Die griechischen Post-Black-Metaller EUPHROSYNE haben sich seit ihrer Gründung 2021 viel zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, war doch bereits die 2022 veröffentlichte EP „Keres“ ein mehr als beachtenswertes erstes Lebenszeichen. Nun legt die Formation mit „Morus“ ihr Debüt über Black Lion Records vor. Das Album behandelt den Tod an einem sehr konkreten Beispiel: Gitarrist und Gründer Alex Despotidis verlor 2017 seine Mutter an Krebs. „Morus“ ist die emotionale wie philosophische Aufarbeitung eines Trauerprozesses.
Da wundert es wenig, dass schon die ersten drei Songs von einer ungeheuren Trübsal und Melancholie getragen werden. „Morus“ setzt in seinen 50 Sekunden den Tenor für das Tieftraurige, das subtil Düstere und auch Bedrohliche, was dem Debüt von EUPHROSYNE innewohnt. Ein Mann spricht über die schwarze Maulbeere, eine Frucht, die in der griechischen Mythologie mit einem nahenden Verlust assoziiert wird.
Entgegen der Erwartungen folgt mit „July 21st“ nicht etwa eine grollende Black-Metal-Walze, um das Intro zu kontrastieren, sondern setzt erfrischenderweise die aufgenommene Stimmung sehr leise und subtil fort. Mit tragischen Pianoklängen, Ambients, dezenten Streichern und der passend zerbrechlichen Stimme von Sängerin Efi inszeniert die Formation eine Authentizität, die viele (größere) Bands ihres Genres gerne hätten. Nach etwa der Hälfte des Songs gibt es ihn dann aber doch noch – den erwartungsgemäß rasanten Post-Black-Metal, der in den typischen wie schönen, flirrenden Klangwänden seines Stils kulminiert. So wird schon der zweite Titel auf „Morus“ ein kleines Highlight.
Dass EUPHROSYNE das Korsett des Post-Black-Metal (glücklicherweise) sehr weit ausdehnen, belegt dann „Valley Of White“. Mit seinen groovig-proggigen Bass- und Drum-Lines erinnert es ein wenig an Jinjer zu Durchbruchszeiten. Im Verlauf des Songs könnte man meinen, Lacuna Coil hätten in einer anderen Realität den Abzweig in Richtung Trauerarbeit genommen, denn auch dieser Song ist durch seinen Spagat zwischen Black Metal, Modern Metal und leicht progressiven Einschüben ein echter Catcher. Es ist einfach schön, dass EUPHROSYNE es nicht darauf anlegen, auf Biegen und Brechen die neuen Genre-Verdreher sein zu wollen. Die Musik der Griechen fließt und nimmt den Hörer ganz von allein an die Hand.
Dabei spielt es keine Rolle, ob „Eulogy“ genannt wird, das mit seinen hallenden Drums und einer extrem bedrückenden Stimmung ein wenig an das letzte Werk von Lake Of Tears erinnert; oder ob es die unheimliche Düsternis von „Funeral Rites“ ist, die ein angenehm „einfaches“ Black-Metal-Feeling aufkommen lässt; oder ob die sehnsüchtigen Leads auf „Mitera“ dem Hörer die Tränchen aus dem Knopfloch drücken.
EUPHROSYNE decken auf ihrem Debüt die großen Gefühle des Verlierens mit einer Mühelosigkeit ab, dass man sich mit Recht fragen darf: Wo war diese Band die ganze Zeit? Wenn das abschließende „Lilac Ward“ dann noch einmal auf wuchtige wie emotionale Weise, musikalisch alle Phasen der Trauer durchläuft, als hätte Danny Elfman sich an Extreme Metal versucht, ist das ein fast schon befriedender Abschluss. Schließlich steht der Flieder („Lilac“) für die Akzeptanz der Sterblichkeit.
Bei aller Akribie und Schönheit findet sich aber doch ein kleiner Wehmutstropfen an „Morus“, denn es sind gerade die Screams von Sängerin Efi, die im Gegensatz zu ihren großartigen Clean-Vocals („Asphodel“) nicht immer mitzureißen wissen. Manchmal wirkt der Einsatz extremen Gesangs noch recht angestrengt, was den ansonsten wirklich tollen Songs auf „Morus“ ein wenig die Stimmung nehmen kann.
Das ist etwas, das man entweder kritisiert oder womit man sich anfreundet. Letzteres würde sich lohnen, denn „Morus“ ist ein fantastisches Debüt von einer Band, die nicht nur mutige Akzente setzt, sondern dabei auch noch ungemein versiert zu Werke geht. EUPHROSYNE gilt es sich zu merken. Zumindest wenn man mutig genug ist.
Wertung: 8.5 / 10
Danke für die Review.
Hatte die Band nicht auf dem Schirm, aber das Album ist richtig gut.
Wäre ein tolles Live-LineUp
Amenra / Allochiria / Euphrosyne
Hey Nico,
sehr gerne;) ich freue dass dir das Album so gut gefällt. Die Tourkombi wäre tatsächlich auch interessant.
Danke für deinen Kommentar und liebe Grüße:)