Festivalbericht: Vienna Metal Meeting 2019

11.05.2019 Wien, Arena

Mit seinem hervorragenden Line-Up, das sich aus handverlesenen, lokalen Underground-Bands und renommierten, aber keineswegs auf jedem x-beliebigen Festival anzutreffenden Haupt-Acts zusammensetzte, legte das VIENNA METAL MEETING im Jahr 2017 einen beeindruckenden Senkrechtstart hin. Spätestens nach der ebenso gelungenen Veranstaltung im Folgejahr war klar, dass es sich nicht bloß um ein One-Hit-Wonder gehandelt hatte.

Nun geht das VIENNA METAL MEETING in die dritte Runde und schon der Umstand, dass sich die Auftritte erstmals zwischen der Arena-Stage und der geräumigeren Outdoor-Stage abwechseln, indiziert das Bestreben der Veranstalter, das Festival auf eine neue Stufe zu heben. Da der große Besucheransturm zu Beginn noch etwas auf sich warten lässt, läuft der Einlass um 13:00 Uhr reibungslos ab, sodass sich die Frühankömmlinge im Gegensatz zum Vorjahr mit Leichtigkeit einen guten Platz beim eine halbe Stunde später aufspielenden Opening-Act sichern können.

Insbesondere für jene, die am Vorabend bei der „Warm-Up“-Show von Swallow The Sun zugegen waren, erweisen sich die auf der Arena-Stage auftretenden DOOMAS als überaus passender Einstieg in den Festivaltag. Wie schon bei ihren finnischen Kollegen steht hier nämlich melodischer Death/Doom auf dem Programm, den die Slowaken zwar ein wenig zu grobschlächtig und ohne nennenswerte Besonderheiten, aber durchaus solide interpretieren. Zwischendurch werden auch ein paar elegante Gothic-Parts eingeschoben, welche den ansonsten eher wuchtigen Grundton ein wenig auflockern. Dem etwas unscharfen Sound und dem eher wahllosen Einsatz der Nebelwerfer zum Trotz liefern DOOMAS alles in allem eine passable erste Show ab.

Nachdem der Thrash Metal im letzten Jahr über Distillator und ihren schweißtreibenden Gig auf der kleinen District-19-Stage Einzug in das Festival hielt, dürfen ENCLAVE diesen Part heuer auf der großflächigen Outdoor-Stage übernehmen. Den familiären Charme einer hitzigen Club-Show haben die Österreicher damit zwar nicht auf ihrer Seite, angenehmer ist das diesjährige Setting dank der milden Temperaturen jedoch auf alle Fälle. An Bühnenpräsenz hat die vierköpfige Band jedenfalls überhaupt keinen Mangel. Überschwänglich und zugleich völlig ungezwungen spielen sich ENCLAVE durch ihr energiegeladenes Set, es wird wild gestikuliert, geshreddet und nach jeder Nummer erst mal ein Bier gekippt. Einen einzigartigen Stil hat die Truppe, die etwa im herrlich absurden „Cannibal Cops“ fast schon etwas zu tief in die Slayer-Trickkiste greift, zwar nicht vorzuweisen, doch mit ihrer bodenständigen Performance unterhalten die Thrash-Metaller das Publikum ausgesprochen gut.

Der allgemeinen Feierlaune machen ELLENDE auf der Indoor-Stage ein jähes Ende. In schmutzigem Corpse-Paint und zerlumpter Kluft betritt die Truppe um Mastermind Lukas Gosch zu trübsinnigen Klängen die Bühne und schwärzt für eine Dreiviertelstunde lang mit ihrem getragenen Black Metal die Gemüter der Zuschauer. Triste Melodik und Atmosphäre stehen hier im Vordergrund, brachiales Geknüppel bekommt man hingegen nur sehr selten zu hören. Das erbarmungswürdige Elend, das der Band ihren Namen leiht, durchdringt jeden einzelnen Aspekt ihrer Darbietung – so zum Beispiel die niedergeschlagenen Akustik- und Clean-Gitarren, die Piano-Samples, die Aufmachung der Bandmitglieder und nicht zuletzt Gosch selbst, der in ein Konstrukt aus Knochen gekleidet ist und sich vor seelischen Schmerzen krümmt, während er seine gramvollen Screams ins Mikro speit. Letzten Endes beeindrucken ELLENDE mit ihrem durch und durch bedrückenden Auftritt sogar noch mehr, als sie es bisher auf Platte vermochten.

