Review Anathema – Distant Satellites

ANATHEMA waren schon immer für Überraschungen und große Momente gut. Leider bewiesen sie aber zumindest mit „A Fine Day To Exit“, dass sie es auch kräftig übertreiben können. „Distant Satellites“ heißt das neue Studioalbum, welches nach den starken („We´re Here Because We´re Here„) bzw. großartigen („Weather Systems„) Vorgängern massive Erwartungen schürte, Erwartungen, denen der Cavanagh-Clan nicht gerecht werden kann. So viel sei schon einmal vorweg genommen, trotzdem sollte man sich einer genaueren Analyse widmen.

Stilistisch bleibt man sich treu, die Musik ist tempomäßig ganz ähnlich gehalten wie die beiden Referenzwerke. Man setzt also eher auf relaxtes, langsames Tempo mit vielen Keyboards und versucht, durch die weiterhin charismatischen Stimmen die Gefühle zu schüren. Dies alles hat zuvor bestens funktioniert, hier verzetteln sich die Briten aber allzu oft in den eigenen Ansprüchen, immer mehr in die Waagschale zu werfen.
Das Erfolgsrezept von Songs wie „The Lost Child“, welches sich nach soundtrackartigem Beginn immer mehr aufschaukelt und schließlich einen emotionalen Ausbruch der Extraklasse präsentiert, wird zu schlicht weitergestrickt. Viele Songs auf „Distant Satellites“ beginnen langsam und werden von ANATHEMA dann mit immer mehr Elementen zugekleistert, so dass am Ende zu oft das Chaos regiert: Zu flächigen Keyboards kommen die Saiteninstrumente, die das Tempo (durchaus erfreulich) auch schon mal anzuziehen wissen, das Schlagzeug spielt sich mit progressiven Ansätzen ab und an zu sehr in den Vordergrund und die Sänger scheinen sich in einem „ich bin aber lauter und kann noch mehr viel in das Lied packen“-Wettstreit überbieten zu wollen.

Der Prototyp für diese Kritik stellt „Dusk (Dark Is Descending)“ dar, beginnt es noch betont ruhig, nimmt es bald nicht nur Fahrt, sondern auch immer mehr Melodien auf, was in einem dezenten Chaos endet. Da auch die Fronter Lee und Vincent scheinbar wahllos durcheinander singen, geht dem Lied im Mittelteil beinahe jegliche Struktur verloren. Wohltuend reduziert man zwar immer wieder die Masse, die den Hörer schier erdrückt, aber das ist nur eine kurze Momentaufnahme, bevor man wieder gefordert wird.
Zudem funktionieren dieses Mal die ruhigeren Nummern, traditionell die wirklich starke Seite von ANATHEMA, nicht so, wie man es zuletzt gewohnt war. Lieder wie „Ariel“ oder „The Lost Song, Pt. III“ sind einfach nur langsam, verströmen aber nicht diese überwältigende Atmosphäre, die den Sound der Briten über die Jahre immer wieder prägte.

Schade, ANATHEMA können das viel besser und das wissen alle. „Distant Satellites“ erinnert in seiner Ambition, immer noch einen drauf zu setzen, sehr stark an das eingangs erwähnte „A Fine Day To Exit“. Viel Aufwand, wenig Ertrag. Sind Alben der Düsterrocker sonst jederzeit ein Pflichtkauf, kann man in diesem Fall getrost einen Bogen um die Scheibe machen und auf die möglicherweise schon bald erwartbare Preisreduzierung im Sonderpreisregal des Plattendealers warten.

Wertung: 4 / 10

Publiziert am von Jan Müller

5 Kommentare zu “Anathema – Distant Satellites

  1. Ich muss ja andere Leute warnen, wenn ich deine Reviews so komisch finde. Wenn Dinge, die ich gut finde, schlecht bewertet werden und andersrum, kann ich damit leben, wenn alles nachvollziehbar begründet ist. Bei dir fehlt mir letzteres.

    1. Naja, ich habe das ja schon nachvollziehbar begründet, nur für Dich nicht, da Dein Maßstab alleine Deine Meinung ist. Ist mir ja recht, aber vielleicht überlässt Du es anderen Leuten, ob sie die Review lesen wollen oder nicht. Andererseits machst Du gerade ja ziemlich gute Werbung, also warn ruhig weiter ;) Wie ernst man das nehmen kann, zeigt ja der Hinweis auf „Weather Systems“…

  2. Oh je, der Jan Müller scheint wirklich zu würfeln, um seine Bewertungen zu erhalten. Seine Texte überzeugen mich auch nur in seltenen Fällen.

    Hier mal ein paar Beispiel für seine Wertungen:

    Anathema – Weather Systems 10/10
    Anathema – Alternative 4 6,5/10
    Anathema – Distant Satellites 4/10
    Paradise Lost – Gothic 5/10(!)
    Crematory – Antiserum 7/10(!)
    My Dying Bride – […] Complete 7,5/10
    My Dying Bride – Al Line of Deathless Kings 5/10
    ….

    Jedenfalls kann ich nur raten, seine Reviews zu ignorieren! Ich mag „Weather Systems“ nicht sonderlich und „Distant Satellites“ sagt mir etwas mehr zu. Auf keinen Fall sind aber 6(!) Punkte dazwischen!
    Die elektronischen Elemente im zweiten Teil der Scheibe sollten in einem Review wirklich viel eher Beachtung finden als Quervergleiche zu uralten Alben.

    1. Mist, ertappt!! Ich habe extra meinen W10 (wer kennt noch „Das schwarze Auge“?) ausgepackt, weil der zu unserem Bewertungssystem so gut passt.

      Ansonsten habe ich noch einen brandheißen Tipp für Dich: Befolge Deine Empfehlung doch selber und lese meine Reviews nicht mehr, es scheint Dir wirklich schlecht damit zu gehen ;)

      Aber ich erkläre den Sachverhalt trotzdem noch mal: Musik liegt IMMER im Auge des Betrachters und mir hat diese CD nun mal überhaupt nicht gefallen. Da Du ja immer so gerne darauf rumreitest, dass ich Crematory 7/10 gegeben habe, diese Scheibe hingegen gefiel mir, auch wenn ich Crematory sonst eher bescheiden finde (es ist ja kein Wunder, dass die sonst bei M1 kaum vertreten sind).

      Das Gefallen von Musik hat auch nicht (unbedingt) etwas damit zu tun, wie versiert die Musiker sind, sonst würde jede Prog-CD 10/10 und jede Punk-Scheibe 0/10 bekommen und ich schrieb es ja, „Distant Satellites“ krankt sehr daran, dass man immer und immer mehr in die Songs gepackt hat, statt etwas schlichter zu bleiben.

      Ist doch super, dass Dir die CD gut gefällt, mir gefällt sie nicht. Dafür finde ich „Weather Systems“ gut. Du nicht, wo ist also das Problem?

  3. Ich gebe dir recht damit, dass „Distant Satellites“ nicht an „Weather Systems“ herankommt. Deine Bewertung lässt das Album allerdings wesentlich schlechter dastehen, als es tatsächlich ist. 7 Punkte sind aus meiner Sicht locker drin. Völlig unerwähnt bleiben zudem die schönen Elektronik-Experimente im letzten Drittel der Scheibe, die durchaus neu sind und der Band sehr gut zu Gesicht stehen. Genau diese Sounds und Einflüsse sind es letztendlich, die das Album für mich spannend machen und auch aufzeigen, wohin die Reise von Anathema in Zukunft gehen könnte.

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