Festivalbericht: Veldensteiner Festival 2012

21.07.2012 Neuhaus a.d. Pegnitz

The end is near. Zumindest steht die Zukunft des VELDENSTEINER FESTIVALs im malerischen Neuhaus an der Pegnitz seit diesem Jahr in den Sternen. Der Pachtvertrag mit den Burgeigentümern läuft 2012 ab – eine Verlängerung ist derzeit mehr als ungewiss. Demnach bot sich das 11. Jahr als krönender Abschluss an, um zusammen mit vielen bekannten Gesichtern vor und auf der Bühne noch einmal verschiedensten Folkrhythmen zu lauschen und gemeinsam zu feiern. Genau genommen entführt das Line-Up 2012 zurück in das Jahr 2006, als Schandmaul und Fiddler’s Green ebenfalls als Headliner in Neuhaus fungierten.

Doch bevor die Szeneveteranen die Bühne entern, eröffnen VERMALEDEYT das Nachmittagsprogramm mit einer Mischung aus traditionellen Melodien und E-Gitarren-geschwängertem Folkrock. Letzteren stellten die sieben Musiker erstmals auf ihrem neuen Album „SaltaNeo“ vor, welches stilistisch einen klaren Bruch in der Bandvita markiert. Im Live-Gewand klingen die Songs wie „Tanzt!“ deutlich weniger poppig, sondern viel eher mittelalter-rockig und verbinden sich mit markterprobtem Liedgut wie dem franzöischen „Son Ar Sistre“ zu einem energiegeladenen Gebräu. Apropos markterprobt: Ihre Wurzeln und regelmäßigen Auftritte auf dem Mittelalterlich Phantasie Spectaculum merkt man den Musikern nicht nur musikalisch, sondern auch bei ihren selbstbewusst vorgetragenen Ansagen an. Folglich werden die ersten Reihen bereits zu vorgerückter Stunde aktiv eingebunden und kommen in Bewegung. Im Vergleich zum Schlosshof Festival 2011 hat Vivianne Von Der Saar ihr stationäres Cello inzwischen gegen eine handliche Kleinversion getauscht und Basileus von Berg greift nun vermehrt zum E-Bass. So funktioniert auch das modernisierte Bandkonzept mit traditionellen Einflüssen im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch, bis beim neuen „Spielmannsweise“ ein Bruch in der Setliste entsteht und VERMALEDEYT als Kollektiv ein wenig an Schwung verliert. Doch die Combo fängt sich schnell wieder, bringt die Menge mit „Feuer und Flamme“ erneut hinter sich und beendet einen größtenteils sehr gelungenen Auftritt mit dem von Fans getauften „Die Rache des rosa Flauschkaninchens“.

01. Tanzt!
02. Le Maître De La Maison
03. König der Narrenheit
04. Madre Deus
05. Albanischer Tanz
06. Totus Floreo
07. Son Ar Sistre
08. Spielmannsweise
09. Feuer und Flamme
10. Die Rache des rosa Flauschkaninchens

Weniger traditionell, dafür mit viel Liebe zu neuer deutscher Härte, setzen die Westfalen RABENSCHREY das Festivalprogramm in Neuhaus fort. Nach kurzer Auszeit beim Spectaculum rockt! 2012 kehrte die Axt von Octalon in Neuhaus ans Schlagzeug zurück. Außerdem zeigten sich die vier Musiker dieses Mal als Clowns geschminkt. Ansonsten fiel der musikalische Unterschied zum Parsberger Festival wenige Wochen zuvor überschaubar ist. Lediglich mit dem Abschlusssong „Montagmorgen“ hatte das Quartett ein eingängiges neues Stück im Gepäck. Dieses hinterlässt einen deutlich besseren Eindruck als beispielsweise der Titeltrack „Hart aber ehrlich“ vom gleichnamigen Album, welches Ende August erscheinen soll. Donar beschränkt sich in Veldenstein glücklicherweise größtenteils auf seine Musik, so dass seine Ansagen zwischen Songs wie „Walhalla“ und „Bilder auf die Haut“ angenehm kurz ausfallen. Stimmlich präsentiert sich der Frontmann solide, wenngleich Songs wie der Opener „Kraftvoll“ ihm nicht zu viel abverlangen. Am Soundbild haben die Westdeutschen ebenfalls gefeilt: die größtenteils wuchtigen Stücke klingen deutlich differenzierter als an anderer Stelle und auch die Flöte in „Tanze dir“ ist wieder als Melodieinstrument zu erkennen. Ein deutliches Plus. Letztlich entwickelt sich so besonders gegen Ende mit dem unvermeidlichen „Templerschaf“, „Hey wir sind Heiden“ und dem bereits angesprochenen „Montagmorgen“ in den hinteren Reihen erstmals Stimmung. Dass der musikalische Anspruch von RABENSCHREY dabei meist knapp über der Grasnarbe des Burghofs liegt, ist spätestens dann zu vernachlässigen, wenn das einfach gehaltene Konzept der „wahren neuen deutschen Härte“ aufgeht. In Veldenstein ist dies zumindest am Ende der Fall.