Von nun an wird es knifflig, denn es folgen die unvermeidbaren Überschneidungen im Timetable. Am Death Metal kommt man vorerst jedoch nicht vorbei, denn nach dem Outdoor-Gig von FLESHCRAWL geht es drinnen gleich mit CHAPEL OF DISEASE weiter – für manche vielleicht überraschend, gehörte dieser Slot doch ursprünglich den wenige Tage zuvor abgesprungenen US-Speed-Metallern Agent Steel, die wiederum der Ersatz für Darkspace gewesen wären. In diesem Fall muss man jedoch von Glück im Unglück sprechen, denn die Deutschen beeindrucken mit ihrem ganz eigenen, okkult angehauchten Stil. Anstatt möglichst brutal klingen zu wollen, bringen CHAPEL OF DISEASE immer wieder lässig groovende und zugleich verspielte Soli, coole Basslines und sogar atmosphärisch dröhnende und unverzerrte Gitarrensounds in den Songs unter und beweisen damit nicht nur spielerische Geschicklichkeit, sondern auch kompositorische Raffinesse. Im klar definierten Sound kommt all dies wunderbar zur Geltung – definitiv ein unverhofftes Highlight des Festivals.

Alles andere als gewöhnlich sind auch die als Nächste auf der Arena-Stage spielenden OUR SURVIVAL DEPENDS ON US. Die optisch an der eigentlich nonexistenten Schnittstelle zwischen Hippie und Militärveteran rangierenden Österreicher machen aus der Darbietung ihrer atmosphärischen Doom-Metal-Songs ein einprägsames, spirituell anmutendes Spektakel: Es wird Weihrauch geschwenkt, alles in stimmungsvolles Licht getaucht und andächtig über die Bühne getraumwandelt. Auch die musikalischen Eigenheiten muss man in der glasklaren Akustik nicht lange suchen. Mehrstimmiger, hymnischer Gesang, bedeutungsschwangere Gitarrenleads und sphärische Keyboards finden sich in praktisch jedem der vorgetragenen Stücke, ohne sich jemals abzunutzen. Nicht zuletzt aufgrund ihres angenehm entspannten Auftretens vermitteln OUR SURVIVAL DEPENDS ON US, die sich mit entwaffnender Herzlichkeit für jeden Applaus bedanken, ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit.

  1. My Sons And Daughters
  2. Gold And Silver
  3. Song Of The Lower Classes
  4. We Are Children Of The Dawn
  5. Angelranger

Sowohl für sich betrachtet als auch im Vergleich mit ihrer Vorband präsentieren AMENRA ein extremes Kontrastprogramm. Zwar haftet der strikt in Schwarz-Weiß-Schattierungen beleuchteten Show der belgischen Post-Metaller ebenfalls ein gewisser, ritueller Charakter an, doch wo vormals friedliche Weltvergessenheit herrschte, greift nun pure Hoffnungslosigkeit um sich. Ohne jede Vorwarnung prallen hier eintönige, minimalistische Clean-Parts und heftige Klanggewaltausbrüche aufeinander, während Sänger Colin Van Eeckhout – meist von den Zusehern abgewandt – kratzige Screams hervorwürgt. Innerhalb dieser beiden Gegensätze zeigen sich AMENRA allerdings kaum wandlungsfähig. Jeder Akkord wird unzählige Male wiederholt und das entweder ohrenbetäubend laut oder bedrohlich leise – dazwischen gibt es nichts. Beliebigkeit kann man der Band in Anbetracht ihrer augenscheinlich durchdachten Performance zwar nicht vorwerfen, dennoch resultiert der bewusst repetitive Ansatz der Belgier in der wohl mühsamsten Show der gesamten Veranstaltung.

  1. Boden
  2. Razoreater
  3. Plus Près De Toi (Closer To You)
  4. Dearborn And Buried
  5. Am Kreuz
  6. Diaken

Keineswegs sanftmütigere, aber doch etwas leichter zugängliche Töne bekommt man als Nächstes bei BENIGHTED zu hören. Anstatt auf eine Laut-Leise-Dynamik zu setzen, halten die französischen Death-Metaller das Brutalitätslevel von Anfang bis Ende am Höchstlimit. Sänger Julien Truchan, der die gesamte Show über barfuß und mit dem irren Blick eines Serienkillers die Bühne dominiert, sich zwischen den Songs jedoch überaus sympathisch gibt, verlangt seiner Stimme alles von hohen Screams über Growls bis hin zu Pig-Squeals ab, während seine Mitmusiker in atemberaubendem Tempo ihre Instrumente verdreschen. Dabei gelingt es der technisch versierten Truppe mit Leichtigkeit, die ungezügelte Energie ihrer Songs, welche zum Teil von im Kontext recht humorvollen Samples eingeleitet werden, auf die Zuschauer zu übertragen. In der ganzen Halle wird ausgelassen gemosht und aus vollen Lungen mitgegrölt, bis sich BENIGHTED nach einer Dreiviertelstunde wieder verabschieden und die bis zuletzt mitfiebernde Menge erneut zu Atem kommen lassen.

Einen langen Atem hat man in weiterer Folge bei URFAUST bitter nötig. Obwohl die Niederländer für ihre hypnotischen Live-Rituale und ihren einzigartigen, aus Ambient, Black und Doom Metal geformten Stil bekannt sind, bleibt die große Faszination heute leider aus. Mit ihrer Auswahl an getragenen, bewusst monotonen Songs, der ein paar fetzigere Nummern zum Ausgleich sicherlich nicht geschadet hätten, ihrer beschwörenden Gestik und der schummrigen Beleuchtung sind die beiden Musiker zwar merklich bemüht, die Anwesenden in eine tiefe Trance zu versetzen, so richtig will es aber nicht klappen. Einerseits steht Sänger und Gitarrist IX übertrieben stocksteif am Rand der schmucklosen und weitgehend leeren Bühne, andererseits nutzen er und Drummer VRDRBR die Ambient-Einschübe zwischen den Stücken immer wieder, um miteinander oder mit der Crew zu plaudern. Folglich geben sich URFAUST zu lasch, um beeindruckende Mystik aufkommen zulassen, zugleich aber auch zu festgefahren, um mit Publikumsnähe zu punkten, was umso bedauerlicher ist, als es sich dabei (wie kürzlich von der Band verlautbart) um eines ihrer letzten Konzerte handeln sollte.

Wer sich nur schweren Herzens dazu durchringen konnte, zugunsten von URFAUST auf einen Teil des Sets von OPETH zu verzichten, kann (vorerst) beruhigt aufatmen, denn aufgrund von technischen Problemen beginnen die als Headliner fungierenden Progressive-Metaller erst eine knappe halbe Stunde verspätet mit ihrem Auftritt. Der während der Show von SÓLSTAFIR eingesetzte Regen ergießt sich inzwischen in Strömen über die Festivalbesucher, die sich nichtsdestotrotz in beeindruckender Zahl vor der Außenbühne eingefunden haben. Für ihre Wetterresistenz werden die Versammelten mit einer fantastischen Darbietung belohnt. Die Setlist könnte vielseitiger nicht sein und umfasst sowohl verspielte Prog-Nummern wie das lässige „Sorceress“ als auch Death-Metal-lastige Klassiker wie „Demon Of The Fall“, bei denen die Zuschauer mitunter sogar die Gitarrenmelodien mitsingen.

Der Sound ist gestochen scharf, das Licht stets in Einklang mit der Musik und Åkerfeldt besticht zwischen den Liedern wie üblich mit seinem charmanten, unaufdringlichen Humor. Die anfängliche Verspätung fordert allerdings ihren Tribut, denn aufgrund der hiesigen Lärmschutzbestimmungen müssen OPETH ihr Set pünktlich um 23:00 Uhr abschließen und somit einige Songs streichen. Die Band reagiert auf die Hiobsbotschaft jedoch äußerst souverän, indem sie zur Verabschiedung (zum allerersten Mal in ihrer Bandgeschichte) eine auf den Schlussteil reduzierte Version von „Deliverance“ spielt, „weil einfach jeder diesen Part mag“ – ein kleines, aber feines Abschiedsgeschenk nach einer ohnehin schon fantastischen Headliner-Show.

  1. Sorceress
  2. Ghost Of Perdition
  3. Demon Of The Fall
  4. Cusp Of Eternity
  5. The Drapery Falls
  6. Deliverance (Kurzversion)

An dieser Stelle nach Hause zu gehen, kommt jedoch nicht infrage, denn auf der Indoor-Stage geht das Spektakel immer noch weiter. Dass aus dem VIENNA METAL MEETING auch nach dem Main-Act noch nicht die Luft raus ist, zeigt sich bereits an dem dichten Gedränge der vom Regen durchnässten Fans, die sich den Auftritt von NECROPHOBIC nicht entgehen lassen wollen. Und das völlig zu Recht: Zwischen zwei Bannern mit Abbildungen von Steinstatuen, die geradewegs in die Hölle zu zeigen scheinen, hechten die ganz in Leder, Nieten und Corpsepaint gehüllten Melodic-Black-Metaller über die Bühne und haben sichtlich Spaß daran, für eine gute Dreiviertelstunde lang die bösartigen Teufelsanbeter zu spielen. Es wird grimmig dreingeschaut und posiert und sowohl gesanglich als auch instrumental das Maximum an negativer Energie aus den gleichermaßen melodischen und wuchtigen Songs herausgeholt. Im Publikum machen sich zwar bereits erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar, doch mit ihrer ungezähmten Bühnenpräsenz ringen NECROPHOBIC den Leuten doch noch einiges an Applaus ab.

Dass Black Metal nicht gleich Black Metal ist, zeigt sich im Anschluss bei SECRETS OF THE MOON. Anders als NECROPHOBIC vermitteln die Deutschen die Finsternis, die in ihren Songs steckt, auf deutlich subtilere Weise. Nicht unähnlich der Herangehensweise von URFAUST setzt man hier auf spärliche Beleuchtung und die Kommunikation mit dem inzwischen schon etwas ausgedünnten Publikum beschränkt sich auf ein Minimum. Obwohl SECRETS OF THE MOON ihre Darbietung wesentlich dynamischer gestalten als URFAUST und vor allem mit den eher im Dark Rock angesiedelten Songs ihres aktuellen Albums „Sun“ einige richtig starke Tracks zum Besten geben, bleibt die Wirkung der Musik doch deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück. Schuld daran ist der äußerst dürftige Sound der Instrumente, in dem sowohl der markante Gesang als auch die mysteriösen Gitarrenmelodien fast gänzlich verschwinden. Diesen schwerwiegenden Makel kann die Band leider weder mit der hervorragenden Setlist noch mit der soliden Performance ausgleichen.

Für die allerletzte Show des Festivals haben die Veranstalter eine weitere Überraschung aus dem Hut gezaubert. Da die eigentlich für den Abschluss-Slot angekündigten Insanity Alert erst einige Stunden zuvor absagten, steht nun mit den kurzfristig eingesprungenen HELLAVISTA eine andere österreichische Thrash-Metal-Band auf dem Plan. Dass es zwischen Bands desselben Genres selbst bei einer so homogenen Stilrichtung wie Thrash Metal beträchtliche Qualitätsunterschiede geben kann, wird hier leider allzu offensichtlich. Zwar ist die fünfköpfige Band sichtlich darum bemüht, den letzten, größtenteils schon längst im Vollrausch vor sich hinschwankenden Besuchern noch einmal ordentlich einzuheizen, doch es ist nicht zu überhören, dass die Truppe kaum Zeit zum Proben hatte. Ständig passieren den Österreichern spielerische Patzer, der Sound ist viel zu ruppig und mit ihren Erklärungen zu albernen Songs wie „Hellevator“ sorgen HELLAVISTA eher für Fremdschämen denn für Amüsement. Das haben ENCLAVE dann doch besser hinbekommen.

Mögen die Bands zum Ende hin auch ein wenig geschwächelt (SECRETS OF THE MOON) und davor bereits nicht immer sämtliche Erwartungen erfüllt haben (URFAUST), so gab es auf dem diesjährigen VIENNA METAL MEETING doch mehr als genug herausragende Shows zu bewundern – allen voran CHAPEL OF DISEASE, OUR SURVIVAL DEPENDS ON US und OPETH. Auch das Organisationstalent der Veranstalter muss lobend erwähnt werden: Für ausfallende Bands wurde innerhalb kürzester Zeit Ersatz gefunden, auf die zum Ende hin schwierigen Wetterverhältnisse war man mit der Ausgabe von Regenmänteln bestens vorbereitet, der Andrang an den Toiletten wurde diesmal durch zusätzliche WC-Container gedrosselt und die Verlegung der Merch-Stände in die District-19-Räume verringerte das Gedränge bei den Bühnen.

Eine etwas größere Auswahl an den Essensständen wäre zwar wünschenswert gewesen, doch preislich war das Angebot durchaus vertretbar und grundsätzlich gab es auch vegane Alternativen. Abgesehen von diesem minimalen Kritikpunkt wurde aus organisatorischer Sicht jedoch absolut alles richtig gemacht. Den Ticketpreis von etwa 70 Euro kann das VIENNA METAL MEETING somit nach wie vor problemlos rechtfertigen und angesichts der ersten, schon jetzt für das nächste Jahr angekündigten Bands – unter anderem Paradise Lost, Katatonia und Grand Magus – deuten alle Zeichen darauf, dass es auch bei der vierten Ausgabe des Festivals so sein wird.

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Fotos von: Stephan Rajchl

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