Festivalbericht: Vienna Metal Meeting 2018

12.05.2018 Arena, Wien

2017 bekam die österreichische Bundeshauptstadt mit dem Vienna Metal Meeting endlich ihr eigenes Extreme-Metal-Festival. Doch nicht nur der bloße Mangel einer vergleichbaren Veranstaltung, sondern vor allem das sämtliche Metaller-Wünsche abdeckende Line-Up und die gut durchdachte Organisation machten diesen Auftakt zu einem grandiosen Erfolg. Ein Jahr später geht das Vienna Metal Meeting in die zweite Runde und bereits die Zusammenstellung der auftretenden Bands lässt erahnen, dass die Veranstalter an ihrer Erfolgsformel festhalten würden.

Pünktlich um 14:30 läuten THEOTOXIN die zweite Auflage des Ein-Tages-Festivals ein. Noch während des unheimlichen Sound-Sample-Intros füllt sich der Raum langsam, aber sicher – trotz der noch frühen Stunde und der vorsommerlichen Hitze. Dann lassen die zu Beginn noch unter Kapuzen verborgenen Österreicher mit einem Mal eine geballte Ladung Blackened Death Metal auf die versammelte Meute los. Wirklich Aufsehenerregendes bietet zwar weder die Musik noch die Performance, und auch der etwas zu chaotische Sound auf der District-19-Stage lässt ein wenig zu wünschen übrig. Dennoch verdreschen THEOTOXIN ihre Instrumente schon ganz ordentlich. Das Publikum dankt es ihnen mit gebührendem Applaus – ein solider Einstieg.

Gleich im Anschluss geht es auf der Arena-Stage mit den steirischen Melo-Deathern DARKFALL weiter. Sowohl zahlenmäßig als auch in puncto Enthusiasmus ist das Publikum in der größeren, im Vergleich zur stickigen District-19-Stage angenehm kühlen Halle merklich stärker vertreten. Ein Umstand, der mitunter sicherlich dem publikumsnahen Auftreten von Frontmann Thomas Spiwak zu verdanken ist, der die Leute gekonnt zum Mitfiebern animiert und sich selbst ordentlich in Pose wirft. Mit fetzigem Riffing und treibenden Double-Bass-Drums, die darüber hinaus mit einem wesentlich definierteren Sound beglückt sind, sorgen DARKFALL auch rein musikalisch betrachtet für gute Stimmung, was wiederum die Band selbst sichtlich motiviert.

Nach diesem starken Auftritt drücken DISTILLATOR im anderen Gebäude ohne Umschweife das Gaspedal durch und richten sich damit als erste Band des heutigen Tages an die Thrash-Metal-Enthusiasten unter den Zuschauern. In genretypisch hautengen Outfits und voll konzentriert besticht das niederländische Trio, das mit wildem Eifer bei der Sache ist, vor allem durch sein pfeilschnelles Spiel. Den vereinzelt gewöhnungsbedürftigen, quietschenden Schreien von Sänger und Gitarrist Desecrator setzt Bassist Frankie Suim seine mächtigen Backing-Growls entgegen und die Licht- und Nebelshow macht einiges her. Einzig der chaotische Klang, der die Vocals weitgehend verschluckt, fällt wiederum negativ auf.

Da die Türen der District-19-Stage zum Innenhof von da an geöffnet bleiben, erspart man sich nunmehr den kleinen Umweg durch das Gebäude – und das ist gut so, denn nebenan haben die Tschechen GUTALAX bereits damit angefangen, die Festivalbesucher mit ihrer skurrilen Mischung aus brutal stumpfem Goregrind und unbeschwerter Party-Attitüde zu belustigen. Ohne jeden Hauch von Scham hopsen die Jungs in ihren Schutzanzügen und –brillen über die Bühne, spielen einfache Schunkelrhythmen und sorgen damit im ganz nach Bandtradition mit Toilettenpapierrollen werfenden Publikum für helle Begeisterung. Ein Song, der mit dem witzigen Chorgesang aus „Zwei wie Pech und Schwefel“ beginnt und später brachial genug für eine Wall Of Death und mehrere Moshpits ist? Für GUTALAX eine Selbstverständlichkeit, für das Publikum eine Gelegenheit, ein wenig die Sau rauszulassen und sich zugleich ohne viel Nachdenken zu amüsieren.

