Review Der rote Milan – Moritat

  • Label: Unholy Conspiracy Deathwork
  • Veröffentlicht: 2019
  • Spielart: Black Metal

Mit „Aus der Asche“ haben die deutschen Black-Metaller DER ROTE MILAN 2016 ihr Debüt veröffentlicht – eine recht durchschnittliche Platte, die eigentlich keinerlei Anlass dafür gab, die Truppe im Auge zu behalten. Zwar kamen die Songs mit mächtig viel Wucht daher, doch sie unterschieden sich kaum voneinander, hinterließen keinen bleibenden Eindruck und trotz Markus Stocks Beteiligung als Produzent klang die Platte ziemlich verworren. Zweite Chancen zu vergeben, kann sich jedoch mitunter bezahlt machen und siehe da: Nicht nur aufgrund seiner interessanten Thematik, die sich um Jahrhunderte alte, regionale Geschichten wie etwa den „Schinderhannes“ dreht, lässt „Moritat“ die Band in einem wesentlich besseren Licht dastehen.

Bereits der Opener „Die Habsucht“ überrascht gleich zu Beginn mit dem Kontrast aus fast schon friedlichen Keyboards und unterschwellig bedrohlichen, unverzerrten Gitarren. Von der ziellosen Raserei der Vorgängerplatte ist hier nichts zu merken – und doch lauern DER ROTE MILAN mit ihrem brachialen Black Metal schon hinter der nächsten Ecke, wie ein Meuchelmörder, der seinem erwählten Opfer nachstellt. Das Quintett mag seinen stilistischen Horizont erweitert haben, der schieren Gewalt, die schon von „Aus der Asche“ ausging, hat dies jedoch keinen Abbruch getan. Tatsächlich scheinen die manisch herausgespienen Screams und Growls, die hammerharten Riffs und das wuchtige, ungestüme Drumming sogar an Intensität zugelegt zu haben („Drohende Schatten“).

Außerdem werden die morbiden Texte diesmal deutlicher artikuliert, sodass man den schaurigen Geschichten besser folgen kann. Dass DER ROTE MILAN auf ihrem Zweitwerk nicht einfach nur ohne Unterlass auf den Putz hauen, sondern auch gequält schleppende und stimmungsvolle Clean-Passagen einfügen („Gnosis der Vergänglichkeit“), belebt einerseits das Storytelling und lässt andererseits die brutaleren Abschnitte noch imposanter erscheinen. Letzteres ist jedoch auch zu einem nicht unbeträchtlichen Teil der starken Produktion zu verdanken. Insbesondere die Vocals und das Schlagzeug bersten geradezu vor gnadenloser Härte, wodurch die Gitarren leider ein bisschen in den Hintergrund treten.

Dennoch gibt es auch an der Saitenfraktion nicht viel zu meckern, zumal der Sound der Platte um einiges definierter ausgefallen ist als es noch beim Debüt der Fall war. Obwohl die Verbesserung der Klangqualität überaus erfreulich ist, übertrifft „Moritat“ seinen Vorgänger jedoch in erster Linie aufgrund der Fortschritte, die DER ROTE MILAN in puncto Songwriting gemacht haben. Ein paar wenige verzichtbare, wenn auch keineswegs missratene Filler-Abschnitte haben sich zwar eingeschlichen, doch die sind leicht zu verschmerzen.

„Moritat“ ist mit seinen etwas zu leise abgemischten Gitarren und seinen gelegentlichen Rückfällen in alte 08/15-Gewohnheiten gewiss keine Offenbarung für erfahrene Black-Metal-Hörer. Dennoch haben sich DER ROTE MILAN in den drei Jahren seit dem Release ihres ersten Albums von einer x-beliebigen Underground-Band zu einer ernstzunehmenden Kapelle gemausert, deren Musik auch einer kritischen Betrachtung standhält. Die Emanzipation von der Masse an dünn produzierten, wahllos arrangierten Amateur-Metal-Platten ist DER ROTE MILAN mit „Moritat“ schon mal geglückt – bleibt nur noch abzuwarten, wie weit es die Deutschen mit ihrer nächsten Veröffentlichung bringen werden.

Wertung: 7.5 / 10

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