Konzertbericht: Riverside w/ Pure Reason Revolution & Jolly

2010-04-24 Oberhausen, Turbinenhalle

„Prog-Rock-Festival No. 1“ – ein wahrhaft unscheinbarer Titel für einen Konzertabend mit drei hochkarätigen Bands der internationalen Artrock-Szene: Die polnischen Senkrechtstarter RIVERSIDE waren als Hauptact angekündigt, doch zuvor gab es mit PURE REASON REVOLUTION aus Großbritannien und JOLLY aus den USA „Vorgruppen“, die ebenfalls einiges hermachten.

JOLLY

Die Combo aus New York machte um etwa 19:20 Uhr den Anfang, und der war sprichwörtlich schwer: Vor den ersten Songs ihrer Setlist fielen regelmäßig die Keyboards von Tastenmann Joe Reilly aus. Kein guter Start für eine Band, die mit „46:12“ erst ein Album veröffentlicht hat und sich hierzulande noch beweisen muss. Aber die Jungs gehen professionell und geschickt mit der Situation um: Bassist Mike Rudin fordert das versammelte Publikum mit den Worten „The keyboards are powered by claps!“ zum Klatschen auf und die Band hat schneller als gedacht schon die Sympathien der versammelten Musikliebhaber inne. Es dürften etwa 500 Seelen gewesen sein, die sich an diesem Abend in der Turbinenhalle einfanden. Damit war diese zwar maximal zu einem Viertel gefüllt, aber das tat der Stimmung am gesamten Abend keinen Abbruch. JOLLY beschreiben sich selbst als „dark, ambient, epic rock“ und damit liegen sie eigentlich auch ziemlich richtig. Atmosphärische Keyboardteppische verknüpfen sich mit harten Gitarren und komplexen Rhythmen; es wird eine düstere Atmosphäre gezaubert, die von dem melancholischen Vocals von Sänger und Gitarrist Anadale noch unterstrichen wird. Mit seinen dunkel geschminkten Augen passt er eher ins Gothic-Genre; seine Gesangsleistung ist dennoch sehr ordentlich. In dem etwa 45-minütigen Set bringt die Band nicht nur Songs ihres Debüts unter, sondern präsentiert auch Material ihres Zweitlings, an dem sie gerade arbeitet. Nach dem letzten Track „Where Everything’s Perfect“ bleiben vor allem zwei Eindrücke: Eine sehr passende und ordentliche Vorband für RIVERSIDE, die vor allem mit ihrem starken Schlagzeuger Louis Abramson überzeugen konnte.

Setlist Jolly:
– Escape From DS-3
– Still A Dream
– Story Time
– Ends Where It Begins
– Renfaire
– The Pattern
– Downstream
– Where Everything’s Perfect

PURE REASON REVOLUTION

Nach einer sehr kurzen Umbauphase betritt das nächste Quartett die Bühne: PURE REASON REVOLUTION spielten eine sehr gut abgestimmte Setlist, die sowohl ihr atmosphärisch-progressives Meisterwerk “The Dark Third” als auch das modern-elektronische Nachfolgealbum “Amor Vincit Omnia” berücksichtigt. Obwohl die Songs der beiden Alben nicht unterschiedlicher sein könnten, ergeben sie doch ein packendes und homogenes Konzerterlebnis. Spätestens beim dritten Song, der wummernden “Hit-Single” “Deus Ex Machina” fangen auch die letzten Besucher an sich zu der dynamischen, stark rhythmusbetonten Musik zu bewegen. Die Stimmung ist phantastisch, beinahe so phantastisch wie der grandiose Gesang von Jon Courtney und seiner weiblichen, äußerst hübschen Gegenspielerin Chloe Alper, den man einfach selbst erlebt haben muss. Nach dem bereits zum Klassiker heranwachsenden Longtrack “Arrival/The Intention Craft” hinterlässt die Band ein Publikum, das deutlich nach einer Zugabe ruft, diese aber nicht bekommt. Sehr schade, denn soetwas fällt später wieder auf die Band zurück. Nach gut 50 Minuten war also Schluss, obwohl Publikum und Band mehr verdient hätten. Bleibt zu hoffen, dass die Band schnell wieder nach Deutschland kommt, nachdem sie ihr neues, drittes Studiowerk veröffentlicht hat, an dem sie gerade arbeitet und das noch dieses Jahr erscheinen soll. Die Visitenkarte, die sie hier in Oberhausen abgegeben hat, konnte sich mehr als sehen lassen.