01. Kraftvoll
02. Dreckstück
03. Heiden tanzen
04. Der Kreis
05. Tanze dir
06. Bilder auf die Haut
07. Hart aber ehrlich
08. Ich will euch tanzen sehen
09. Templerschaf
10. Walhalla
11. Hey wir sind Heiden
12. Montagmorgen

Über Traditionelles hin zu Neuer Deutscher Härte führt der Weg des Veldensteiner Festivals 2012 zu Elektro-Rock/Industrial mit Dudelsack. Kurzum: TANZWUT! Nachdem Ardor die Band wenige Tage vor dem Festival erneut verlassen hat, mussten Teufel und Co. kurzfristig für Ersatz sorgen. Der neue Mann am Dudelsack hört auf den Namen Hydro und wirkt rein optisch wie eine kleinere, südamerikanische Version seines Vorgängers. Spielerisch sind ebenfalls keine Unterschiede erkennbar und so setzen TANZWUT da an, wo sie als Headliner beim Spectaculum rockt! aufgehört haben: Die stärksten Stücke des neuen Albums „Weiße Nächte“ wie „Folge deinem Herzen“, „Rückgratreißer“, „Gift“ und der gleichnamige Titeltrack als Opener werden in einem rund 60-minütigen Set mit Klassikern wie „Lügner“, „Der Arzt“ und „Vulkan“ gemischt. Das funktioniert musikalisch ausgezeichet und die Spielfreude der Musiker überträgt sich auf die Menge. Dazu wagen die Berliner zwischenzeitlich sogar einen Ausflug in ihr Marktprogramm und mischen in die Mitte ihres Sets die vielleicht beste Liveversion der instrumentalen „Merseburger Zaubersprüche“. Diese erreicht zwar nicht ganz die Energie der 2002er Version in alter Besetzung, doch insgesamt befinden sich TANZWUT auf dem richtigen Weg, um wieder eine tragendere Rolle in der hiesigen Folkrock-Szene zu spielen. Die Trennung von Corvus Corax scheint langfristig der richtige Schritt zu sein.

Um dem Festival den offenbar nötigen alternativen Hauch zu verleihen, wurden die niederländischen OMNIA dieses Jahr verpflichtet. 2011 waren Steve aka Sic, Jenny und Co. noch auf dem Feuertanz zu sehen und zählten dort zu den Highlights der beiden Tage. Doch recht schnell zeigt sich, dass die Pagan Folk-Musiker in Veldenstein dieses Jahr nicht ihren besten Tag erwischt haben. Eine festivaluntaugliche, weil für ein Festival dieser Art viel zu besinnliche Songauswahl, zu tiefsinnige Ansagen von Sic und insgesamt eher verhaltene Laune bestätigen schnell den ungewohnten Ersteindruck. Und auch das bewusste Sich-in-den-Mittelpunkt-rücken von Jenny und Sic wirkt an diesem Tag fehl am Platz. Lediglich das gewohnte Schimpfen auf „the society and the government, which are both scheiße“ geht Frontmann Sic schon ganz automatisiert über die Lippen und stößt hier und da an die Geduldsgrenze der Zuhörer – speziell derer, die diese Litanei an Hasstiraden bereits mehrfach anhören durften. Selbst starke Kompositionen der letzten Jahre wie „I Don’t Speak Human“ und das bisher live nicht gehörte „Thunder’n Lighting“ leiden unter der Rahmenbedingungen: So mag es neben der unglücklichen Setliste auch am Dauerregen in Neuhaus liegen, den Sic als Pisse Gottes bezeichnet, dass sich die für OMNIA nötige Atmosphäre an diesem Tag nicht einstellt und vieles spurlos an der Menge vorbeigeht. Folglich nutzt der Großteil der Festivalbesucher den Auftritt, um dem kulinarischen Angebot im Burghof zu frönen, was nicht nur wetterbedingt einen relativ leeren Bühnenvorplatz zur Folge hat. Nach 75 Minuten im wahrsten Sinne des Wortes dahinplätschernder Unterhaltung, der es sogar bei den sonst so mitreißenden Stücken wie „Richard Parker’s Fancy“ und „Wytches‘ Brew“ an Biss fehlt, verabschieden sich OMNIA ohne nennenswerte Reaktionen schließlich mit „Cornwall“.

