Review Evilfeast – Elegies Of The Stellar Wind

  • Label: Eisenwald
  • Veröffentlicht: 2017
  • Spielart: Black Metal

Anhänger des 90er-Jahre-Black-Metal, wappnet euch! Sechs Jahre nach „Wintermoon Enchantment“ legt der polnische Einzelkämpfer mit dem etwas ulkigen Pseudonym Grim Spirit mit „Elegies Of The Stellar Wind“ das mittlerweile fünfte Album seines Soloprojekts EVILFEAST vor. Die Umstände der Veröffentlichung, die Wortwahl, aber auch das finstere Artwork machen bereits vorab unmissverständlich klar: Hier geht es nicht um stilistischen Fortschritt, sondern es wird ungeniert der Black Metal der zweiten Welle zelebriert. Doch wo liegt EVILFEAST auf der Skala von Darkthrone bis frühe Dimmu Borgir? Und kann man den Zauber von damals zwanzig Jahre später immer noch authentisch reproduzieren? Fragen, die „Elegies Of The Stellar Wind“ hoffentlich beantworten kann.

Gleich zu Beginn des Openers „The Second Baptism… Shores In Fire And Ice“ fallen bereits zwei Charakteristika der Platte auf: die Sound-Samples und die Keyboards. Erstere setzt EVILFEAST im Zuge des Albums immer wieder in mannigfaltiger Weise ein, sei es nun in Form eines unheilvollen Gewitters, des Hufschlags eines galoppierendes Pferds oder eines wahrhaftig sakral klingenden Kirchenchors, der mit dem knarrenden Schließen eines schweren Eichentors abrupt verstummt („From The Northern Wallachian Forest… Tyranny Returns“). Diese Geräuschkulisse, die EVILFEAST seinen ohnehin schon geradezu magischen Kompositionen beistellt, verleiht ihnen einen mystischen Unterton, den man so heute selbst im Black Metal nur noch selten vorfindet.

Die eigentliche Quelle der geheimnisumwitterten Atmosphäre, die die Musik von EVILFEAST wie ein dunkler Schleier umhüllt, sind jedoch die flächendeckenden Keyboards, die im perfekten Mittelfeld zwischen Düsternis und Erhabenheit liegen. Ebendieser faszinierende Klangteppich, der dem Hörer an manchen Stellen regelrecht ehrfürchtiges Staunen abringt („Lunar Rites… Beholding The Towers Of Barad-Dur“), offenbart zudem, dass EVILFEAST ein eingehendes Verständnis in Sachen Produktionstechnik vorzuweisen hat. Während nämlich die Tastentöne glasklar, in kleinster Weise billig und somit sehr zeitgemäß klingen, steht das Soundgewand der schwarzmetallischen Stilmittel eindeutig in der Tradition der Second Wave.

Die Screams, aber auch die beschwörenden Clean-Vocals sind recht weit im Hintergrund, die aufbrausenden, rauschenden Riffs und die frostigen Leads und Soli sowie die stürmischen Schlagzeugarrangements bilden das klangliche Äquivalent zur ungezähmten skandinavischen Wildnis. Dennoch ist ganz klar erkennbar, dass die rohe, aber durchaus organische und gewiss nicht zu dünne Produktion nicht Ausdruck mangelnder technischer Möglichkeiten oder Fertigkeiten ist, sondern ein bewusst eingesetztes, perfekt ausbalanciertes Stilelement, mit dem EVILFEAST seinen Songs ihr volles atmosphärisches Potential entlockt.

Es gibt gewiss viele Bands, die sich daran versuchen, die Faszination, die vom Black Metal des vergangenen Jahrtausends ausgeht, in die Gegenwart zu holen, und kläglich daran scheitern. Wer will schließlich heute noch ein Album mit der Produktion einer alten Burzum-Platte und dem immergleichen monotonen Riffing hören? EVILFEAST ist jedoch eines dieser seltenen Projekte, denen die Verbeugung vor den nebulösen Ursprüngen des Genres gelingt, ohne dabei peinlich auf die Nase zu fallen. Sowohl die ausladenden, majestätischen und mystischen Kompositionen als auch der unfassbar stimmige Sound machen „Elegies Of The Stellar Wind“ zu einem beeindruckenden Vorzeigewerk des Black Metal, das das Potential hat, altgediente Schwarzmetaller und Neueinsteiger gleichermaßen in seinen Bann zu ziehen.

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Wertung: 9 / 10

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2 Kommentare zu “Evilfeast – Elegies Of The Stellar Wind

  1. Völlige Zustimmung! Für mich eines der besten Alben des Jahres, wenn nicht der letzten Jahre. Das Wort „magisch“ trifft es einfach perfekt. Genau so klingt das, was für mich Black Metal ausmacht und eben nicht wie Deathspell Omega und Co – ohne deren Qualität abzusprechen, aber ich mag einfach diese archaische, mystische und dennoch stets nachvollziehbare Atmosphäre, einschließlich Gänsehaut-Melodien und fantastischen Ideen.
    Wer allein im Booklet blättert, fühlt sich sofort an die guten, alten 90er erinnert…

    1. Hallo Winterpercht,
      ich habe so das Gefühl, dass es viele Überschneidungen gibt, was unseren Musikgeschmack angeht. Das freut mich sehr!
      Ebenso freut mich, dass ich dir in diesem Fall mit meiner Rezension so aus der Seele sprechen konnte und dass noch jemand die Platte für sich entdeckt hat. Werden wohl leider nicht allzu viele sein, die darauf aufmerksam werden, aber das macht ja auch ein bisschen den Charme aus.
      Zu dem Album selbst muss ich jetzt wohl nichts mehr sagen, es steht ja eigentlich schon alles im Review. Außer vielleicht noch, dass ich es auch toll finde, dass die Songs einerseits immer wieder Passagen haben, die sich schnell einprägen, an denen man sich quasi festhalten kann, die Songs als Ganzes aber nicht so eingängig sind, dass man sich allzu schnell daran sattgehört hat. Wirklich ein fantastisches Album. :)

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