Review Abhor – Ab Luna Lucenti, Ab Noctua Protecti

  • Label: Moribund
  • Veröffentlicht: 2011
  • Spielart: Black Metal

Der Mensch, der alle legendären und okkulten Black-Metal-Bands kennt, muss ein sehr weiser Mann sein. Denn der Laie, im guten Glauben, einigermaßen fundiertes Backgroundwissen in diesem Sektor zu besitzen, wird immer wieder mit großartigen Karrieren von Bands konfrontiert, die bisher an ihm vorbeigegangen sind. Auch ABHOR sind so eine Band. 16 Jahre haben die Italiener auch schon auf dem Buckel, gehört hat man dennoch nie von ihnen.
Nun ist das mit den legendären und okkulten Black-Metal-Bands aber häufig so eine Sache – denn oft sind es genau diese Formationen, bei welchen man jede Minute, die man mit ihner Musik verbringt, am meisten bereut.

ABHOR sind in diesen Reihen insofern bemerkenswert, als dass sie ihren Anspruch ausnahmsweise mal nicht durch 30-40 Minuten unbeholfenen, gesichtslosen True Black Metal rechtfertigen, sondern tatsächlich etwas Eigenes auf die Beine stellen. „Ab Luna Lucenti, Ab Noctua Protecti“ fällt vor allem durch den freigiebigen Einsatz von Keyboard auf: Mal als Imitation einer Kirchenorgel, mal in schriller Synthie-Manier – zu diesen Gelegenheiten wirkt das Instrument leider sehr billig und unpassend – vor allem aber mit klassischem Klaviersound, der als Stilmittel doch zu überzeugen weiß.
Die im (insgesamt bescheidenen) Sound prominent platzierten Piano-Spuren sind zum Glück das genaue Gegenteil des meist doch sehr nach warmen Gefühlen klingenden Gothic-Elfen-Geklimpers: Hypnotische, verstörende Klänge, bedacht eingesetzt und doch so verquer, dass die Atmosphäre einen manischen Touch bekommt. Ob der Black Metal außenherum dann rast, sich voranschleppt oder marschiert, verkommt beinahe zur Nebensache. ABHOR nehmen gefangen und schaffen es, „Ab Luna Lucenti, Ab Noctua Protecti“ mit seinen immerhin 47 Minuten fast im Flug vergehen zu lassen, nicht zuletzt wohl durch den auch neben dem Klavier (obwohl dieses sicher das Trademark der Scheibe darstellt) sehr abwechslungsreichen Sound. Im finalen „Aura Ignis Aqua Tellus“ übernehmen gar Akustikgitarre und ein aktiv untermalender Bass das Feld und absolvieren den Grenzgang zwischen „peinlich“ und „erfrischend anders“ insgesamt geglückt.

„Fast im Flug“ und „insgesamt geglückt“: Ohne Einschränkung wissen ABHOR dann doch nicht zu überzeugen. Denn häufig liegt ein gewisser Touch von Holprigkeit in der Luft. Vielleicht liegt es am nicht eben klaren Sound, vielleicht am dilettantischen Artwork, das der Musik, hässlich wie es ist, keinen positiven Stempel aufdrückt. Oder vielleicht hatten ABHOR für viele Songs auf „Ab Luna Lucenti, Ab Noctua Protecti“ auch einfach nur ein glückliches Händchen und haben die Wirkung der Nummern gar nicht so genau kalkuliert, was dann halt auch mal daneben geht. Nicht wegdiskutieren lässt sich jedenfalls, dass Elemente wie bellendes Geschrei oder Frauen-Sprachsamples aus den ansonsten packenden Songs aufschrecken und Zweifel aufkeimen lassen, ob man sich dieses Album nicht schöner redet, als es ist.

ABHOR scheint eine gewisse Routine trotz 16 Jahren Existenz noch zu fehlen. Nicht zuletzt könnte man nach dieser Zeitspanne zudem auch merken, dass man sein Material durchaus ansprechender einkleiden könnte, ob nun optisch oder akustisch. Trotzdem hat mich „Ab Luna Lucenti, Ab Noctua Protecti“ positiv überrascht und ich habe es, nachdem klar war, was die Scheibe bietet, gerne noch öfter angehört. Das ist immerhin mehr, als viele andere selbsternannte Legenden dieses Sektors von sich behaupten können. Wer auf Black Metal steht, der nicht direkt unkonventionell, aber ambitioniert anders ist, kann sich „Ab Luna Lucenti, Ab Noctua Protecti“ im Bewusstsein des Status einer italienischen Underground-Produktion bedenkenlos zulegen.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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