Review Front Line Assembly – Wake Up The Coma

FRONT LINE ASSEMBLY gehören ohne Frage zu den Wegbereitern des modernen Industrials bzw. Industrial Metals. Der Einfluss, den ein Album wie „Millenium“ (damals noch mit Devin Townsend an der Gitarre) in den Neunzigern auf die gesamte Szene hatte, ist mehr als maßgeblich. Allerdings ist es den Kanadiern nach der Jahrtausendwende zunehmend schwerer gefallen, an die damaligen Erfolge anzuknüpfen. Ist „Wake Up The Coma“ der erhoffte Befreiungsschlag?

Dem geneigten Headbanger sei im Vorfeld schon mal gesagt: Umfangreichen Gitarreneinsatz gibt es auf dem neuen Longplayer von FRONT LINE ASSEMBLY nicht zu verzeichnen. Vereinzelt hört man schon mal etwas Sechssaitiges zwischen den Zeilen, aber eher in den Hintergrund gemischt und keinesfalls so dominant wie bei „Surface Patterns“ oder auch dem 2010er Brett „I.E.D.“. Was aber nicht bedeutet, dass auf Verzerrung verzichtet werden muss: Gerade die durchaus groovigen Basslines auf „Wake Up The Coma“ knurren und übersteuern munter vor sich hin. Allgemein muss man der elektronischen Umsetzung attestieren, dass die gewählten Synthesizersounds eine schöne Mischung aus klassischen Industrialsounds und modernen, frischen und unverbrauchten Klängen ist. Schöne Leadflächen, zwitschernde Arpeggios – in den meisten Fällen liebevoll programmiert.

Das detailverliebte Sounddesign überzeugt also schon mal in weiten Teilen, aber wie verhält es sich mit der kompositorischen Seite? Unter den zumeist im Midtempobereich, aber auch im Downbeat angesiedelten Tracks auf „Wake Up The Coma“ befinden sich schon einige Perlen wie das schleppende „Tilt“ oder auch das atmosphärische „Negative Territory“, beides ohne Fragen Kandidaten für den Soundtrack eines beliebigen Dark-Future-Computerspiels. Das als unsägliche Dancefloor-EBM-Nummer startende „Living A Lie“ bietet in der zweiten, eher synthpopartigen Hälfte eine ganz schicke Hookline, „Spitting Wind“ (featuring Chris Connelly von den Revolting Cocks) durchaus cooles Beatprogramming und Ohrwurmcharakter. Über den ausgeprägten Vocodereinsatz auf „Wake Up The Coma“ kann man mit Sicherheit streiten, über den Titeltrack selbst leider nicht – klingt er doch wie eine zahme Version der Korn-Skrillex-Kollaboration, nur mit Nick Holmes am Mikrofon. Interessanterweise präsentiert letzterer hier ausschließlich melodische Kost wie man sie zuletzt um die Jahrtausendwende auf Paradise-Lost-Platten gehört hat.

FRONT LINE ASSEMBLY bieten auf „Wake Up The Coma“ durchaus schöne Tracks und Passagen an, aber es reicht trotzdem nicht zum Hitalbum. Die Songs sind einfach ein wenig zu beliebig, zu sehr Standardware, auf Albumlänge nutzt sich das Wechselspiel aus (teilweise echt miesen) tanzbaren Clubnummern und score-artigen Tracks recht schnell ab und langweilt dann auch ein bisschen. Wie Bill Leeb und Rhys Fulber allerdings auf die Idee gekommen sind, Falcos Song „Amadeus“ zu covern, wäre schon schön zu wissen.

Wertung: 5 / 10

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