Konzertbericht: Saga w/ Phebus

2006-12-01 Boppard, Großsporthalle

Wie heißt es doch immer so schön: Die spontanen Entschlüsse sind oftmals die besten! Und das gilt auch für diesen Konzertabend mit den kanadischen MelodicProggern von SAGA.Spontan bedeutet in diesem Fall: Erst am Vorabend des Konzertes stellte ich fest, dass die „Weltstadt“ Boppard nur 100 Kilometer von mir entfernt in der Nähe von Koblenz liegt. Dort sollten SAGA also in der weltbekannten „Großsporthalle“ auftreten. Soweit, so gut. Tatsächlich wurde das Unmögliche möglich und ihre Plattenfirma InsideOut setzte mich nur fünf Stunden vor Einlass noch auf die Gästeliste. Einen Dank noch mal für dieses Engagement!

Kaum in Boppard – einem kleinen, verhaltenen Örtchen direkt am Rhein – angekommen, ist auch schon die Großsporthalle ausgeschildert. Sie liegt mitten in einem kleinen Wohngebiet. Schon seltsam, wohin es Rockbands auf Weihnachtstouren so verschlagen kann! Die Halle selbst ist dann, wie der Name schon sagt, tatsächlich nichts anderes als eine große Sporthalle, in der eine Bühne aufgebaut worden ist. Erste Bedenken hatten sich bei mir schon vorher breit gemacht – denn SAGA haben in der Regel nur Spiellaune, wenn genug Zuschauer da sind und die Halle einigermaßen ordentlich ist. Kaum eingetreten, lösen sich diese Bedenken aber in (rauchige!) Luft auf. Es sind schon viele viele Menschenseelen da, die Halle ist zwar viel zu groß, aber dennoch geht die Atmosphäre in Ordnung. Sowohl vor der Bühne, als auch auf den „Tribünenplätzen“ haben sich jede Menge Leute eingefunden.

Punkt 20 Uhr betritt die Schweizer Vorband PHEBUS die Bühne, um die Leute ca. 45 Minuten mit intelligenter und interessanter Popmusik aufzuwärmen. Die Songs bewegen sich größtenteils im Alternative Rock und Britpop-Bereich, erinnern mehr als nur einmal an Coldplay, klingen aber viel moderner und wurden auch mitreißend dargeboten. Der Sound der Jungs war für eine Vorband erstaunlich klar und differenziert, wenn auch viel zu laut. Insgesamt haben PHEBUS einen guten Job gemacht, auch wenn ich mir persönlich die eine oder andere rockigere Nummer gewünscht hätte, damit man etwas mehr auf „Betriebstemperatur“ hätte kommen können.

Nach den Umbauarbeiten geht schließlich wie eigentlich immer bei SAGA um 21:15 das Licht aus und die ersten Introtöne erklingen. Besuchern der „Trust“-Tour im Frühjahr sollten diese überaus bekannt vorkommen. Die Band betritt die Bühne und ich bin mehr als gespannt, was mich denn nun hier erwartet. Ian Crichton hatte ein paar Tage vorher eine Lebensmittelvergiftung, deshalb war wohl insbesondere die Show in Hannover nicht so gelungen gewesen. Michael Sadler sieht mit Haaren mittlerweile schon reichlich ungewohnt und alt aus, zumal ich mir den ganzen Abend über nicht klar war, ob das nun blond oder grau gewesen ist. Ich denke aber, eher letzteres. Die spannendste Frage aber: Wie würde sich der Urdrummer Steve Negus schlagen, der Brian Doerner auf dieser Weihnachtstour ersetzt? Brian hat Rückenprobleme und kann die Tour deshalb nicht spielen, Steve musste die neuen Songs innerhalb eines Tages lernen. Los ging’s nach dem Intro wie erwartet mit dem Doppelpack „Trust“ und „That’s As Far As I’ll Go“, die leider nur wenig überzeugend rüberkamen. Hier fehlte ganz klar Brians furioses, treibendes Drumming als Antrieb für die ganze Band und die zwei Songs. Das Publikum schien ebenso recht zurückhaltend, man konnte es Michael Sadler beinahe im Gesicht ablesen. Doch dann wurde die Riege der Klassiker eröffnet und Michael machte seine berühmten „Wie geht’s euch?“-Spielchen. Damit hatte die Band die Zuschauer schnell auf ihrer Seite, die Stimmung wurde besser, die Leute bewiesen sich im weiteren Verlauf des Konzertes als äußerst textsicher und sangen lautstark mit. Michael Sadler schien es sichtlich Spaß zu machen und er war nach kurzer Zeit sehr gut aufgelegt. Bei „I’m Okay“ sollte es wieder Gesangsunterricht geben, aber da das Publikum überzeugt war, es auch ohne zu können, verzichtete Michael spontan darauf. Auch der Rest der Band war mit Spaß an der Sache dabei, Ian Crichton an der Gitarre dabei Gott sei Dank wieder so fit wie eh und je und auch sehr bewegungsfreudig. Jim Crichton am Bass machte wieder viele seiner Posereien und kam extrem locker rüber, wirkt dadurch aber auch immer ein bisschen wie eine unpersönliche, motorbetriebene Pappfigur. Michael Sadlers Gesangsleistung war über jeden Zweifel erhaben, wenn auch der Sound so laut war, dass seine kraftvolle Stimme durch Mark und Bein ging. Beeindruckend, wie er es immer wieder schafft, so überragend zu singen. Steve Negus am Schlagzeug ist noch ganz der alte Witzbold, sitzt wie immer etwas grobschlächtig und breitbeinig hinter dem sehr kleinen, heute leider komplett akustischen Schlagwerk. Sein verschmitztes Grinsen hat er immer noch drauf, und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er die Jungs nach den Konzerten wieder sehr vermissen wird. Dass er ziemlich Spaß hat, war ihm deutlich anzusehen. Die älteren Songs kamen mit seinem Spiel auch viel überzeugender rüber als die neuen Nummern, er kann es eben immer noch. Dennoch muss ich ganz klar eine Lanze für Brian brechen, der SAGA live einfach noch auf ein ganz anderes Energielevel hebt. Es war also schön, Steve einmal wieder zu sehen, er ist die „Persönlichkeit“, die ich immer noch und auch für alle Zeit mit dem Schlagzeug bei SAGA verbinden werde. Er hat einen guten Job gemacht, wird aber auch selber wissen, warum er irgendwann mit dem Touren und Aufnehmen aufhören wollte. Vermisst habe ich auch ein bisschen seinen typischen E-Drum-Sound, der für mich immer was Besonderes war. Dennoch an dieser Stelle einen großen Dank an Steve! Dafür, dass er so kurzfristig eingesprungen ist, immer noch der „alte Kerl“ ist und vor allem dafür, dass er wohl einen Wunsch vieler SAGA-Fans erfüllt hat. Da ist es auch egal, dass er manchmal etwas daneben lag.