Wie bereits im Vorjahr hat man ab diesem Punkt die Qual der Wahl, denn von nun an überschneiden sich die Auftritte auf beiden Stages. Fans von Black und Thrash zieht es um 17:10 gleichermaßen zurück in die Arena, denn nach der vermeintlich zaghaften Frage „Should we start now?“ beginnen DESASTER ihr energiegeladenes Set. Komplett in Nieten und Leder, mit Corpsepaint und fiesen Grimassen zeigen die deutschen Blackened-Thrasher, dass sie trotz ihrer stattlichen Bandhistorie noch längst nicht zum alten Eisen zählen. Mit ansteckender Spielfreude und viel Kontakt zum Publikum legen DESASTER eine durchwegs starke Show hin, die erfreulicherweise auch hinsichtlich des kräftigen Sounds ohne Mängel auskommt. Auch die Songauswahl kann sich aufgrund ihrer Vielseitigkeit sehen lassen – wenngleich das Quartett selbst auf der scherzhaft angekündigten Ballade nicht weit von seinem charakteristisch räudigen Stil abweicht.

Freunde der technisch anspruchsvollen Musik kommen auf dem diesjährigen Vienna Metal Meeting vor allem bei OBSCURA zum Zug – ein wenig verspätet zwar, dafür aber in allen Punkten zufriedenstellend. Für die bestens aufgelegte Zuschauerschaft haben die deutschen Technical-Death-Metaller heute alles in petto, was von ihnen erwartet wird: wuchtigen Death Metal, verspielte Soli, vertrackte Rhythmusspielereien und zwischendurch ein paar lässige Jazz-Passagen sowie sphärische Zwischenspiele. Wie immer spielen OBSCURA mit chirurgischer Präzision eine schier aberwitzige Anzahl von Noten und stellen damit ihre Fingergelenke auf eine harte Probe, überzeugen aber auch in den griffigen Todesmetall-Abschnitten. Die stimmig eingesetzten Scheinwerfer, der Kunstnebel, die kurze Ehrerbietung an Chuck Schuldiner (am darauffolgenden Tag wäre passenderweise dessen Geburtstag gewesen) und der vom Zuspruch des Publikums angefachte Ehrgeiz der Band runden den gelungenen Auftritt zusätzlich ab.

Ebenfalls ein wenig im Zeitplan hinterher fangen DISHARMONIC ORCHESTRA nach einem geruhsamen Soundcheck auf der kleineren Bühne ohne Einleitung, Begrüßung oder sonstiges an, zu spielen. So unspannend wie dieser lasche Auftakt erscheint zu Beginn auch die Show der verschrobenen Avantgarde-Metaller. Das Klagenfurter Trio präsentiert sich reichlich unauffällig und Gesang wie auch Gitarre gehen im basslastigen Sound fast vollständig unter. Gerade der lässige, aber auch peppige Tieftöner entpuppt sich zusammen mit den vertrackten Drums jedoch als überraschendes Highlight und mit der Zeit scheint auch die Band lebhafter zu werden. Mit „Innamorato“ haben die Österreicher zwischen ihren raffinierteren Stücken zudem noch einen mächtigen Brecher am Start und zum Schluss gibt es zur Freude der ohnehin längst begeisterten Zuschauer noch eine groovige Nummer „für die Hüfte“.

Technisch weniger ausgefeilt, dafür mit einer Extraportion Wucht gehen ENTRAILS bei ihrer Performance zu Werke. Zwar haben die schwedischen Death-Metal-Musiker anfangs noch mit technischen Schwierigkeiten bezüglich des Schlagzeugs und einem allzu chaotischen Sound zu kämpfen, doch nach der Feinjustierung im Anschluss an den ersten Song gibt es nichts mehr zu meckern. Mit druckvollen Gitarrenriffs, dazwischen immer wieder aufblitzenden bedrohlichen Leadmelodien, punktgenauen Drum-Rolls und Double-Bass-Drums sowie einem sichtlich motivierten Pontus Samuelsson am Mikro und Bass bringen ENTRAILS die Stimmung im Saal zum Brodeln und die Zuschauer zum ausgelassenen Headbangen.

