Review Dwarrowdelf – Evenstar

High-Fantasy-Geschichten wie J. R. R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ sind heutzutage nicht mehr nur ein Ding für ausgemachte Nerds. Längst ein Teil der Mainstream-Unterhaltungskultur, sind sie in den Augen mancher vielleicht der purste Ausdruck des menschlichen Vorstellungsvermögens. Nichtsdestotrotz haftet Erzählungen über Fantasiewesen wie Elfen, Zwerge und Orks mitunter immer noch ein kitschiges Stigma an – und das nicht ganz zu Unrecht, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Metal-Bands an dem Versuch, Tolkiens fiktionale Welt in ihrer Musik auf ernstzunehmende Weise aufleben zu lassen, scheitern. Auch DWARROWDELF, das Epic-Black-Metal-Soloprojekt des britischen Einzelmusikers Tom O‘Dell, ist ganz und gar darauf ausgelegt, Geschichten aus Mittelerde zu vertonen.

Auf „Evenstar“, seinem vierten Album in nur drei Jahren, schildert O‘Dell die Reise des Waldläufers und Königserben Aragorn mit dem Hauptaugenmerk auf dessen Bestreben, sich seiner späteren Gemahlin, der Elbenmaid Arwen, als würdig zu erweisen. Klingt schnulzig, ist es leider auch – und das nicht bloß in lyrischer Hinsicht. Dabei macht DWARROWDELF vom Keyboard – üblicherweise der Hauptgrund für das alberne Image vieler Epic-Black-Metal-Bands – gar nicht so exzessiv Gebrauch. Mit ihren kräftigen Gitarrenriffs, teils ausgelassenen, teils lässig-rockigen Leads und Soli („For The Kingdom I Shall Claim“) und erstmals nicht programmierten, sondern von einem Gastmusiker eingetrommelten Drums haben die zwischen fünfeinhalb und acht Minuten langen Tracks eine ziemlich solide Basis.

Vereinzelt gelingen DWARROWDELF sogar richtig starke Kompositionen – so zum Beispiel das mit energiegeladenen Gitarrenmelodien und Blast-Beats, verspielten Synthie-Harfen und sanften Flöten imponierende „In Pursuit Of Ghosts“. Der Kitsch lauert auf „Evenstar“ jedoch hinter jeder Ecke. Werden schon die Gitarren sicherlich dem einen oder anderen Black-Metal-Fan zu sehr auf Epik gestimmt klingen, so setzt DWARROWDELF dem Fremdscham erregenden Pathos mit den schwächlichen Clean-Vocals und den aufdringlichen, zum Teil fast schon schrillen Keyboard-Sounds die Krone auf. Dass O‘Dells Screams etwas eintönig und das von Mike Lamb (Sojourner) eingespielte Piano eine Spur zu hölzern wirken, fällt da kaum noch ins Gewicht.

Einige gravierende Fehler sind dem Briten allerdings bei der Produktion des Albums unterlaufen. Mögen die Songs auch alles in allem einen recht kraftvollen Klang besitzen, so schwanken die einzelnen Komponenten doch immer wieder in ihrer Dominanz, sodass manche der Instrumente mitunter ins Hintertreffen geraten. Vor allem die Gastbeiträge wurden zum Teil überhaupt nicht stimmig in die Tracks eingepflegt.

Dass Tom O‘Dell mit „Of Dying Lights“ (2019) bereits ein ausschließlich clean eingesungenes Album veröffentlicht hat und auf die Idee kommen könnte, in Zukunft noch häufiger zum Keyboard zu greifen, möchte man sich eigentlich gar nicht ausmalen. Im Hier und Jetzt gibt es jedoch zumindest ein paar Dinge, die für DWARROWDELF sprechen. Während „Evenstar“ hinsichtlich Klargesang, Tasteninstrumenten und Soundqualität schwer zu wünschen übrig lässt, punktet das Album immerhin mit ein paar halbwegs mitreißenden Gitarren-Parts und Gastbeiträgen. Vorerst bleibt DWARROWDELF ein Hit-and-miss-Projekt – in mancherlei Hinsicht funktioniert es schon ganz gut, in anderen Bereichen (noch) überhaupt nicht.

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Wertung: 4.5 / 10

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