Ethereal Shroud - Trisagion Cover

Review Ethereal Shroud – Trisagion

Es kann mühselig sein, den Metal-Underground auf der Suche nach versteckten Schätzen zu durchforsten. Zwischen den unausgegorenen Amateurwerken blutiger Anfänger*innen und einfallsloser Nachahmungstäter*innen stößt man aber doch immer wieder auf Projekte, die ihre Freiheit von kommerziellen Zwängen dazu nutzen, Großartiges zu schaffen. Sogar in diesen freigeistigen Kreisen sind nur wenige so konsequent kompromisslos wie Joe Hawker. Bereits vor dem Release des zweiten Albums seiner Ein-Mann-Band ETHEREAL SHROUD offenbarte der Brite, seine Vision mit „Trisagion“ vollständig verwirklicht zu haben und seinem Soloprojekt folglich ein Ende zu setzen.

Auch ungeachtet der Umstände seines Erscheinens lässt „Trisagion“ keinen Zweifel an der künstlerischen Integrität seines Schöpfers. Wie das Debüt „They Became The Falling Ash“ (2015) besteht die Platte aus drei monumentalen Longtracks zwischen Post-Black-Metal und Funeral Doom, deren Umfang von 14 bis 28 Minuten rangiert. Um die Kapazitäten der physischen Tonträger voll auszuschöpfen, hat ETHEREAL SHROUD diesen Release-Versionen mit „Lanterns“ zwar einen nicht minder hörenswerten Track hinzugefügt, diesen jedoch durch eine kurze Pause bewusst von dem konzeptionell durchdachten Album abgegrenzt. Mit dieser Entscheidung unterstreicht Hawker die Bedeutsamkeit des Aufbaus des Albums und seiner Songtexte, in denen er persönliche Traumata, seine antifaschistischen Überzeugungen und seine Frustration über menschlichen Eigennutz sowie die daraus resultierende Zerstörung der Umwelt verarbeitet.

Es sind Themen von immenser Tragweite und ETHEREAL SHROUD weiß sie entsprechend groß in Szene zu setzen. Schon in den aus unwägbaren Tiefen emporsteigenden Trommeln, die den Opener „Chasmal Fires“ einleiten, spürt man etwas Mächtiges herannahen. Nach und nach treten Keyboards, die im weiteren Verlauf des Albums meist wie eine prachtvolle Orgel klingen, eine wehmütig scharrende Bratsche und schließlich überwältigende Riffs und Drums hinzu. Das monolithische Gitarrenspiel und die teils stürmischen, teils getragenen, aber durchwegs imposanten Schlagzeugrhythmen sind das Fundament der Songs. Nur selten weichen sie sanfteren Klängen wie dem melancholischen Piano, das das mit besonders bedeutungsschwerem, treibendem Riffing beeindruckende „Discarnate“ und „Astral Mariner“ miteinander verbindet.

Dennoch übernimmt ETHEREAL SHROUD sich keineswegs bei der Errichtung seiner in dem Artwork perfekt eingefangenen Klangkathedrale. Nie wiederholt der Einzelkünstler eine Akkordfolge zu oft, an keinem Punkt nützt sich der so erhabene wie mitreißende Grundton seiner gigantischen Kompositionen ab – bei einer Gesamtlaufzeit von über einer Stunde ein bemerkenswertes Kunststück.

Seine raue, wenn auch stimmige Produktion, in der die grimmigen Screams, Keyboards und Streicher manchmal ein wenig zu kurz kommen, aber auch die herausfordernde Länge seiner Songs weisen „Trisagion“ als Spross des tiefsten Undergrounds aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands in den Randbereichen der Musikbranche, die mit ihrem unkonventionellen Ansatz bloß mäßige Fertigkeiten kaschieren, hat ETHEREAL SHROUD seine Stücke wohl überlegt konzipiert und fähig umgesetzt. So bedauerlich es auch ist, ETHEREAL SHROUD schon nach zwei Alben verglimmen zu sehen, ist das selbstbestimmte Ende des Projekts doch ein Zeugnis seiner kreativen Ambition. Mit „Trisagion“ hat Hawker sich selbst, aber auch den ihn umtreibenden persönlichen und gesellschaftlichen Umständen ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt.

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Wertung: 8 / 10

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