Konzertbericht: Saga w/ Deep Trip

2009-05-09 Bonn, Brückenforum


Rasend schnelle Unisono-Läufe auf Gitarre und Keyboard, straightes und druckvolles Schlagzeugspiel vom neuen Drummer Chris Sutherland und dazu einfache, aber effektive Bassarbeit. Ganze fünf Minuten Hochgeschwindigkeits-Frickelei (fast) ohne Pause. Von Rob Moratti, dem neuen Sänger der kanadischen Melodic Progger SAGA, ist zunächst keine Spur. Seine Bandkollegen beweisen währenddessen Mut und eröffnen die Show im Bonner Brückenforum mit dem komplexesten und für die Band sicher ungewöhnlichsten Stück auf dem neuen Album, dem Titeltrack „The Human Condition“.

Als am Ende des Stücks Rob Moratti die Bühne betritt und der Schlagzeugbeat des Klassikers „The Flyer“ von 1983 ertönt, ist das Publikum sogleich hellwach. Die fünf Herren wissen ganz genau, wie man ein neues Bandmitglied präsentiert und schieben sofort den nächsten Hit, „Wind Him Up“, hinterher. Die Stimmung der schätzungsweise 800 zahlenden Gäste ist hervorragend und das erste Eis gebrochen. Der „Neue“ macht seine Aufgabe gut, kann wirklich singen. Er wirkt zu Beginn des Abends noch etwas zurückhaltend und zögerlich, doch das ändert sich schon nach wenigen Songs. Rob Moratti versucht gar nicht erst, eine Michael Sadler-Kopie zu sein und in dessen Fußstapfen zu treten – er interpretiert die Songs stilsicher und mit persönlicher Note, ohne das Zampano-Image und die ausladenden Gesten seines Vorgängers, dafür mit typisch amerikanischer Freundlichkeit. Er ist der zuvorkommende Kumpel von nebenan und auch seine Bandkollegen scheinen ihn zu schätzen. Ihre Gesichter strahlen, die Crichton-Brüder wirken gelöster als früher und gerade Gitarrist Ian Crichton präsentiert sich bewegungsfreudiger als zuvor. SAGA sind wieder eine Einheit und die Abwesenheit eines so charakteristischen Frontmanns wie Michael Sadler macht erst klar, wie sehr die Liveshows der Band in den letzten Jahren von Michaels leicht theatralischer Bühnenshow eingenommen wurden.

Viele Fans werden diese in Zukunft vermissen und der Magie vergangener Tage nachtrauern. Für wen SAGA jedoch mehr ist, als ein Michael Sadler mit Begleitband, der dürfte an diesem 09. Mai erkannt haben, dass die Band noch einiges zu sagen hat. Pflicht-Songs wie „Humble Stance“ (dieses Mal natürlich mit Jim Crichton am Bass), „You’re Not Alone“ oder „Don’t Be Late“ gelangen ebenso brilliant wie neueres Songmaterial, von dem es mehr als zuvor zu hören gab. Insbesondere „On The Air“ vom 2004er „Network“-Album ist ein Highlight, denn es bricht aus den bandtypischen Songschema aus, um progressivere Fährten aufzusuchen. Verzichten mussten die Fans dieses Mal auf ein Schlagzeugsolo und Jim Gilmours beinahe schon traditionelles Keyboardsolo vor ’seinem‘ Song „Scratching The Surface“. Dieser wurde dafür erstmals seit vielen Jahren wieder in voller Bandbesetzung mit elektronischem Schlagzeug gespielt.

Neben dem Titelstück wählten die Kanadier die Songs „Crown Of Thorns“, „Step Inside“ und „You Look Good To Me“, um ihr neues Studiowerk zu bewerben. Mit Ausnahme des letztgenannten eine gute Wahl; dafür hätte gerne „Avalon“ auf die Setlist wandern dürfen. Interessanterweise schien Rob Moratti hier unsicherer zu sein, als bei den alten Tracks. Im Zugabenblock landete das gigantische „It Never Ends“ vom Sadler-Abschiedsalbum „10.000 Days“, das eigentlich schon auf der letzten Tour hätte gespielt werden müssen. Den letzten Gassenhauer hob sich der Fünfer aber bis ganz zum Schluss auf: „On The Loose“ beendete unter lautem Gesang des Publikums ein grandioses Konzert, bei der Band und Zuschauer gleichermaßen Spaß hatten.


Dieser fiel mit gerade einmal 90 Minuten allerdings recht kurz aus. Da sind die Fans aus der Vergangenheit mehr gewöhnt. Aber da man eine einfache und dennoch sehr effektive und geschmackvolle Lightshow und einer ordentliche Vorgruppe im Gepäck hatte, gibt es hier nicht wirklich etwas zu meckern. Die Funktion des Anheizers übernahmen die Schweizer Deep Trip, die mit einer gelungenen Mischung aus bodenständigen Rockriffs und klassischen Passagen, dargeboten mit Cello, Kontrabass und Geige, aufspielten. Der Vergleich zu Apocalyptica drängt sich auf, ist aber nicht ganz zutreffend.


Fazit: Ein rundum gelungener Abend, der beweist, dass SAGA noch lange nicht zum alten Eisen gehören.

Setlist:
– Human Condition
– The Flyer
– Wind Him Up
– You Were Right
– On the Air
– Book of Lies
– Careful Where You Step
– Crown of Thorns
– Step Inside
– Humble Stance
– Scratching the Surface
– You Look Good to Me
– Don’t Be Late
– You’re Not Alone
——————————–
– It Never Ends
– On the Loose

Bilder: Jürgen Beckmann

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