Das Proglabel InsideOut hat in den vergangenen Jahren die beiden Power-Prog-Vorzeigebands Threshold und Symphony X verloren, die zu Nuclear Blast abgewandert sind. Da verwundert es kaum, dass die Plattenfirma nun mit ASPERA eine Band unter Vertrag genommen hat, die wohl genau diese Lücke wieder füllen soll – der Promotext zum Album wartet dann auch gleich mit einem entsprechend hochstaplerischen Zitat auf: „Das Debüt-Album von ASPERA ist eins der besten Progressive Metal Alben die ich seit seeeehr langem gehört habe. Seit 1992, um genau zu sein“, so Jens Bosgren, der sich für Mix und Mastering des vorliegendes Werkes verantwortlich zeichnet.
Der Bezug auf das Jahr 1992 und das für das Progmetal-Genre richtungsweisende Dream Theater-Album „Images And Words“ ist immerhin gerechtfertigt: Wie so viele andere Bands klingen auch ASPERA auf „Ripples“ wie das Traumtheater vor 17 Jahren. Ihr könnt Euch also schon vorstellen, dass bei den fünf Norwegern Eigenständigkeit (noch) nicht besonders groß geschrieben wird. Dream Theater und Pagan’s Mind, dazu eine Prise Symphony X und Evergrey, fertig ist der schon so oft gehörte Stil-Cocktail.
Zu gern hätte der Rezensent dieses Scheibchen einfach abserviert, als langweilig und öde abgestempelt. Geht aber nicht. Denn abgesehen vom völlig unnötigen und unpassenden Intro legen die fünf noch sehr jungen Herren (sie waren bei der Aufnahme zwischen 18 bis 19 Jahren alt) neun sehr amtliche Nummern vor. In einem Alter, in dem andere Nachwuchsmusiker noch in Coverbands ihr Dasein fristen oder fleißig üben, um wie Petrucci oder Portnoy zu klingen, schaffen es ASPERA, tatsächlich schon reif und erwachsen aufzutreten.
Das macht sich insbesondere daran bemerkbar, dass sie es unheimlich gut verstehen, Genre-Fallen zu umgehen: So überzeugt Sänger Atle Pettersen zum Beispiel mit seinem sehr ausgewogenen Gesang, indem er allzu hohe Kreischattaken vermeidet und dennoch emotional und kraftvoll intoniert. Keyboarder Nickolas Main Henriksen punktet mit geschmackvollen Songs und spielt sich nicht in den Vordergrund. Gitarrist Robin Ognedal gehört schon jetzt zu den großen seiner Zunft, denn er beherrscht nicht nur hartes Riffing und Frickelsoli, sondern entlockt seinem Instrument atmosphärische, getragene Passagen, wie sie selbst Dream Theater Anno 1992 nicht besser hinbekommen haben – ups, habe ich das gerade tatsächlich geschrieben?
Die Kompositionen sind schlüssig, stets songdienlich und schaffen den Spagat zwischen der Melodieverliebtheit des Melodic Metal und den vertrackten Arrangements des Progmetal. Dabei sind sie episch, abwechslungsreich und vor allem überaus ohrwurmig. Ausfälle gibt es keine. Auch machen die fünf Jungs nicht den Fehler, einen gestückelten 20-Minüter zusammenzuschustern, damit es auf der Hülle gut aussieht und den Genrefans das Wasser im Munde zusammenläuft.
So bleibt am Ende eine bemerkenswerte Feststellung: ASPERA sind ganz frisch im Geschäft und präsentieren zwar absolut nichts Neues – dafür aber etwas Bekanntes auf eine erstaunlich reife, abgeklärte Art, die einfach überzeugt. Bleibt zu hoffen, dass die Band sich nicht selbst beschränkt und ihren Stil behutsam weiterentwickelt, damit es mit der Eigenständigkeit noch was wird. Ich traue es ihnen zu und erfreue mich bis dahin an diesem sehr runden Gesamtpaket.
Anspieltipps: „Do I Dare?“, „Remorse“, „Between Black & White“
Wertung: 8.5 / 10