Review Chaostar – Anomima

Fast eine Dekade lang war es still geworden um CHAOSTAR. Seit mit „The Scarlet Queen“ 2004 das dritte Album des Neoklassik-Projektes erschien, widmete sich Komponist Christos Antoniou nach selbstauferlegter Schaffenspause ausschließlich seiner Metal-Band Septicflesh, welche mit ihren Alben „Communion“ (2008) und „The Great Mass“ (2011) massiv an Bekanntheit zulegen und große Erfolge feiern konnten. Nun melden sich CHAOSTAR wie der Phönix aus der Asche zurück und legen mit „Anomima“ ihr viertes Album vor; ein Album, mit dem wohl nicht mehr viele gerechnet hätten.

Mit düsteren Streichern, Chor und einem gesprochenen Intro beginnt das Album düster und geheimnisvoll – genau, wie man es von den Griechen kennt und liebt. Vielschichtig und detailverliebt steigert sich „MA“ langsam, aber beständig – bereits hier fällt neben der kompositorischen Eleganz, mit der der studierte Komponist Antoniou zu Werke geht, das außergewöhnliche Gesangstalent von Androniki Skoula auf, welche seit 2010 in den Diensten von CHAOSTAR steht. Diese beiden Eigenschaften ziehen sich als feste Konstanten durch den weiteren Verlauf des Albums: Mal bedrückend und finster wie im großartigen „Sorrow Descending“, mal beschwingt, kraftvoll und aufbrausend („Dilate The Time“) und dann wieder getragen und episch („Les Reminiscences Extatiques“), decken CHAOSTAR dabei ein umfassendes Spektrum an Gefühlen und Impressionen ab.

And in the seventh track god dropped the bass.

„Bitte was?“, dürfte sich nun der eine oder andere denken – eine durchaus legitime Frage, die sich nicht groß von der unterscheidet, die mir beim ersten Hören von „Truth Will Preva“ durch den Kopf schoss: Nach zwei Minuten nimmt der Härtegrad zunächst drastisch zu, so dass man sich an „Communion“ von Septicflesh erinnert fühlt, bevor so unerwartet wie ein sich öffnendes Popup oder ein plötzlich doch startender Stream in einem längst vergessenen Browsertap der Dubstep über den bass erstaunten Hörer hereinbricht.

So plötzlich wie es einsetzt, endet das Elektro-Gewitter dann mit dem Ende des Songs auch wieder. Und darin liegt das wahre Problem: Denn wäre die Kombination aus komplexer Neoklassik und stumpfem Dubstep unter Umständen sogar durchaus reizvoll gewesen, hätte man sie in einen sinnvollen Kontext gestellt und mit den Differenzen gespielt, wirkt der Einschub so, ohne im weiteren Albumverlauf noch einmal aufgegriffen zu werden, im Albumkontext vollkommen deplatziert. Dass dem Album in der limitierten Edition mit „Canticles 2“ erneut vollkommen isoliert und für sich stehend ein waschechter Techno/Dubstep-Track angehängt ist, macht es da auch nicht eben besser.

Wären diesen beiden Ausgeburten musikalischer Absurdität nicht gewesen, wäre wohl „The Charmer“ der aus dem Albumkontext herausstehende Aufhänger gewesen – so jedoch wird der groovend-jazzige Song von einer immer noch in meinem Kopf widerhallenden Frage übertönt: „Warum?“ Warum muss man in einem Neoklassik-Album unmotiviert mit Dubstep-Elementen arbeiten? Nur um der Welt zu zeigen, dass man auch mit einem Master in Klassischer Komposition auf der Höhe der Zeit sein kann?

Was immer Christos Antoniou zu diesem Schritt getrieben hat – es war nicht eben ein Geistesblitz dieses ansonsten beeindruckend talentierten Musikers. Denn so stimmig „Anomima“ auch beginnt, so restlos bricht das Album in eben diesem Moment auseinander: Wären Songs wie „The Charmer“ in ansonsten stimmigem Kontext noch abgefedert worden, wirkt das Werk, durch den elektronischen Einwurf zerrissen, in seiner zweiten Hälfte nur mehr zerfahren und orientierungslos. Die Krone setzt dem Fass der so überflüssige wie im Kontext unpassende Bonustrack auf – spätestens hier kann man sich nur mehr an den Kopf fassen und sich fragen, ob man solche „Experimente“ wirklich unter dem stolzen Banner von CHAOSTAR hätte veröffentlichen müssen.

Wertung: 6.5 / 10

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