01. Auta Luonto
02. Shinearlahi
03. Niiv
04. Toys In The Attic
05. Drum’n Didge
06. I Don’t Speak Human
07. Alive!
08. Richard Parker’s Fancy
09. Thunder’n Lightning
10. Wytches‘ Brew
11. Dance Until We Die
12. Noodle The Poodle
13. Saltatio Vita
14. Etrezomp-ni Kelted
15. Fee Ra Huri
16. Morrigan

Die spürbar vorhandene Lethargie löst sich beim Semi-Headliner FIDDLER’S GREEN im Nu. Mit gewohnt guter Laune nehmen die Erlanger die Bühne in Beschlag und rocken sich einmal quer durch die Geschichte der Band mit einer Mischung aus aktuellen Liedern wie „P Stands For Paddy“ und beliebten Kultsongs wie „Queen Of Argyll“. Besonders der Anfang ist auf (irische) Party getrimmt, während es im Mittelteil mit „Walking High“ sowie „Greens And Fellows“ ruhiger und rockig-melodiöser wird. Der Weg zurück zum irischen Folk tut den Bühnenveteranen insgesamt aber spürbar gut. Den größten Teil der Setlist füllen die Erlanger mit ihrem aktuellen Album „Wall Of Folk“, dessen Name Programm ist und dessen Titellied das Spektakel eröffnet. Ganz besonders positiv fällt an diesem Tag der Gesang der Bandmitglieder auf, der beispielsweise bei „Milk The Damn Cash Cow“ in einem so hohen Maße wie selten zuvor harmoniert. Sänger Albi allein überzeugt hingegen bei der akustischen Ballade „Lost To The Moon“ ebenfalls.
Die Mischung stimmt und nachdem die FIDDLERS ihren Fans mit Songs wie „Jump“ und „Victor And His Demons“ weiter Feuer unter den an diesem Tag eher tanzlahmen Hintern gemacht haben, soll einer der neueren Höhepunkte ihrer Liveauftritte folgen: die Wall of Folk bei „Rocky Road To Dublin“. Die Gassenbildung, der folgende Weg von Albi durch die Menge und die Wall Of Folk mit dem Austausch von möglichst vielen sexuellen Kontakten bei „One-two-three-four-five“ haben die Wahliren bereits erfolgreich auf größeren Festivals wie dem Summer Breeze getestet. In Veldenstein muss diese Prozedere nach mehreren Versuchen schließlich mit Albi auf der Bühne stattfinden, da das Mikrofon aussetzt. Und damit nehmen die massiven technischen Probleme des diesjährigen Festivals ihren Lauf. Die Speedfolker bringen indes ihre Wall Of Folk genau wie ihren restlichen Auftritt noch zielsicher zuende, ohne jedoch am Ende nennenswerte Highlights zu setzen.

01. Wall Of Folk
02. P Stands For Paddy
03. Milk The Damn Cash Cow
04. Queen Of Argyll
05. Jump
06. Scolding Wife
07. Walking High
08. I’ll Tell Me Ma
09. Victor And His Demons
10. Greens And Fellows
11. Lost To The Moon
12. Solo (Frank, Tobi, Stefan)
13. Rocky Road To Dublin
14. Star Of The County Down
15. Yindy
16. Irish Air

