Review Bonecarver – Evil

Irgendwann im Leben eines Brutal Death Metal-Musikers, stellt sich dieser mit Sicherheit die Frage: „Will ich weiterhin unter ulkigem Bandnamen und/oder mit abgedrehten Liedtiteln auftreten?“ So ist dies wohl auch bei der spanischen Truppe BONECARVER geschehen, die Genreliebhabern vorher als Cannibal Grandpa bekannt war. Im Promo-Text erklären die Iberer dazu, dass die Band sich grundsätzlich neu ausrichten wollte und mit „Evil“ somit auch ihr bislang reifstes Album vorliegt. Ein Blick auf Cover, Albumname und Tracklist verrät jedoch gleich: Hier wird nach wie vor nicht auf Kuschelkurs gegangen.

Und auch musikalisch bestätigt sich dieser Eindruck umgehend. BONECARVER drücken von Sekunde eins aufs Gaspedal und nehmen den Hörer auf eine 38-minütige Hochgeschwindigkeitsfahrt mit. Nach kurzem Intro mit verzerrten Vocals setzt auf „Revolver“ die markerschütternde Double-Bass ein, dass einem selbst vom reinen Zuhören die Schweißperlen von der Stirn tropfen. Mit kantigen Riffs und Fernando Del Villars kräftigen Growls gelingt der Band ein vernichtender Opener, auf dem mit Polizeisirenen und Schussgeräuschen die lyrische Thematik des Außenseiters, der zum Amokläufer wird, kreativ und erdrückend umgesetzt wird.

Die Weichen sind somit gestellt und auch im weiteren Verlauf regieren auf „Evil“ markante Riffs, deftige Breakdowns und hasserfüllte Vocals. Doch wer glaubt, dass sich BONECARVER rein auf stumpfes Geballer fokussieren, wird spätestens beim dritten Titel „The Scythe“ merken, dass er falsch liegt: So zeigt Gitarrist Alex Tena sein Können nicht nur in Form von knallharten Gitarrensalven, sondern auch bei einem äußerst filigranen und coolen Solo. Auf „MALLEVS MALEFICARVM“ addieren BONECARVER sogar düstere Melodien zu ihrem Sound, die einem zwischenzeitlich das Gefühl verleihen, es hier mit Lorna Shore zu tun zu haben.

Dass Melodie für die Spanier kein vollkommenes Fremdwort ist, beweisen diese gleich mehrfach: Mit dem Highlight „Nest Of Traitors“, das mit einem beinahe schon atmosphärischen Interlude, aber auch mit dem härtesten Breakdown der Platte daherkommt, setzen BONECARVER abermals den Fuß in die Gefilde des Blackened Deathcores. Selbes gilt für den Titeltrack und Rausschmeißer „Evil“, mit dem die Band zum Abschluss nochmal eine wahrliche Duftmarke setzt und das Album mit einem Knall beendet.

Diese gewisse Vielseitigkeit macht „Evil“ trotz aller Herzlosigkeit zu einem angenehmen Hörerlebnis, da die Band neben viel wildem Geschrubbe stets Fingerspitzengefühl für das Songwriting beweist. Allerdings kommen BONECARVER trotz des Lobes nicht ganz ohne Makel davon: So wirkt der eine oder andere Song („Moon Maniac“, „The Blacksmith’s Massacre“) doch etwas ideenlos und mit Del Villars zum Titel passenden Hundegebell auf „Hound Pound“ haben die Madrilenen dann doch etwas zu dick aufgetragen – sollte dies den Hörer allerdings verstören, haben sie ihr Ziel damit erreicht.

Für Freunde der besonders brutalen Musik ist „Evil“ im Großen und Ganzen einer der ersten Leckerbissen des Jahres. Das Quartett liefert grundsoliden bis starken Death Metal der deftigen Sorte und lässt den imaginären Moshpit leb- und vor allem sehr schmerzhaft erscheinen – und in einer Zeit, in der es schwer fällt, sich an das Gefühl von Menschenmassen, Enge und schwitzigen Körpern zu erinnern, ist dies ein sehr guter Grund, bei „Evil“ häufiger auf Play zu drücken.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Silas Dietrich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert