Der Sänger und Multiinstrumentalist Horace Rosenqvist aka Waldorf ist einer dieser Musiker, deren Genie nur einem vergleichsweise kleinen Kreis bekannt ist und das, obwohl er mit seinem Projekt AQUILUS schon seit 2005 Musik veröffentlicht. Nach zwei Demos und einer EP veröffentlichte der Kanadier 2011 ein Glanzstück symphonischen (Black) Metals: „Griseus“ verschaffte dem Australier im Underground nahezu kritiklose Besprechungen. Selbst bei renommierten Presseblättern wurde dem Debüt mit Achtung begegnet. Dann – als wäre er nie da gewesen – zehn Jahre vollkommene Stille.
Ein Jahrzehnt später, ganz ohne Promo, ohne Aufsehen und große Trommelei durch das damalige Label Blood Music veröffentlichte Rosenqvist mit „Bellum I“ quasi aus dem Nichts den Nachfolger zu „Griseus“. Was heute musikalisch hinter AQUILUS steckt, beleuchten wir nun anhand von „Bellum II“.
AQUILUS vereint viele Metal-Genres unter seinem Banner. Gemeinhin dem Symphonic Black Metal zugeordnet, sind auch Elemente aus dem Progressive Death Metal („Into the Earth“) fester Bestandteil der musikalischen Farbpalette des Ein-Mann-Projektes. Unverzichtbar für den Sound von AQUILUS ist der Einsatz folkloristischer und klassischer Elemente, die immer wieder das brachiale Metal-Dickicht durchbrechen. Diese werden einerseits als klare Begrenzung genutzt, wie beispielsweise auf dem Instrumental „A Solitary Demise“ zu hören, oder sie werden schlüssig mit allen anderen Einflüssen verbunden. Dafür exemplarisch steht das 16-minütige „Nigh To Her Gloam“, das ohne weiteres mit Ausnahmebands wie Ne Obliviscaris und Wilderun mithalten kann.
Dass Rosenqvist auch eine außerordentliche Liebe für akustische Gitarren zu hegen scheint, belegen besonders die Songs „Sombre Loom“ und „My Frost-Laden Vale“. Bei letztgenanntem fühlt man sich doch recht offensiv an Opeth zu „Black Water Park“-Zeiten erinnert – aber schlimm ist das nicht. Da AQUILUS ihre symphonischen und neoklassischen Arrangements mal als Bindeglied und mal als dramaturgisches Werkzeug benutzen, werden Reminiszenzen zur eigenen Tonalität umgeformt. Was AQUILUS ebenfalls mit den Schweden von Opeth gemein haben, ist die Progressivität, wenn sie auch bei Rosenqvist längst nicht so zentral Verwendung findet. Das mag fast beruhigend sein, denn die Sache mit der Komplexität ist auch der Makel, der „Bellum II“ anhaftet.
AQUILUS sind absolut imstande, große atmosphärische Stimmungen zu erzeugen. „Bellum II“ kann das immer wieder belegen. Allerdings ist es gerade bei überlangen Stücken, die nun mal ein gewisser Standard bei AQUILUS sind, extrem schwer, den Spannungsbogen hochzuhalten. Einige der akustischen Arrangements auf dem neuen Album und gerade die ruhigen Spannungsabbauten werden nicht immer schlüssig in die aggressiven Black-Metal-Wälle zurückgeführt. Teilweise geraten diese Momente einfach zu lang, weshalb selbst die unfassbar tollen Parts, die sich meist anschließen, nur selten (be-)greifbar sind. Am Ende behandelt „Bellum II“ (Latein für den allgemeinen Begriff „Krieg“) die Zerrissenheit der eigenen Existenz, den Krieg mit sich selbst. Das Auf und Ab eines solchen Kampfes hätte man dennoch wirkungsvoller abbilden können.
Unterm Strich kann man konstatieren: AQUILUS haben mit „Bellum II“ erneut ein hoch ambitioniertes Album veröffentlicht, das mit der notwendigen Geduld Unmengen großer Momente zwischen klassischer Dramaturgie und genrekonformer Brachialität bereithält. Fans von Bands wie Opeth, Ne Obliviscaris, Wilderun, Ihsahn oder auch Septicflesh sollten dem Gesamtwerk von AQUILUS definitiv ein wenig Zeit schenken.
Wertung: 7.5 / 10