Noch vor Ende des Sets der Death-Metaller bricht über Wien die Nacht herein und unser Weg führt uns in mystischere Gefilde. Auf der Arena-Stage hält nun nämlich eine Koryphäe des Gothic Metal Einzug. Die Rede ist selbstverständlich von TIAMAT, die das gespannt wartende Publikum zuerst für eine gute halbe Stunde mit einem kräftigen Best-Of ihrer „Clouds“-Platte in Beschlag nehmen, um sie im Anschluss mit den atmosphärischen Klängen von „Wildhoney“ zu benebeln. Dass die Fans gerade bei der verträumten ersten Strophe von „Whatever That Hurts“ voller Begeisterung zu jubeln anfangen, spricht eindeutig für die Vielseitigkeit, mit der sich das Vienna Metal Meeting rühmen kann. Bandleader Johan Edlund mag ein wenig in die Jahre gekommen sein und sich dementsprechend mit seiner Performance ein bisschen zurückzuhalten, doch seine finstere Ausstrahlung hat der gebürtige Schwede noch nicht verloren und so handelt es sich bei der Show von TIAMAT mit Abstand um den stimmungsvollsten Auftritt des Festivals.

Einen etwas zwiespältigen Slot können dieses Jahr DOOL für sich beanspruchen. Zwar dürfen sich die niederländischen Dark-Rock-Newcomer über eine ganze Stunde auf der Bühne freuen, was für eine so junge Band mit gerade einmal einem Album überaus beachtlich ist, doch die Überschneidung mit den Headlinern ABBATH macht die Entscheidung alles andere als leicht. Dass man gut daran tut, den Senkrechtstartern mit ihrer charismatischen Frontfrau eine Chance zu geben, zeigt sich bereits von der ersten Minute an: Als einzige Nicht-Metal-Band im Line-Up liefern Ryanne van Dorst und ihre Mitstreiter den wohl intensivsten Gig des gesamten Festivals ab. Völlig gleich ob beim fetzigen „Golden Serpents“ oder beim finsteren, schweren „In Her Darkest Hour“ – DOOL stecken derart viel Kraft in ihr Spiel, dass man sich erstaunt fragt, wie es die Band körperlich fertig bringt, das eine ganze Stunde lang durchzuhalten. Ihren späten Platz am Time-Table und den lautstarken Beifall ihrer trotz ABBATH nicht zu wenigen Zuschauer haben sich die Niederländer damit redlich verdient.

Wer nach dieser ekstatischen Show noch nicht zu ausgepowert ist, bekommt mit MARDUK als Abschluss-Act noch eine geballte Ladung Schwarzmetall um die Ohren gehauen. In voller Black-Metal-Montur, mit starrem Blick und einer Menge Kunstnebel lassen die Schweden das schon etwas mitgenommene Publikum keineswegs zur Ruhe kommen. Zwar nehmen die hin und wieder eingestreuten Midtempo-Nummern wie „The Blood Beast“ dem sonstigen Highspeed-Geballer ein wenig den Drive, dennoch ist die Brutalität, mit der MARDUK die Fans zu dieser späten Stunde verabschieden, beachtlich. Von der mittlerweile etwas ausgedünnten Zuschauerschar bekommen die Black-Metaller zum Schluss angemessenen Applaus, allerdings ohne die Forderung nach einer Zugabe, sodass die Jungs sang- und klanglos von der Bühne verschwinden und damit das Vienna Metal Meeting zu einem jähen Ende führen.

Wer von der Erstauflage des Vienna Metal Meetings 2017 begeistert war, wird es mit Sicherheit auch dieses Jahr gewesen sein. Ein weiteres Mal haben die Veranstalter mit einem hochkarätigen, durch die Bank weg starken Line-Up aufgewartet, das sowohl renommierte Szene-Größen als auch vielversprechende, lokale Underground-Bands umfasste. Dabei erwies sich die Arena mit ihren zwei der jeweiligen Zuschauerzahl punktgenau Rechnung tragenden Indoor-Bühnen, dem sich zur zwischenzeitlichen Erholung anbietenden Innenhof mit den Essens- und Getränkebuden und den gut ausgestatteten Merch-Ständen abermals als perfekte Location. Bis auf ein paar Startschwierigkeiten und den teilweise etwas unausgeglichenen Sound bei den Auftritten auf der District-19-Stage gab es nahezu nichts zu beklagen, sodass man für den im Vergleich zum Vorjahr geringfügig gestiegenen Ticketpreis von gut 60 € voll auf seine Kosten kam.

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