Festivalbericht: Veldensteiner Festival 2010

24.07.2010 Neuhaus a.d. Pegnitz

Jahr für Jahr zählt das beschauliche Örtchen Velden in der Nähe von Neuhaus a.d. Pegnitz zu einer der Hauptattraktionen des mittelalterlichen Festivalsommers – so auch 2010, obwohl nur wenige 100 km weiter nördlich In Extremo am gleichen Tag ihr 20-jähriges Bestehen mit einem zweitägigen Festival in Erfurt zelebrierten. Dabei wirkte das Line-Up des diesjährigen Veldensteiner Festivals keinesfalls wie eine Resteverwertung: Ingrimm, Zwielicht, Coppelius, Eisbrecher, Saltatio Mortis und ASP versprachen schon vor Beginn des eintägigen Konzertmarathons viel Abwechslungsreichtum.

Pünktlich um 14 Uhr begannen INGRIMM bei leicht bewölktem Himmel mit ihrem Mittelalter-Metal. Sänger Fenris ist nicht nur eine imposante, sondern auch eine stimmgewaltige Erscheinung, so dass sein Gesang bis weit vor dem Festivalgelände klar zu vernehmen war. Der Zuschauerraum war bereits zu vorgerückter Stunde gut gefüllt und vereinzelt feierte die Menge zu Songs wie „Tempus Fugit“ und „Die Pest“. Mir klang der sehr harte und raue Festivalauftakt zu sehr nach musikalischem Einheitsbrei ohne eigene Identität. Zwar folgt die Musik von Ingrimm einer deutlich erkennbaren Linie, doch echten Hitcharakter offenbarten weder das „Teufelsweib“ noch das „Lumpenpack“ oder die traditionellen keltischen Sauflieder.

Weniger hart ging es danach mit ZWIELICHT weiter, denen nicht umsonst der Ruf anhaftet „wie Schandmaul früher“ zu klingen. Genau wie Ingrimm waren die Regensburger zum ersten Mal zu Gast auf Burg Veldenstein: Entsprechend nervös und wackelig gerieten die ersten Minuten trotz Publikumsunterstützung. Danach hatten allerdings alle Bandmitglieder ihre Betriebstemperatur erreicht und steigerten sich merklich. Neben „Prediger“, „Urteil“ und „Schwarzer Engel“, den besten Stücken ihres Debütalbums „Zeitlos“, präsentierte die Kapelle auch einen Ausblick auf ihren zweiten Longplayer: Härter und reifer klingen Stücke wie „Es ist an der Zeit“. Durch weitere Songs mit vergleichbarem Potential und einer entsprechenden Produktion könnten Zwielicht bald über viele Vergleiche erhaben sein. Besonders Sänger Oliver Fischer überzeugte durch seine Stimme und Ausstrahlung, während der Rest der Band mit Ausnahme von Harfenistin Regina Laxgang etwas blass blieb. Einzig an seinen Ansagen sollte der Frontmann noch arbeiten, denn seine Sprechstimme schmeichelte dem Ohr deutlich weniger als der Gesang.

01. Harfenintro
02. Hexenschuss
03. Das Urteil
04. Es ist an der Zeit
05. Alptraum
06. Galgenvogel
07. Seelenfänger
08. Bei Hofe
09. Schwarzer Engel
10. Prediger
11. Nixen
12. Zypresse
13. Nach der Schlacht
14. Zwielichtige Gestalten

