Konzertbericht: Tool

2006-06-08 Düsseldorf, Phillipshalle

Endlich mal wieder hatten TOOL den Weg nach Deutschland gefunden. Nachdem mir das neue Album „10.000 Days“ überraschend gut gefallen hatte, entschied ich mich spontan, doch noch die Show in der Düsseldorfer Phillipshalle anzuschauen. Leider fiel diese Entscheidung erst ca. 1 ½ Wochen nachdem die Show ausverkauft war, Gott sei Dank hatte ich aber dennoch Glück, eine Karte zum Originalpreis zu erstehen.

Mit ein paar Kollegen ging es also dann aus Richtung Bonn / Köln per Bahn nach Düsseldorf, wo wir gegen ca. 17:30, also eine Stunde vor Einlass, an der Phillipshalle ankamen und uns hinter die bereits zahlreich erschienen Leute einreihten.

Nach dem Einlass stärkten wir uns erst mal mit ein bisschen Flüssigkeit, ehe wir unseren guten Sichtplatz in der ca. fünften Reihe einnahmen. Der Bühnenaufbau versprach schon mal eine tolle Show: Zentriert auf der Bühne stand das mächtige Schlagzeug von Danny Carey, rechts der Bass und links die Gitarren, leicht rechts davon versetzt ein irgendwie hilflos dastehendes Keyboard. Im Hintergrund hatte mal vier Leinwände aufbaut, die zusammen ein Halbrund ergaben und zwischen denen noch mal jeweils vier senkrecht angebrachte Scheinwerfer prangten. Es dauerte recht lang, bis es dann endlich los gehen sollte. Gegen 20:10 Uhr ging das Hallenlicht aus und die Band kam unter den Tönen des Intros „Lost Keys“ nach und nach auf die Bühne. Zuletzt natürlich Maynard James Keenan, wie immer skurril aussehend mit einer komischen, roten „Zacken-Haar-Frisur“ und nacktem Oberkörper, sowie einem enorm fetten Gürtel und einem Cowboy-Hut, den er gelegentlich aufsetze. Auf den Leinwände prangte in kleinen Lettern „No Video Signal“, was für manche Anwesenden um mich herum Grund zur Besorgnis zu sein schien – spätestens nachdem man aber bemerkt hatte, dass auf einem Bildschirm die Schrift auf dem Kopf stand, war klar, dass das Absicht war und zur Show gehörte. Man ging dann direkt über in den Opener „Rosetta Stoned“, dem vielleicht komplexesten und unzugänglichsten Song der neuen Platte. Eine gute Nummer, als Opener fand ich den Track jedoch eher ungeeignet. Das lag allerdings vor allem daran, dass Keenan die verzehrten Gesangspassagen durch ein Megaphon oder eine Art Polizei-Funkgerät sang, was zur Folge hatte, dass man rein gar nichts verstand und der Song größtenteils im Soundmatsch endete. Sehr schade. Die Videoscreens waren natürlich auch angeschaltet worden.