Setlist Pure Reason Revolution:
– In Aurelia
– Borgens Vor
– Deus Ex Machina
– Victorious Cupid
– TheTwyncyn/Trembling Willows
– The Bright Ambassadors Of Morning
– AVO
– Arrival/The Intention Craft

RIVERSIDE

Der Rest des Abends gehörte der momentan angesagtesten Progband aus Polen: Marius Duda (Gesang, Bass), Piotr Grudzinski (Gitarre), Piotr Kozieradzki (Schlagzeug) und Michal Lapaj (Keyboards) eröffneten das Konzert mit dem Opener ihres aktuellen Albums „Anno Domini High Definition“ und konnten sich der Begeisterung des Publikum sofort sicher sein. Sie spielten – über die Setlist verteilt – alle Songs ihres letzten Werkes. Highlights davon waren sicherlich „Egoist Hedonist“ und – vor allem – das mitreißende „Left Out“, das mit grandiosen Gesangsmelodien gesegnet ist. RIVERSIDE sind eine absolut professionelle Liveband, die selbstbewusst und ehrlich bei der Sache ist. Balladen wie „Conceiving You“ oder das straight rockende „Rainbow Box“ werden zu Mitsinggaranten. Selbst als auch bei RIVERSIDE in der Zugabe das Keyboard ausfällt, bleibt die Band bodenständig und hat alles unter Kontrolle: Nur den guten Technikern ist es zu verdanken, dass die vier Jungs ihr atmosphärisch-synthetisches „02 Panic Room“ nicht mit der Hammondorgel darbieten müssen. Eigentlich fast schade, denn das hätte sicher sehr ungewöhnlich und interessant geklungen. Sonstige Auffälligkeiten: Die Haare von Keyboarder Michael Lapaj werden immer länger und der Zugabenblock immer kürzer. Kamen die Herren einst in Essen noch drei mal für je eine Zugabe raus, musste diesmal ein (auch noch vergleichsweise kurzer) Song reichen. Etwa 95 Minuten Spielzeit kamen zusammen, was doch weniger als gewohnt war. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich hierbei um ein kleines „Festival“ handelte, aber sicher in Ordnung und zu verschmerzen. Viel schlimmer ist, dass die Band nicht einen einzigen Song ihres grandiosen Debüts zum Besten gab. Ein „The Same River“ oder ein „Loose Heart“ hätte sich in der Setlist sicher sehr gut gemacht. Abgesehen davon gilt aber nach wie vor: RIVERSIDE live sind eine Bank und absolut jedem Progrock-Fan zu empfehlen.

Setlist Riverside:
– Hyperactive
– Driven To Destruction
– Cybernetic Pillow
– Egoist Hedonist
– Conceiving You
– Parasomnia
– Lucid Dream IV
– Rainbow Box
– Left Out
– Dance With The Shadow
– Hybrid Times
– O2 Panic Room

Fazit

Ein toller Abend, von dem es hoffentlich im nächsten Jahr unter dem Banner „Prog-Rock-Festival No. 2“ (oder vielleicht auch unter einem etwas spannenderen Titel) eine Neuauflage mit anderem Lineup gibt. Der Veranstalter hat dies zumindest angekündigt. Definitiv noch verbesserungswürdig war an einigen Stellen der Sound: Bei allen drei Bands war er anfangs zu leise, so dass man kaum das Gefühl hatte, richtig mitzugehen; im Verlauf der Shows wurde der Pegel dann hochgefahren, worunter aber die Transparenz des Sounds litt. So waren bei JOLLY oftmals die Gitarren zu leise, bei Pure Reason Revolution die Bassgitarre quasi nicht zu vernehmen. Bei Riverside konnte man die filigranen Schlagzeugspielereien von Piotr Kozieradzki nicht immer gut heraushören. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau; glücklicherweise war die Musik aller Bands so gut, dass die leichten Soundeinbußen kaum ins Gewicht fallen.

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