(Hörspiel/Volksmusik/NewMetal) Es gibt CDs, die scheinen wie dafür gemacht, ein Review darüber zu schreiben: Entweder sind sie einfach offensichtlich gut, und das auf eine derart leicht nachvollziehbare Weise, dass es ein leichtes ist, diese Qualität herauszustellen, oder derart schlecht, dass es ebenso leicht ist, die Mängel aufzulisten. „Siegerweißbier“ gehört in keine der beiden Kategorien – gibt es über das Album zwar unbestreitbar so viel zu sagen, dass es sich ebenfalls für ein Review quasi aufdrängt, ist eine Beurteilung dieses Albums dennoch aus Mangel an Vergleichen quasi unmöglich… doch beginnen wir am Anfang.
Die Eigenproduktion als Solche zeichnet sich zumeist dadruch aus, dass sie mehr davon lebt, zu zeigen, was die Band wollte, denn dies tatsächlich zu repräsentieren: Der Sound lässt oft bestenfalls erahnen, wie er eigentlich gemeint ist, und auch die restliche Umsetzung ist meist eher gut gemeint, denn gut. Schon in diesem Punkt unterscheidet sich „Siegerweißbier“ von allen anderen CDs, die mir bis zum heutigen Tage untergekommen sind: Als Doppel-CD im schicken Prägedruck-Digipak, begleitet von einem Poster, einem DinA-4 Karton-Infofolder sowie einigen „Siegerweißbier“-Bierdeckeln halte ich die wohl aufwändigste Promo meiner Redakteurskarriere in Händen: Hier steckt nicht nur, wie so oft bei Eigenproduktionen, in jedem Detail literweise Herzblut, sondern vor allem auch Talent und Professionalität – beides (vorallem zusammen) leider gemeinhin schon seltener anzutreffen. So lässt schon der optische Aspekt erahnen, dass dieses Album nicht eben durchschnittlich ist, und soviel sei vorweggenommen: Der Schein trügt hier höchstens insofern, als dass etwas von „durchschnittlich“ nicht weiter entfernt sein könnte als das, was CRUST ‚N‘ DRILLAZ hier abliefern.
Um es kurz zu machen: „Siegerweißbier“ ist kein Album im herkömmlichen Sinne, auch der Begriff „Doppel-Konzeptalbum“ wirkt hier wie eine kümmerliche Untertreibung. „Siegerweißbier“ ist ein Musik-Hörspiel-Doppelalbum von stattlichen zweieinhalb Stunden Spielzeit.
Beeindruckend daran ist schon allein der Arbeitsaufwand, ein derartiges Mammutprojekt zu konzipieren und realisieren: Ein 90-seitiges Drehbuch, 40 Darsteller und eine nicht näher bezifferte, aber sicherlich nicht eben geringe Summe Geld waren nötig, um dieses Musical der etwas anderen Art umzusetzen – das Resultat ist so genial wie daneben, so unterhaltsam wie nervenaufreibend, eigentlich unhörbar und dabei fesselnd wie ein Verkehrsunfall: Man kann, auch wenn es nicht immer Spass macht, einfach nicht wegschauen. Noch beeindruckender jedoch ist, wenn sich eine Band diese Mühen macht, um ein reines Spass-Album zu erschaffen:
Denn anders, als man bei einem Projekt diesen Kalibers denken könnte, geht es hier nicht um ein tiefsinniges, philosophisches Opus – Thema des Werkes ist eine Kochshow.
