Konzertbericht: Tortoise

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Sieben Jahre lang haben TORTOISE kein neues Album veröffentlicht, legten im Frühjahr 2016 mit „The Catastrophist“ das im Studio neu arrangierte Ergebnis unterschiedlicher live abgehaltener Jamsessions und Improvisationen vor und kommen in diesem Zusammenhang endlich wieder einmal nach München. Dass die Mischung aus Post Rock, Krautrock, Jazz und Mathrock auch live ein Erlebnis ist, zeigt sich bereits am Bühnenaufbau: Am vorderen Bühnenrand stehen sich zwei Schlagzeuge gegenüber, auf einer Seite ist ein Xylophon, auf der anderen Seite dessen elektronischer Widerpart aufgebaut, während alles von einigen mehr oder weniger komplex aufgebauten Synthesizern gerahmt wird.

Eben jene Bühne wartet aber zunächst auf das vor ihr stehende Publikum: Das Hansa 39 ist kurz vor Konzertbeginn noch sehr spärlich gefüllt. Als um 21.15 ohne Vorband die fünf Musiker von TORTOISE die Bühne betreten, hat sich allerdings dennoch eine recht beachtliche Menschenmenge vor selbiger versammelt – der Altersschnitt ist entsprechend der 26-jährigen Geschichte der Band aus Chicago entsprechend hoch. Schade, da sich so viele jüngere Musikfans eine Lehrstunde in Sachen alternativer Musik entgehen lassen.

Tortoise 01

Nach trockenen vier Einzählern legt die Band mit „Seneca“ von ihrem Album „Standards“ laut los, bevor sich die Musiker eingrooven und ihren Mathrock für die Jazzlounge unglaublich tight und groovig darbieten. Häufig tritt aufgrund der Interaktion zwischen den einzelnen Musikern dabei dennoch das Gefühl einer spontanen, extrem guten Jamsession auf, was die Stücke sehr natürlich wirken lässt. Der Sound dieser Darbietung ist kristallklar, was sich besonders bei den etwas ruhigeren, neuen Stücken – die den Schwerpunkt des heutigen Abends bilden – bewährt. Zwischen den Nummern wuseln die Musiker immer wieder über die voll gestellte Bühne und wechseln mit einer quasi permanent ihre Instrumente, wobei jedes TORTOISE-Mitglied jedes Instrument mit einer Selbstverständlichkeit absolut überragend beherrscht. Schade nur, dass die rhythmischen Möglichkeiten zweier gleichzeitig spielender Schlagzeuge so gut wie gar nicht genutzt werden und die meiste Zeit nur eines bespielt wird.

Tortoise - The CatastrophistAuch die Songauswahl ist extrem stimmig: TORTOISE spielen sich durch sechs ihrer sieben Studioalben und bauen diese schlüssig zusammen, sodass sich schnellere Momente mit ruhigen Momenten, jazzige mit rockigen und laute mit leisen Stücken abwechseln, ohne dabei den Eindruck von Beliebigkeit zu erzeugen. Bis auf kurze Danksagungen auf Interaktion mit dem Publikum – der laute Jubel und das Grinsen auf den Gesichtern der Bandmitglieder spricht für sich. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass TORTOISE an diesem Abend zwei Mal auf die Bühne zurückgeholt werden und ihr Set mit älteren Songs extrem laut, schnell und rockig ausklingen lassen.

FAZIT: Mit gut 90 Minuten Spielzeit ist der Abend ohne Vorband recht kurz, das Konzert von TORTOISE allerdings genau richtig: Längen haben sich hier zu keinem Moment eingeschlichen und es fühlt sich auch nicht so an, als hätte es noch einen weiteren Song gebraucht. Da alte und neue Stücke Hand in Hand gingen, zeigt dies, dass TORTOISE auch nach 26 Jahren noch kein bisschen an Relevanz verloren haben. Mit ihrem Stilmix stellen die fünf Multiinstrumentalisten nach wie vor eine Bereicherung für alternative Musik dar, die live besonders durch die großartige Rhythmusfraktion und mit einer explosiven Mischung aus Energie und Gelassenheit begeistern können.

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