15. Tanz
16. Auf der Flucht

Das anschließende Spektakel von COPPELIUS in Worte zu fassen gliche der Quadratur des Kreises – und selbst die würde ich Comte Caspar, Graf Lindorf und Co. bedenkenlos zutrauen. Musikalisch gesehen war es ein (zugegebenermaßen krankes) Freudenfest der Sinne: Elektronisch verzerrte Klarinetten und Schlagzeug gewagt flankiert von klassischen Streichern, gespielt von geschminkten Männern in Gehrock und textlich inspiriert von E.T.A. Hoffmann. Bereits im dritten Song „Operation“ wurde lautstark zusammen mit dem Publikum um die Wette geschrien, vermutlich bis zum späteren „Verrrrrrrreckeckeckeckeeeeeeeen“ in diversen Abwandlungen. Die Antwort auf alle Fragen lautet wohl auch hier 42. Jedenfalls waren die 60 Minuten gespickt mit Highlights: Erst flehte Diener Bastille die Menge an, doch bitte eine CD zu kaufen, bevor diese sich wenig später dazu erdreistete, bei bewölktem Himmel einen Striptease von ihm zu fordern. Als sich nach kurzer Gegenwehr und immer vehementeren Forderungen selbst die eigene Band gegen ihn stellte, ertränkte Bastille seine Scham im Alkohol (ausnahmsweise Bier aus der Flasche statt Absinth aus einem goldenen Kelch) und stand schließlich in schwarzen Boxershorts auf der Bühne. So gedemütigt wollte er sich scheinbar nicht länger zum Gespött des Auditoriums machen und setzte aus dem Nichts zu einem Stagedive an, bei dem er ein kleineres Mädchen mit dem Fuß am Kopf traf und selbst in der Menge unterging. Franziska (so der Name des Mädels) dürfte anschließend auf die Bühne und dort die Triangel schlagen – ein Ereignis, welches von Coppelius abgefeiert wurde wie die Inbetriebnahme des ersten Fahrstuhls, bei der sie nach eigenen Angaben 1854 in New York live auftraten. Genau wie Veldenstein ist dies aber nur ein kleiner Auszug aus den coppelianischen Konzertreisen, die im Herbst mit dem neuen Album „Zinnober“ fortgesetzt werden. Die ersten Stücke versprechen viel, vor allem mehr Zugänglichkeit für alle, die noch nicht wissen: Coppelius hilft! Da capo, meine Herren, da capo!

01. Transylvania
02. Schöne Augen
03. Operation
04. Handschuh
05. Der Advocat
06. Murders in the Rue Morgue
07. To my creator
08. Diener 5er Herren
09. Risiko
10. Viel zu viel
11. Habgier
12. I get used to it

13. Time – Zeit

Die EISBRECHER rund um Frontmann Alexx Wesselsky hatten nun die schwierige Aufgabe, das Publikum mit ihrem selbst betitelten „elektronischen Trip-Rock“ weiterhin bei Laune zu halten. Von den elektronischen Elementen merkte man beim folgenden Auftritt vergleichsweise wenig, dafür gab es eine gute Portion Neuer Deutscher Härte mit viel Material vom neuesten Werk „Eiszeit“. Allerdings schwankt mir der durchaus charismatische Wesselsky als Frontmann zu sehr zwischen Campino von den Toten Hosen und Till Lindemann von Rammstein. Mit der Zugabe „Koma“ kam dann noch eine Prise Peter Fox bzw. Cold Steel hinzu. Besonders die weiblichen Fans schien dies alles aber wenig zu stören. Highlights des Auftritts abseits der Musik war ein Plakat mit der Aufschrift „Meine Oma denkt, ihr heißt Eisbecher“. Ansonsten boten die Brecher größtenteils solide Kost wobei NDH auf Burgenfestivals nicht mehr als eine Übergangslösung sein kann. So wirkte das Konzert auch mehr als Warm-Up für Saltatio Mortis und ASP. Das Beste hoben sich Alex und Co. bzw. der Rest von ehemaligen Megaherz-Mitgliedern für den Schluss auf: Trotz seines Ausstiegs hält der Frontmann nämlich noch die Rechte an „Miststück“, mit dem die Band ein echtes Ausrufezeichen setzen konnte.

