Review Femme Schmidt – Raw

Eine moderne Ausführung alter Cabaret-Kunst, die raffinierte Grooves und eingängige Melodien einbindet. Dazu gibt es eine üppige Orchestrierung. Eine doch gewagte und dick aufgetragene Formulierung, die uns auf der Facebook-Seite der Dame angepriesen wird. Mit ihrem zweiten Studioalbum „Raw“ möchte die Künstlerin, die in Berlin und London wohnhaft ist, die Musikhörer begeistern. Wird dieses Unterfangen gelingen?

Zuallererst sticht das in Grautönen gehaltene Artwork ins Auge, das einem einen beachtlichen Hauch von Lana Del Rey suggeriert. Die Songtitel sind dann zwar weitaus weniger spektakulär oder auffällig, aber das muss ja in erster Linie nichts heißen. Musikalisch ist alles in einem ähnlichen Popgewand mit dezenten Indie-Einflüssen verpackt. Die Stimme von FEMME SCHMIDT bewegt sich in einem melancholischen Umfeld, das dennoch hoffnungsvolle Untertöne mitschwingen lässt. In den Tonlagen variiert sie gekonnt zwischen glasklaren und etwas tiefer geprägten Herangehensweisen, driftet aber niemals in einschläfernde oder langweilige Gefilde ab. Die äußerst vielseitige Instrumentierung hält sich in diesem Rahmen stilvoll zurück und liefert damit ausreichend Platz für die Stimmentfaltung der Dame am Mikrofon. Desweiteren ermöglicht diese Arbeitsweise ein verlustfreies Lauschen der Songtexte. Auch wird mit einigen genrefremden Einwürfen experimentiert, die beispielsweise bruchteilhaft Dubstep durchscheinen lassen („Golden“). Auch Balladen dürfen in diesem Kontext natürlich nicht fehlen und so kommt „Temple Of Tears“ ausschließlich mit Akustikgitarren und einem minimalistischen Schlagzeugspiel aus, bevor gegen Ende Pianoklänge und Streicherklänge in das Konstrukt eingebunden werden. Im Allgemeinen ist es genau dieses Zusammenspiel zwischen purer Pop-Attitüde und dein Einschüben klassischer Instrumente, die dem Album einen besonderen Flair verleihen. Das funktioniert auch dann in wohlwollender Manier, wenn sich blues-rockige Elemente dazu gesellen („Kill Me“) und FEMME SCHMIDT auch ihre rauere Röhre zum Besten gibt. Dies lockert auch die ansonsten eher kühl und distanziert wirkende Gesangsleistung etwas auf, obgleich sie in ihrem typischen Klangbild keine schlechte Leistung darstellt. Gerade aus diesen Gründen wird die Erinnerung an die US-amerikanische Gesangskollegin Lana Del Rey fast durchgängig wachgehalten. Der Titelsong wartet mit 50er-Jahre-Swing auf, der Bläser einbindet und in diesen Momenten auch von einer lasziv auftretenden Künstlerin im Cabaret alter Zeiten nicht mehr weit entfernt ist. Gegen Ende der knapp 53 Minuten wird mit „Surround Me With Your Love“, „Loving Forces“ und „Shape Of Love“ nochmal ausgiebig die Liebeskeule geschwungen. In diesen Momenten überwiegt zwar nicht ausschließlich der Kitsch, aber dennoch wirken die drei Songs in dieser Positionierung ein wenig ideenlos und blass im Gegensatz zum bisherigen Material. Zum Abschluss winkt das religiös geprägte „God Only Knows“ mit einem fast schon standardisierten Abschied vom regulären Album. Schade ist, dass das soulige „Is Your Love Strong Enough“ und das an Filmmusik erinnernde „Wild Heart“ als Bonus hinten angestellt wurden. Die beiden Titel haben alle starken Elemente des Anfangs in sich vereint und können somit den vorherigen Durchhänger wieder einigermaßen ausbügeln.

Mit ihrem zweiten Studiowerk „Raw“ hat FEMME SCHMIDT mit ihren Musikerkollegen ein Album eingespielt, das alles andere als langweilig ist. Ihre Pop-Wurzeln vermengt sie gekonnt mit Jazz, Blues, Indie, Klassik und rockigen Elementen. In ihren vorrangig leisen Tönen verstecken sich allerhand feine Details, die das Interesse an diesem Release meistens hochhalten. In Sachen Coolness, kühler Distanziertheit und Hitdichte des nordamerikanischen Pendants müssen dennoch einige Abstriche gemacht werden. „Raw“ ist trotz den Kritikpunkten ein hochwertiges Album der Popmusik, das künstlerisch interessant präsentiert wird.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Christian Denner

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