Höhe gezogen wird, endet der Auftritt schließlich pünktlich um 21:50 Uhr – aus Lärmschutzgründen müssen Veranstaltungen in der sehr zentral in der Stadt gelegenen Eden Arena spätestens um 22:00 enden.

Mag die Länge des Auftritts mit 17 Songs in exakt 90 Minuten auch – nicht zuletzt im direkten Vergleich mit dem 20-Song-Set der letzten Tour – nicht gerade üppig bemessen sein, so gibt es heute dennoch keinen Grund zur Klage: RAMMSTEIN bieten auch 2017 ein schlichtweg einmaliges Showkonzept, das, gepaart mit der unverkennbaren, packenden Musik der Truppe jederzeit die Investition in ein Konzertticket rechtfertigt.

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Fotos von: Aris Tzikas (Gastredakteur)

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