Review Ad Nemori – Pyre (EP)

Manchmal passiert es gerade jungen Bands, dass sie jahrelang ihre musikalischen Visionen ausleben und durchstarten möchten, aufgrund diverser Schwierigkeiten in der Bandgeschichte aber immer wieder daran gehindert werden. Ein Beispiel dafür ist die deshalb noch gänzlich unbekannte Melodic-Death-Metal-Formation AD NEMORI aus München.
Mit ihrer nun veröffentlichten EP „Pyre“ will die inzwischen aus sechs Mitgliedern bestehende Combo nicht nur ein erstes Lebenszeichen in die Welt schicken, sondern auch bezüglich ihrer bereits achtjährigen Vergangenheit mit dem inzwischen ausgestiegenen Gitarristen und Songwriter Tobias Hoppe einen Schlussstrich in Form eines musikalischen Denkmals ziehen. Mit dem weiterentwickelten, bereits in den Startlöchern stehenden Material ihres anderen Songwriters Stephan Preißner plant die Band nach eigener Aussage ihre Reise in neue Richtungen fortzusetzen.

Die Einflüsse auf „Pyre“ zeigen sich schnell sehr deutlich. Die Truppe strebt einen sehr tristen, melancholischen Klang im Stile von Insomnium oder stellenweise auch Be’Lakor an. Das Keyboard steht überwiegend in Form von Streichern und Klavier stark im Vordergrund, die Songs sind eher im langsamen oder mittleren Tempo angesiedelt und haben deutlichen Balladencharakter. Die Münchner kreieren gekonnt eine äußerst emotionale Wirkung, wie man sie bei Bands aus diesem Bereich tatsächlich in diesem Maße selten hört. „The Stone’s Creek“ etwa steigert sich von getragenen Clean-Gitarren bis hin zur Soundwand aus Tragik und Melancholie, die nach einem kurzen, aber wundervollen Klavierteil über dem Hörer einstürzt. „The Last Day’s Dawn“ ist mit seinen achteinhalb Minuten vielleicht etwas zu episch und ambitioniert veranschlagt, weiß die Stärken der Band aber am gekonntesten auszuspielen. Doch auch die beiden anderen Stücke warten mit gelungenen Riffs auf.

Erfreulicherweise kann das Sextett dabei ein fantastisches Gespür für Melodien vorweisen, die sich nicht nur sofort in den Gehörgang fressen, sondern auch mit beachtlicher Intensität auf der Gefühlsebene punkten können. Die saubere, aber etwas kraftlose und merklich unperfekte Produktion der Platte kann zwar mit dem üblichen Genrestandard nicht mithalten, für eine erste EP, die wohl auch nicht zu viel Geld fressen sollte, geht der Sound und die Einspielgenauigkeit dennoch in Ordnung.
Dass AD NEMORI sich stilistisch stark nach ihren Vorbildern richtet, kann als Kinderkrankheit gewertet werden, die es für kommende Releases auszumerzen gilt, denn an mancher Stelle hält sich die Band schon gefährlich nahe an ihren Inspirationsquellen auf. So ist der Insomnium-Einfluss quasi omnipräsent und das akzentuierte Klavier-Intro von „Beside The Oak“ erinnert schon etwas zu sehr an das des Dark-Tranquillity-Songs „The Mundane And The Magic“. Dass zudem die Einzelteile wirklich schön komponiert, aber an vielen Stellen nicht so recht in einen stimmigen Zusammenhang eingebunden werden konnten und dadurch so mancher holprige Übergang zwischen sanftem Clean-Gitarrenteil und aggressiverem Melodeath-Riffing entstanden ist, fällt auch des Öfteren etwas unangenehm auf.

Nichtsdestotrotz legen AD NEMORI mit ihrer EP „Pyre“ ein beachtliches Erstlingswerk vor, das vor allem mit seiner ergreifenden Klangwelt, seinen überaus gelungenen Melodien und einer in Zeiten totproduzierten, seelenlosen, modernen Melodeaths erfrischend unverbrauchten und authentischen Atmosphäre beeindrucken kann. Dass die Münchner sich bei diesen ersten musikalischen Gehversuchen noch arg an ihre Vorbilder klammern und in manche kompositorischen Fettnäpfchen treten, sei angesichts der vielleicht noch fehlenden Erfahrung und des noch recht jungen Durchschnittsalters der Band verziehen. Wenn sie es schaffen, diese Probleme beim nächsten Release zu umgehen, dann könnte der Melodic Death Metal bald eine weitere vielversprechende Newcomerband haben, die das etwas festgefahrene Genre wieder aufmischt. Auf jeden Fall verfolgenswert.

Keine Wertung

Publiziert am von Simon Bodesheim

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