Review Amorphis – Tuonela

AMORPHIS als alt zu bezeichnen, mag den frischen Finnen nicht unbedingt gerecht werden. Dass sie aber alte Themen aufgreifen, ist unbestritten, ist die vielzitierte Kalevala doch das Nationalepos aus dem wunderschönen Land der 1000 und mehr Seen. Bereits der großartige Komponist Jean Sibelius beschwor diesen einzigartigen Flecken Erde und verwendete dabei Titel, die auch heute noch aktuell erscheinen. In diesem Fall ist das Beispiel „The Swan Of Tuonela“ oder schlicht „Tuonela“, wie das Output im Falle von AMORPHIS heißt.

„The Underworld“ ist sozusagen der Untertitel der Platte und somit deutet sich an, worum es hier geht. Das äußerst düster und depressiv, aber nicht hoffnungslos, sondern vielmehr emotional schillernde Cover unterstreicht dabei die Marschrichtung, die der Fünfer um den damaligen Sänger Pasi Koskinen aus Suomi`s Mitte einschlägt. Dennoch (denn gewisse Stilmittel waren uns von den Finnen auf ihren Vorgängern „Tales From The Thousand Lakes“ und „Elegy“ bereits bekannt) haben wir es hier de facto mit einem quasi völlig neuen Album mit fast völlig neuer Musik zu tun, denn „Tuonela“ ist anders als das bisher Gekannte, was sich direkt beim flotten Opener „The Way“ zeigt. Schnörkellos geht es über viereinhalb Minuten dahin. Interessant ist dabei die lyrische Aufteilung, denn es gibt quasi eine Strophe und drei Refrains, wobei Eines vom Anderen klar abgegrenzt ist.

Auch die weiteren Songs, „Morning Star“ und vor allem „Nightfall“ halten problemlos das Niveau von „The Way“. Bis dato werden keinerlei Schwächen deutlich, auch wenn die Songs bemerkenswert unaufgeregt sind. Dezente Ohrwürmer, die weder aufgesetzt noch aufdringlich klingen und bei der sommerlichen Autofahrt zum frohen Mitsingen einladen. Eigentlich ganz dem Titel entgegengesetzt. Der Titeltrack, psychologisch nicht ungünstig an Position vier gesetzt, ist quasi als erstes Highlight zu verstehen, denn hier passt schon mal viel zueinander: düstere Stimmung, melodische Instrumentierung, und ein Text, der zwar nicht unbedingt klischeefrei, aber dafür um so ehrlicher erscheint.

Der alteingesessene AMOPRHIS-Fan wird bei „Greed“ sicher extrem abfeiern, denn endlich, so mag es erscheinen, wird auch mal gegrowlt. Man kann AMORPHIS zwar auch ohne Geschrei mögen, aber unbestreitbar verleit Pasi der Musik hiermit eine emotionale Tiefe, die vielleicht nicht ihres Gleichen, aber doch adäquate Nachahmer sucht. Bevor ich jetzt jeden einzelnen Song aufzähle, sei gesagt, dass mit Lied Nummer 6 („Divinity“) der beste Song von Allen noch aussteht, hier passt es halt. Abwechslungsreich, hart, weich, eingängig, innovativ, es gibt kaum eine Bezeichnung, die hier nicht zutrifft.

Danach passiert leider etwas, was vielen Bands bereits zum Verhängnis wurde: Das Niveau der ersten, grandiosen, Momente lässt sich nicht halten und so kommt es, wie es kommen muss: Die letzten Songs glänzen vor allem durch Langeweile, auch wenn man vom wirklich gelungenen „Withered“ und mit Abstrichen auch von „Summer`s End“ absieht, merkt man dem Album zum Ende an dass die Ideen ausgingen.

Nichtsdestotrotz legten AMORPHIS zur Jahrtausendwende ein Gothic-Werk vor, welches durch Reife, Eingängigkeit und Kompaktheit besticht. Dass die Finnen zu mehr in der Lage sind, bewiesen sie spätestens mit „Eclipse“. Hier sind bereits wichtige Grundlagen geschaffen.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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