01. Eiszeit
02. Willkommen
03. Bombe
04. Willkommen
05. Leider
06. Vergissmeinnicht
07. Schwarze Witwe
08. Engel
09. Heilig
10. This is Deutsch
–.
11. Amok
12. Miststück

Drei Ausrufezeichen setzten SALTATIO MORTIS wenig später mit „Uns gehört die Welt“. Davor und danach gab es einen bunt zusammengewürfelten Mix aus den letzten drei Studioalben „Des Königs Henker“, „Aus der Asche“ und „Wer Wind sät“. Besonders mit ihrer Spielfreude rissen die Spielmänner die Menge mit. Zu meinen persönlichen Highlights zählte „Manus Manum Lavat“, welches ich mir schon bei der letzten Hallentour gewünscht hatte. Leider fiel der Auftritt von SaMo kürzer aus als geplant, da die Truppe auf Grund technischer Probleme erst mit gut 15-minütiger Verspätung beginnen konnte und keine einzige Minute überziehen durfte. So wurde die Setliste kurzerhand um 3 bis 4 Lieder gekürzt und Lasterbalk verzichtete fast vollkommen auf seine stimmigen Ansagen, doch auch das reichte nicht, um das kurze Stelldichein mit dem obligatorischen „Spielmannsschwur“ ausklingen zu lassen. So stand um Punkt 21.15 die vollständige Band sichtlich sauer und enttäuscht am vorderen Ende der Bühne, um sich ohne mögliche Zugabe zu verabschieden. Von einigen erhöhten Plätzen konnte man daraufhin wilde Diskussionen und Gespräche rund um die Bühne verfolgen. Das Publikum wirkte ebenfalls sprachlos und verharrte für einige Momente beinahe regungslos. Ein trauriger Schlusspunkt für einen ansonsten gelungenen Auftritt, der einmal mehr bewies, dass Saltatio am besten unter freiem Himmel funktionieren.

Ähnliches kann man auch dem Headliner attestieren: Zwar war es – nach ASPs eigener Aussage – nun vorbei mit den schönen Menschen, doch die musikalische Darbietungskunst blieb auf hohem Niveau. Dabei profitierten die Goth-Rocker als einzige Bands des Festivals von einer wunderbar inszenierten Lichtshow, die gleich zu Beginn den Klassiker „Kokon“ unheimlich aufwertete. Im Vergleich zum Münchner Tollwood vor 3 Wochen änderten ASP ihre Setliste nur marginal, doch der Auftritt geriet vor allem dank eines begeisterungsfähigeren Publikums sowie der fehlenden Zeltkonstruktion um einige Klassen besser. Vielleicht sind Alexander Spreng, Matse und Co. allerdings auch Musiker, in deren Liveauftritte man sich erst hineinhören muss, denn an diesem Abend sprang auch bei mir zum ersten Mal der Funke nicht nur bei den üblichen Verdächtigen wie „Sing Child“ und „Und wir tanzten“ über. Auffällig oft sah man den Frontmann an diesem Abend in die dicht gedrängte Menge vor der Bühne lachen, die ihn bereitwillig nach dem Opener „Denn ich bin dein Meister“ als selbigen für den Rest des Konzerts akzeptierten. Das Programm umfasste mit „Demon Love“, „Sanctus“ und „Schwarzes Blut“ im Grunde ein Best of ASP und ließ keine Wünsche offen. Selbst die Technik machte der Frankfurter Kombo im Gegensatz zu anderen Bands keinen Strich durch die Rechnung. Zum Schluss durften die obligatorischen und immer wieder wieder geforderten „Ich will brennen“ und „Werben“ natürlich nicht fehlen. Als besondere Zugabe spielte ASP, gekleidet in einem Tributshirt an den kürzlich verstorbenen Type O Negative Frontmann Peter Steele, ein Tribut an eben jenen Musiker, der den stimmgewaltigen Sänger nach dessen eigenen Ausführungen extrem beeinflusste. Leider zeigte das Publikum keinerlei Reaktion auf den wirklich guten, neuen Song.

01. Denn ich bin dein Meister
02. Kokon
03. Wer sonst?
04. Lykanthropie
05. Raserei
06. Schwarzer Schmetterling
07. Sing Child
08. Demon Love
09. Krabat
10. Ich bin ein wahrer Satan
11. Sanctus
12. Und wir tanzten
13. Schwarzes Blut

14. Rain
15. Ich will brennen

16. Werben

17. Tribut an Peter Steele

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