Review Beardfish – Sleeping In Traffic: Part One

Nein, BEARDFISH haben rein gar nichts mit Spock’s Beard zu tun, wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass beide seltsame Namen gewählt haben und bei InsideOut unter Vertrag sind. Die Bartfische stammen aus Schweden und servieren uns mit „Sleeping In Traffic: Part One“ ihr drittes Album. Diesem zuvor kamen „The Sane Day“ (2006) sowie „Från en plats du ej kann se…“ (2003). Mit neuem Label im Rücken und dem aktuellen Album bekommt der schwedische Geheimtipp erstmals die Möglichkeit, sich auch einem breiteren Publikum vorzustellen.

Die Musik auf „Sleeping In Traffic: Part One“ ist dann auch klar und deutlich als Retroprog zu identifizieren. Mal hochmelodisch mit klassischen Melodien und mit starken Anleihen an Genesis, aber auch durchaus mal etwas exquisiter, flippiger und frickeliger. In diesem Momenten erinnern die vier Jungs manchmal auch an eine Light-Version von King Crimson. Die Melodien und der Gesang von Rikard Sjöblom kommen dabei sehr edel und erhaben rüber, atmen nicht selten die Seele von solchen Perlen wie „In The Court Of The Crimson King“ von King Crimson und erinnern mich persönlich aus irgendeinem Grund an Matthew Parmenter von den eher unbekannten Retroproggern Discipline. Der 12-minütige Longtrack „Roulette“ ist das perfekte Beispiel für diesen 70er-Sound. Ein Sound, der noch Zeit hat für Ruhe, Geschichten, langsame Songaufbauten und experimentierfreudige Instrumentalparts. Wichtig dabei: Beardfish lassen sich in keinerlei Ecke oder Extrem treiben. Weder ergötzt man sich an minutenlangen, epischen Bombastpassagen, noch fährt man hart rockende Riffs auf. Hier gibt es wirklich noch Musik zu hören, die stilistisch direkt aus der glorreichen, alten Zeit stammt.

Für den verwöhnten Retroprogger von heute, allem voran den Spock’s Beard- oder Flower Kings-Fan, dürften die Songs aber viel zu experimentierfreudig, freakig und unorthodox sein, was die Gesangsmelodien angeht. Hier springt den Hörer keine Wohlfühlmelodie an, vielmehr schälen sich nach und nach einige tolle Gesangspassagen raus, andere bleiben aber auch seltsam farblos und fad. Toll eingesetzt wird das Akkordeon, zum Beispiel im kurzen Intro „…On The Verge Of Sanity“ und beim oben erwähnten Longtrack. Mit diesem Instrument ein Album einzuleiten, ist sicherlich selten. Und deshalb musste ich auch unweigerlich an Saga und ihr Album „The Security Of Illusion“ denken, denn es eröffnet ebenfalls auch mit Akkordeon, auch wenn komplett andere Musik folgt.

Meiner Meinung nach gelingt den Schweden hier der eine oder andere tolle Song, z.B. die kurze, aber wundervolle Akustikgitarrenballade „Without You“, die Erinnerungen an Perlen wie „Talk To The Wind“ von Robert Fripp & Co. wachwerden lässt. Oder das das Album abschließende „Same Old Song (Sunset)“, das einfach nur chillig klingt und in völliger Harmonie erstrahlt. Über das großartige „Roulette“ brauche ich keine Worte mehr zu verlieren und „Sunrise“ macht als Anspielltipp recht schnell klar, worum es auf diesem Album geht.

Für meinen Geschmack ist es aber insgesamt zu trocken, zu altbacken und zu ruhig. Ich bin eben schon ein Kind des Bombast-Retroprog der 90er mit den Melodien für eine schönere Welt. „Sleeping In Traffic: Part One“ klingt mir über weite Strecken auch zu gleichförmig. Fans von King Crimson, Procul Harum, Gentle Giant, ELP und Ähnlichem werden das aber sicher anders sehen. Anschwellende Hammondorgeln, analoge Synthesizer, Folkanleihen, psychedelisch verzerrte Gitarren – das könnte was für euch sein? Dann scheut euch nicht, diese Platte anzutesten. Old School par excellence und in ganzer Konsequenz!

Wertung: 7 / 10

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