Ja, richtig gelesen, eine Kochshow. Über 145 Minuten führt ein (mehr oder minder) dezent nerviger Moderator, dessen Sprechweise stark an Rudi Carell erinnert, durch eine komplette Fernsehshow, an deren Ende, nach allerlei Irrungen und Wirrungen, die Familie Leitner mit ihrem grandiosen Schweinebraten den Wettbewerb um das beste Gericht gewinnt – Werbeunterbrechungen, Backstage-Szenen und Show-Publikums-Reaktionen inclusive.Was das alles mit Metal zu tun hat? Mehr, als man denkt – wird ein nicht unwesentlicher Teil der Geschichte doch in musikalischer Form präsentiert, wobei neben der (natürlich fiktiven) bayerischen Kapelle „Alpenlandler“ auch auf die CRUST ‚N‘ DRILLAZ zurückkommt: Beide bieten dabei eine gelungene Mischung aus bayerischem Kabarett a la Gerhard Polt oder Birmöselblosn und Musik, wobei die Alpenlandler eher volkstümlich, die CRUST ‚N‘ DRILLAZ hingegen irgendwo zwischen Disturbed und Korn anzusiedeln sind… und spätestens hier sollte jedem klar sein, wie abgefahren dieses Album wirklich ist…
Damit einher geht, dass das Werk, so professionell, qualitativ hochwertig und liebevoll es auch gemacht ist, im Ganzen nur schwer, wenn nicht gänzlich unerträglich ist: Zwar ist die Geschichte so unterhaltsam, wie die Darbietungsform vielseitig, allein auf die Dauer jedoch beides derart anstrengend, dass man sich zur Entspannung gerne mal Emperors „Prometheus“ oder wahlweise etwas von Dream Theater anhören möchte. Auch ist der ein oder andere Durchhänger in der Story natürlich nicht zu leugnen – entgegen einem normalen Album, bei welchem solche Längen verzichtbar sind, ist es hier allerdings eher wie bei einem Buch: Langweilige Kapitel gehören manchmal einfach dazu und können, mit Blick auf die Handlung, nicht einfach gestrichen werden…
Was nach zweieinhalb Stunden bleibt, ist zunächsteinmal Unverständnis… Unverständnis dafür, wie man derart viel Zeit, Geld und Liebe in ein Spassprojekt stecken kann, das man sich selbst später vermutlich nie wieder, und wohl selbst der ergebenste Fan höchstens alle Jahre einmal anhört.
Darüber hinaus ist es vor allem Respekt vor der nicht zu überbietenden Professionalität des Albums – welche deshalb von so entscheidender Bedeutung ist, da ein Album dieses Konzeptes mit dem Home-Made-Charme des Semiprofessionellen schlichtweg saumäßig dämlich und prästestiniert für einen satten Verriss wäre. So jedoch ist es schlicht unmöglich, dem Album nicht anerkennend zu begegnen – ist das, was CRUST ‚N‘ DRILLAZ hier abliefern, zwar sicherlich nicht jedermanns Sache, objektiv gesehen aber eine perfekte Umsetzung der Intention der Künstler.
Der Rezensent steht somit am Ende der Kritik vor dem Dilemma, all diese unterschiedlichen Faktoren und Komponenten in eine Zahlenwertung verrechnen zu müssen – und in diesem Fall damit ziemlich auf verlorenem Posten, wäre hier wohl fast jede Punktzahl irgendwie begründbar, solange sie nicht im drögen Mittelfeld der Richterskala liegt. Dass es am Ende doch 10 geworden sind, liegt nicht daran, dass sich dieses Album in mein Herz gespielt hätte (ganz im Gegenteil bin ich zugegebenermaßen gerade sogar recht froh, es nach dem verfassen dieser Zeilen ersteinmal in den Schrank stellen zu dürfen), sondern schlicht daran, dass CRUST ‚N‘ DRILLAZ das, was sie sich in den Kopf gesetzt haben, quasi perfekt umzusetzen wussten, und damit nicht nur ein Husarenstück in Sachen Komposition, Arrangement und Recording hingelegt haben, sondern auch ein schlichtweg einzigartiges Stück Musik geschrieben haben, das seinesgleichen wohl lange sucht…
Bayerisch-Kenntnisse in Sprache wie Kultur nicht unbedingt von Nöten, aber von Vorteil!
Wertung: 10 / 10