Was die Setlist betrifft, gab es neben den üblichen Charthits „Wind Him Up“, „On The Loose“ und „The Flyer“ auch die Bandklassiker „Don’t Be Late“, „Humble Stance“ und „You’re Not Alone“. Neben diesem „Pflichtprogramm“ gab es aber auch einige tolle Überraschungen, wie z.B. „Ice Nice“ (Gänsehaut!), „Perfectionist“ (ganz große klasse!) oder aber „Times Up“. Auch die Ballade „You And The Night“ vom 1985er Studioalbum „Behaviour“ hatte man zu meiner großen Freude wieder im Gepäck. Dieser Song hatte mir im April schon sehr gut gefallen. Allerdings fehlten auch ganz deutlich einige Songs: „The One“ von „Full Circle“ würde ich gerne mal wieder hören, „We’ll Meet Again“ könnte ruhig statt dem unendlich langweiligen, immer wieder gebrachten „Runaway“ drankommen und mit dem Smash-Hit „It’s Your Life“ vom neuesten Studiowerk „Trust“ hatte ich eigentlich fest gerechnet. Aber vielleicht wäre das mit Steve nur eine relativ große Enttäuschung geworden. Deshalb spielte man ein relativ klassisches Set. Jim Gilmour am Keyboard hält seine wiedererlangte Klasse sowohl was die Fingerfertigkeiten, als auch seine Stimme angeht. Bei „Scratching The Surface“ hatte er das Publikum völlig auf seiner Seite. Allerdings muss ich zugeben, dass mir die Keyboardsounds live neuerdings eine Ecke zu quietschig rüberkommen, da hatte man schon mal bessere Soundfarben im Gepäck. Die Flächensynthies sind zudem so breit und laut, dass sie im Mix die Gitarre und den Bass völlig unterdrücken und es Michael schwer machen, dagegen anzukommen. Eine echte Freude und Überraschung bereitete Band mir und wohl auch vielen anderen Fans mit den zwei fantastischen Zugaben: Hier packte man mit „Back To The Shadows“ endlich den Song aus, der mit Abstand am besten auf der aktuelle Scheibe ist und mir live bei der Sommertour doch deutlich gefehlt hatte. Den endgültigen Schlusspunkt setzte dann der SciFi-Rocker „Careful Where You Step“.

Alles in Allem: Eine routinierte Vorstellung, unter den gegeben Bedingungen eine hervorragende Leistung – die Band und die Zuschauer hatten ihren Spaß. Die Sporthalle passte besser zu SAGA, als ich es anfangs erwartet habe. Und dennoch bleibt festzuhalten: Brian hat gefehlt! Sein Feuer gibt der Band den letzten Kick! Michael, Ian und Brian sind für mich live die Chefdenker und insbesondere in Verbindung mit Brian läuft Ian an der Gitarre zur absoluten Hochform auf! Freuen wir uns also schon mal auf die nächste Tour, dann wieder mit Brian!

Setlist:
– Trust
– That’s As Far As I’ll Go
– Wind Him Up
– Times Up
– Flyer
– Perfectionist
– You’re Not Alone
– Scratching The Surface
– Compromise
– I’m Ok
– Runaway
– You And The Night
– On The Loose
– Ice Nice
– Humble Stance
– Don’t Be Late
——————————————
– Back To The Shadows
– Careful Where You Step

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