„I guess the only time most people think about injustice is when it happens to them.“ Dieses Zitat von Charles Bukowski ziert die Rückseite des Covers von „Relive“, des ersten Albums der Düsseldorfer Band DECEMBER YOUTH. Treffender könnte ihr melodischer Post Hardcore, der sich etlicher Elemente aus Punk und Post Rock bedient, kaum beschrieben sein: Leidenschaftlich und mit einem riesigen Gespür für Rhythmik und Melodie werden hier musikalisch und textlich sowohl persönliche als auch gesellschaftliche Ungerechtigkeiten thematisiert. Das Ergebnis ist ein überzeugendes Album geworden, mit dem sich DECEMBER YOUTH nicht hinter ihren musikalischen Vorbildern verstecken müssen.
Dabei ist es leicht, im Fall von „Relive“ mit Referenzen um sich zu werfen: Der Opener „Shiver“ erinnert stilistisch an „Such Small Hands“ von La Dispute, Chris‘ Gesang pendelt sich auf dem ganzen Album irgendwo zwischen Touché Amoré und More Than Life ein, die Melodieführungen bewegen sich zwischen Make Do And Mend („Fragments“) und Touché Amoré („NightTrain Talks (Old Man)“), das Treibende der Musik erinnert immer wieder an Comeback Kid („Common Blues“) – und doch besitzen DECEMBER YOUTH das gewisse Etwas, dass sie trotz dieser klaren Einordnung im melodischen (Post-)Hardcore hervorhebt und eigenständig klingen lässt.
Textlich werden neben persönlichen auch gesellschaftskritische Töne angeschlagen, was spätestens am Zusammenschnitt aus Nachrichtenkommentaren über Flüchtlinge in Europa am Beginn von „Ailleurs“ deutlich wird. Mit den drei „Night Train Talks“ betitelten Stücken verarbeiten DECEMBER YOUTH Gespräche, die Sänger Chris in nächtlichen Bahnfahrten aufgeschnappt hat, wobei sich „Night Train Talks (The Angst In Us)“ mit seinem durchdachten Songwriting und dem Chorgesang im zweiten Teil zum Highlight von „Relive“ mausert.
Leider können einige Stücke, wie beispielsweise „Dear Brother“, nicht komplett mitreißen, und die Stimmspanne von Sänger Chris ist auf Albumlänge gelegentlich noch ein wenig zu limitiert. Zusätzlich geht DECEMBER YOUTH hier und da geht noch ein wenig die Puste aus, einige Songs sind einen Tacken zu lang geraten und „Relive“ hätte mit ein paar Songs weniger noch einmal an Spannung und Energie gewonnen. Trotz dieser Kritikpunkte: Es fehlt nicht viel, dass DECEMBER YOUTH auch über die Langstrecke mit den ganz Großen mithalten können. Für ein Debütalbum ist „Relive“ ein weiteres Signal in der aktuellen deutschen Musiklandschaft, die das beweist, dass guter melodischer Post-Hardcore auch hier stattfindet.
Wertung: 7.5 / 10