17. The Night Pat Murphy Died
18. Folk’s Not Dead

Die Leidtragenden des Technikdesasters sind schließlich SCHANDMAUL als vielleicht allerletzte Band des Veldensteiner Festivals überhaupt. Zum ersten Mal nach der Geburt ihres Kindes ist Geigerin Anna wieder mit von der Partie, während Birgit weiterhin von Jutta, einer Musikerin der Irrlichter, ersetzt wird. Doch dieser erste Auftritt nach der Babypause steht auch abseits der Technik unter keinem guten Stern. So erschwert zeitweise heftiger Regen das folkige Vergnügen. Insgesamt wird die Professionalität und auch Spontaneität der Musiker einer harten Probe unterzogen, die diese den Umständen entsprechend gut meistern. Die Zuschauer haben somit wenig Grund zur Klage: Sänger Thomas beweist seine Frontmannqualitäten, improvisiert souverän mit Anekdoten und amüsierte das Publikum mit kurzen Stakkato-Einlagen im Stile seines gestörten Inears, um allen einen Eindruck seiner Situation zu vermitteln. Doch trotz aller Versuche, die störrische Technik in den Griff zu bekommen, siegt diese über die Band: Die Probleme verdammen beispielsweise Bassist Matthias dazu, mit angestöpseltem Bass zu spielen. Anna verschwindet hingegen für einige Strophen bei „Auf Hoher See“, was sich sofort am dünneren Sound bemerkbar macht. Davon unbeeindruckt liefert Thomas am Mikro eine seiner besten Festivalleistungen der letzten Jahre. Besonders dadurch, dass seine Stimme eher ungewollt in den Mittelpunkt rückt, fällt dies bei anspruchsvolleren Stücken wie „Wolfsmensch“ oder „Vogelfrei“ ins Ohr. Bei Ersterem stimmt neben der Melodik auch die Intensität.
Darüber hinaus entschädigt die Songauswahl besonders langjährige Fans für Pleiten, Pech und Pannen. Die Spitzbuben, Narrenkönige und anderen Halunken erobern Veldenstein, als SCHANDMAUL unter anderem den „Powerdudler“, „Hofnarr“ oder auch ein neues „Henkersmahlzeit-Gebt Acht-Medley“ auspacken. Leider scheint besonders der neuen Fangeneration unter den Festivalbesuchern der Bezug zu diesen Folkrock-Songs zu fehlen. Eben jene Fans werden mit „Hexeneinmaleins“ oder „Geas Traum“ bedient, die zusammen mit dem „Traumtänzer“ live sehr schön die Entwicklung der Münchner im Laufe der letzten rund 15 Jahre verdeutlichen. Vermutlich ein schöner Nebeneffekt, denn die Setliste und auch die einzelnen Songsarrangements sind an die geänderte Besetzung angepasst: So ersetzt Jutta die Dudelsackmelodien von Birgit durch ihre Oboe. Diese imitiert den Klang des Originals zwar hörbar, erreicht jedoch nicht dessen massigen Sound. So merkt man trotz einer guten Leistung von Jutta, dass es sich nicht um die Originalbesetzung handelt. Doch nichtsdestotrotz schaffen es SCHANDMAUL der an diesem Tag eher verhaltenen Stimmung das letzte Quäntchen Euphorie abzugewinnen und dafür zu sorgen, dass am Ende des Tages jeden Zuschauer der Wunsch nach der Fortsetzung des Veldensteiner Festivals ergriffen hat. Zwar hat man als regelmäßiger Besucher der fränkischen Burgenfestivals Songs wie „Willst du“ und „Dein Anblick“ ebenso oft gehört wie „Wir sind allein“ von der Letzten Instanz oder „Julia und die Räuber“ von Subway To Sally, doch u.a. die „Wandersmann/Trinklied“-Kombination am Ende beweist, wie man trotz alter Gewohnheiten frischen Wind in Altbekanntes bringen kann.

01. Powerdudler
02. Auf hoher See
03. Herren der Winde
04. Hexeneinmaleins
05. Hofnarr
06. Wolfsmensch
07. Assassine
08. Geas Traum
09. Die goldene Kette
10. Vogelfrei
11. Lichtblick
12. Henkersmahlzeit-Gebt Acht-Medley
13. Traumtänzer
14. Walpurgisnacht

15. Teufelsweib
16. Dein Anblick

17. Krieger
18. Wandersmann & Trinklied
19. Willst Du

Auf Euch

Publiziert am von Uschi Joas und

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