Weiter ging es nach einem kurzen Willkommensgruß „Hello Germans! And hello you few dutch people!“ von Keenan mit zwei Songs vom “Aenima”-Album, nämlich “Stinkfist” und „Forty Six & 2“, die live ungemein gut rüberkamen. Mit diesen Songs konnte ich sogleich besser warm werden. Die Stimmung der gut 7000 Menschen, die sich an diesem Abend in der Phillipshalle eingefunden hatten, war gut, aber nicht überragend. Größtenteils standen die Leute recht angewurzelt da, die befürchtete Pog-Action blieb Gott sei Dank aus, allerdings hätte ich schon mit etwas mehr Publikumsbeteiligung in Form von Mitsingen oder auch längerem Applaus gerechnet. Die nächsten drei Nummern bildeten für mich den Höhepunkt des Abends. „Jambi“, der zweite Track vom neuen Album, wusste live ungemein zu überzeugen, hier konnte man sehr gut mitgehen und es kam einfach die magische Stimmung rüber, die ich mir eigentlich vom ganzen Konzert erhofft hatte. Beim dann folgenden Klassiker „Schism“ bewunderte man natürlich vor allem auch die oben erwähnten Videoleinwände, auf denen man neben verschiedenartigen Farbflächen und –Verläufen auch immer mal wieder Videosequenzen und Tool-typische Animationen sehen konnte. Diese unterstützten die recht kühle und sterile Wirkung der Musik und das zurückhaltende, unkommunikative Auftreten der Band perfekt. Mit dem neuen Longtrack „Right In Two“, auf den ich insgeheim gehofft hatte, zelebrierten Tool zumindest meiner Ansicht nach einen ihrer besten Tracks, der in seiner unheimlichen atmosphärischen Dichte, seiner sich immer weiter nach vorn wühlenden Kraft und mit seinen tollen Percussion-Experimenten im Mittelteil Seinesgleichen sucht. Das war eine zehnminütige Gänsehaut und einfach nur absolut himmlisch! Vor dem nächsten Track „Sober“ vom Quasi-Debüt „Undertow“ spielte Schlagzeuger Danny Carey ein kurzes Schlagzeugintro, das absolut überzeugen konnte. Ohne Frage, Carey ist ein Meister seines Faches und für mich der musikalische Mittelpunkt von Tool. Gitarrist Adam Jones spielte die komplette Show über sehr in sich gekehrt und routiniert, ähnliches gilt für Bassist Justin Chancellor. Keenan wusste vor allem durch sein ungewöhnliches Auftreten zu begeistern, seine Gesangsleistungen waren allerdings nur souverän. Es fiel allzu deutlich auf, dass der Bass im Soundmix so laut war, dass Keenan es sichtlich schwer hatte, seinen variantenreichen Gesang wie auf dem Album rüberzubringen und im Klangbild durchsetzen zu können. Mit dem Titeltrack des „10.000 Days“-Vorgängers Lateralus, einem ebenso ausladenden, atmosphärischen und rockigen Lied wie zuvor „Right In Two“, beschloss man das reguläre Set. Gerade nach dem Mittelteil des Konzerts hatte ich den Eindruck, dass das Publikum etwas aufweicht und warm wird, da geht die Band nur zwei Songs später schon wieder von der Bühne.

Nach 20 bis 30 Sekunden kam man dann mit der aktuellen Single „Vicarious“ zurück, die ohne Frage weltklasse ist und noch mal für mächtig Fun und Stimmung sorgte. Wie uns nachher erst auffiel, war der Zugabenblock tatsächlich schon angefangen. Es folgte noch ein eindrucksvolles „Aenima“ und dann verschwanden die Jungs mit den Worten „See you soon! Goodnight, home, peace, out!” der soetwas Ähnlichem von der Bühne. Das Hallenlicht ging sofort an, das Schlagzeug wurde sofort abgebaut und die Leuten strömten ohne auch nur einmal so richtig „Zugabe“ zu rufen einfach aus der Halle. Ich wagte dann mal einen Blick auf die Uhr: Es war zehn vor zehn, was bedeutete, dass die Band etwa 96 Minuten gespielt hat – zehn Songs plus Intro, ohne Vorband, für 37,15 Euro. Meiner Meinung nach grenzt das schon an eine Frechheit. Es ist zwar nicht wirklich wenig, aber für eine Band mit soviel gutem Material dann doch bescheiden. Was ist mit Songs wie „The Grudge“, „Parabola“ oder dem Titeltrack des neuen Werkes? Mit zwei Stunden Spielzeit hätte ich bei einer Band wie TOOL schon gerechnet – auf ihrer letzten Tour zu „Lateralus“ haben sie angeblich auch 2 ¼ Stunden gespielt.

Das war also ein Fakt, der den Abend im Nachhinein etwas negativ färbte. Ansonsten bleibt zu sagen, dass TOOL ihr Image auch perfekt auf der Bühne umgesetzt haben, wobei ich lichttechnisch etwas mehr Dynamik erwartet hätte. Die Show konzentrierte sich schon sehr auf den Einsatz der Leinwände. Schade auch, dass Keenan teilweise so schwer verständlich war, das nahm den Songs so manches Mal sehr ihre Wirkung. Ansonsten: Eine professionelle, routinierte Vorstellung, die außer der oben erwähnte Ausnahme keine „echten“ Kritikpunkte zuließ, aber eben auch nicht hervorzustechen wusste. Dream Theater haben in der gleichen Halle vor acht Monaten für gleiches Geld eine dynamischere und doppelt so lange Show geliefert.

Setlist:
– Lost Keys / Rosetta Stoned
– Stinkfist
– Forty Six & 2
– Jambi
– Schism
– Right In Two
– Sober
– Lateralus
– Vicarious
– Aenima

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