Konzertbericht: Swans w/ Larsen & Little Annie

30.05.2013 München, Hansa 39

Swans-Teeth

Es gibt Konzerte, bei denen ein Künstler auf der Bühne steht, mit dem Publikum interagiert, bei dem Musik gespielt wird, das Publikum mitsingt, tanzt, anschließend nach Hause geht und sich denkt: „Das war ein netter Abend.“ Und dann gibt es Konzerte, die nahezu einer Inszenierung gleichkommen, die schon fast so etwas wie Messen darstellen und nach denen man sich erst langsam darüber klar wird, was man da gerade erlebt hat. Sei es die majestätische Größe von Godspeed You! Black Emperor, die Magie von Sigur Rós, die Rock’n’Roll-Maschine Motörhead oder die markerschütternde, nachtschwarze Dronewand von Sunn O))). Eine Band darf in dieser Aufzählung nicht fehlen, geht ihr doch ein Ruf als eine der intensivsten Livebands des Planeten voraus: SWANS. Nach einer langen Pause veröffentlichte die Band 2010 mit „My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky“ ihr Comeback-Album, welchem sie letztes Jahr mit „The Seer“ eine mehr als nur epische Fortsetzung folgen ließ. Nun sind SWANS auf Welttournee und machen auch in München halt. Passend zum zerstörerischen No-Wave/Noise der Band um Mastermind Michael Gira, präsentiert sich das Wetter von seiner kaputtesten Seite, öffnet alle Schleusen und peitscht den Regen auf dem Weg zur Halle mit starkem Wind um die Ohren des Publikums.

Larsen-Little-Annie

Als wir pünktlich zum offiziell angegebenen Konzertbeginn um 21.00 die Halle betreten, ist diese schon mehr als ansehnlich gefüllt und der Support in Form von LARSEN & LITTLE ANNIE steht bereits auf der Bühne. Die italienische Band bekommt auf diesem Konzert Unterstützung von der exzentrischen Musikerin, die dem sphärischen, schleppenden Noise im Geiste von Shellac mit beschwörerischen Formeln, verklärtem Blick, mechanischen Tanzbewegungen und scheppernden Rasseln eine ganz besondere Note verleiht. Leider ist der Auftritt ein paar Minuten nach unserer Ankunft schon vorbei, was auf die falsche Zeitangabe auf der Homepage zurückzuführen ist, da LARSEN & LITTLE ANNIE scheinbar bereits um 20.30 die Bühne betreten haben. Ärgerlich einerseits, andererseits ist ja eigentlich klar, wegen welcher Band man heute hier ist.

Swans
Bereits vor Konzertbeginn ist die Bühne randvoll mit Instrumenten, da neben dem Schlagzeug noch die Percussion-Maschine von Thor Harris, eine Lapsteel-Gitarre und diverse Verstärkerwände auf ihren Einsatz warten. Als die Band die Bühne betritt, ist das Hansa 39 gesteckt voll. Ruhige Töne setzen ein, Michael Gira flüstert mystische Formeln in das Mikrophon, blickt immer wieder auf einen Notenständern mit laminierten Textblättern und nimmt die Halle mit seinem verschrobenen Charme sofort für sich ein, ebenso wie die anderen, sympathischen Bandmitglieder. Nach knapp zehn Minuten Ambient springt Gira auf einmal in die Höhe und zeigt, dass Manowar oder Motörhead bei weitem nicht die unangefochten Meister der Lautstärke sind: Mächtige Crescendi lassen das gesamte Publikum erzittern, die Verstärker pusten Wind aus ihren Röhren und die Show beginnt so richtig. Die Songauswahl zu beschreiben, wäre vergebene Mühe, da die Strukturen der einzelnen Stücke sowieso jeden Abend unterschiedlich sind und in den mächtigen Noisewänden immer wieder Platz für minimalistische Improvisationen ist. Besonders tut sich hierbei Thor Harris hervor: Neben dem zweiten Schlagzeug, welches er immer wieder als Unterstützung und Ergänzung zum „eigentlichen“ Schlagzeug bearbeitet, hämmert er auf Hackbrettern herum, spielt Klarinette und Posaune und verleiht der Musik von SWANS an diesem Abend eine schlicht umwerfende Note.

Nach 90 Minuten erklingen schließlich die ersten „Töne“ (kann man bei einer derartigen Noise- und Rhythmus-Ansammlung ernsthaft noch von Tönen sprechen?) des 30-Minuten-Epos „The Seer“, welcher heute Abend durch verschiedene neue Elemente und kaum enden wollende Crescendi, die von Michael Gira nahezu orchestral dirigiert werden, eine Länge von über 50 Minuten annimmt. Nach gut 2 Stunden verabschiedet sich der Kopf der Band komplett auf Deutsch und stellt seine Mitmusiker unter großen Applaus vor, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er nach einer kurzen Erholungspause am Merch sitzen wird, um Autogramme zu geben und mit den Zuschauern zu sprechen.

Swans-The-SeerSetlist SWANS
01. To Be Kind
02. Just A Little Boy
03. Coward
04. She Loves Us
05. Oxygen
06. The Seer
/ Toussaint Louverture Song

 

 

FAZIT: Der für das Feierwerk doch recht stolze Eintrittspreis von 30€ an der Abendkasse ist im Fall von SWANS mehr als nur gerechtfertigt. Die Band schafft es, trotz ihres Minimalismus über zwei Stunden nicht im Ansatz zu langweilen und kreiert eine Sogwirkung, die niemanden kalt lässt und das Publikum in einen tranceähnlichen Zustand versetzt. Bereits jetzt wurde angekündigt, dass bald eine Live-Platte erscheinen soll sowie ein neues Album aufgenommen werden soll, welches mit den neuen Songs aus dem diesjährigen Liveset zusammengesetzt sein wird. Die Vorfreude ist geschürt.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert