Konzertbericht: Yes

2009-12-07 Philharmonie, München

Am 7.12. lud einer der letzten, heutzutage gern vergessenen Prog-Giganten in die Münchner Philharmonie: Chris Squire, Steve Howe und Alan White, soweit die klassischen Mitglieder, verstärkt durch Oliver Wakeman und Benoit David – Die Rede ist natürlich von YES, die sich dieser Tage mal wieder aufmachen, den Europäern ihren Namen ins Gedächtnis zu rufen, wobei ein neues Album immer noch unbestimmte Zeit auf sich warten lässt.

Sehr angenehm fällt schon im Vorfeld auf, dass man auf eine Vorband komplett verzichtet, sich dafür selbst aber insgesamt zwei einviertel Stunden die Ehre gibt. Eine sehr beachtliche Spielzeit für eine Band, bei der, David und Wakeman ausgenommen, die körperliche Talfahrt schon ein sehr fortgeschrittenes Stadium erreicht hat. Allen voran Steve Howe, der derart ausgemergelt wirkt, dass man sich wundern muss, dass er sich überhaupt noch auf den Beinen halten kann.
Die Performance der Songs leidet unter dem visuellen Aspekt allerdings nicht: Ob nun „Siberian Khatru“, „Roundabout“ oder „I’ve Seen All Good People“, YES trumpfen mit einem Hitfeuerwerk auf, wie es eben nur eine Band tun kann, die sich 10 Jahre nur damit beschäftigt hat, großartige Alben zu veröffentlichen. Der Fünfer schafft es immer noch wunderbar, die Atmosphäre aus dem Studio in den Saal zu bringen: Die wunderschönen Gesangs- und Keyboardmelodien, die die typische, friedliche Yes-Stimmung transportieren auf der einen, die Flamenco- und Klassik-inspirierten Gitarrenstücke Howes und Squires knarzige Basslinien auf der anderen Seite. Dabei schlagen sich die neuen Mitglieder wirklich gut, Benoit David ist ein sehr würdiger Anderson-Ersatz, der sich, anfangs vielleicht noch etwas quäkiger als die noch „reinere“ Stimme des Originals zum großen Finale hin immer weiter steigert und die abartig hohen Gesangslinien bravourös meistert. Auch Oliver Wakeman ist, das Keyboardspiel vermutlich schon im Mutterleib verinnerlicht, sowohl optisch als auch spielerisch das Äquivalent seines Vaters (in jüngeren Tagen).Die Songauswahl ist, wie oben angedeutet, mit großen YES-Songs regelrecht gespickt, natürlich kommen aber auch neuere Titel mal zum Zug, wie etwa „Owner Of A Lonely Heart“, das sich durch seine mir persönlich zu cheesige Refrain-Melodien zu „Yours Is No Disgrace“ in die Riege der etwas schwächeren Songs reihen muss. Dieser, in der Studioversion wohl mit beste Titel, der überhaupt je von den Briten geschrieben wurde, krankt hier, wie offenbar aber schon seit längerer Zeit bei Konzerten der Band, an der überwältigenden Langsamkeit, in der er dargeboten wird, was ihm jegliche Energie raubt, vor der er normalerweise strotzt. Als wäre man sich dieses Umstandes bewusst, kommt der Song aber auch nicht zum Ende des Sets, denn hier macht man dann sowohl in Songauswahl als auch in den Details der Darbietung alles richtig. Den Anfang des Schlussdreiers macht „Heart Of The Sunrise“, das in seinen ruhigeren Teilstücken mit einer der schönsten Gesangsmelodien punkten kann, die Jon Anderson je aufgenommen (und Benoit David gesungen) hat, zu welchen die für YES-Verhältnisse brachialen Instrumentalparts wirkungsvolle Kontraste setzen. Weiter geht’s mit dem Klassiker „The Fish“, das als wohl bekanntester YES-Song in unseren Gefilden ebenfalls nicht fehlen darf und zugunsten improvisatorischer Tätigkeiten gestreckt wird, bevor die Band das erste Mal die Bühne verlässt. Als sie wiederkommt folgt mit „Starship Trooper“ als Zugabe die meiner Meinung nach inoffizielle Bandhymne, die noch mal zeigt, was Progressive Rock ausmacht, und was dieser anderen Spielarten voraushat: Ein Riff, das auch in Endlosschleife nicht langweilig wird, wird umspielt von ausgedehnten Improvisationen, bei welchen sich vor allem Chris Squire und Steve Howe noch mal hervortun. Dem Song wird scheinbar unendlich viel Zeit gegeben, sich zu entwickeln, bevor überhaupt mal in einen anderen Abschnitt gewechselt wird und dem Hörer genug Gelegenheit, sich in dessen Atmosphäre hineinzuversetzen. Klappt meist weniger gut bei 3-Minütern.

Der Sound weiß leider nicht im selben Maße wie die Band zu überzeugen, der sich entgegengesetzt der Gesangesleistung von Benoit David entwickelt: zu Anfang noch glasklar und mit angenehmer Lautstärke, wird’s zu zwei Dritteln etwas matschig und gegen Ende unerträglich laut, was die Annahme Lügen straft, man könne in einem klassischen Konzertsaal auf Ohropax verzichten.

YES waren ihre 50-75 Euro trotzdem mehr als wert, für mich als relativen Neuling ebenso wie für Kenner. Dass Jon Anderson und Rick Wakeman nicht dabei waren mag für Nostalgiker traurig sein, allerdings vermute ich doch schwer, dass beide wohl weniger aus Lustlosigkeit als aus Mangel an Leistungsfähigkeit zuhause blieben. Trotzdem blieb eine wunderschöne Show und die Gewissheit, keine Sekunde zu früh gehandelt zu haben, die Band noch live zu sehen.

Publiziert am von Marius Mutz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert